Adobe hat seine anfangs Jahr angekündigte E-Commerce-Lösung für PDF-Dokumente, «Web Buy», schneller als erwartet zur Verfügung gestellt. Die neue Version von Acrobat Reader mit dem integrierten Web Buy-Zusatz kann bereits von der Adobe-Internet Site heruntergeladen werden. Zum ganzen System gehört ausserdem
Adobe PDF Merchant, eine Server-Software, mit der Verleger die PDF-Dokumente verschlüsseln und anbieten können.
Für den Käufer sieht die Sache dann so aus: Er lädt zunächst das verschlüsselte PDF-Dokument herunter, geht dann mit dem PDF-Reader auf die Anbieter-Site, wählt den freizuschaltenden Text per ID-Nummer aus und bezahlt über Kreditkarte den geforderten Betrag. Daraufhin erhält er von der Merchant-Software einen Freischaltcode, der es ermöglicht, den Text auf seinem Rechner oder E-Book-Lesegerät anzuschauen. Der Text kann jedoch nur auf diesem einem Gerät angezeigt werden, da PDF-Reader und Website miteinander einen individuellen Schlüsselcode ausmachen. Der Freischaltcode kann nicht auf einer anderen Installation des Readers benutzt werden. Damit soll das Copyright gewahrt bleiben. (Obwohl es ja, wenn man es recht bedenkt, bei gedruckten Büchern auch nicht verboten ist, sie an Freunde und Bekannte auszuleihen.)
Gegengewicht zu OEB
Offenbar hat sich Adobe bemüht, das erweiterte PDF-Format so rasch als möglich für die kommenden E-Book-Anwendungnen in die Waage zu werfen, um dem kürzlich verabschiedeten OEB (Open-eBook)-Standard etwas eigenes entgegenzusetzen. Denn dass die elektronische Bücher eine Industrie werden, daran ist spätestens nicht mehr zu zweifeln seit Microsoft in die OEB-Arbeitsgruppe eingestiegen ist, die von den Herstellern der beiden bisher angekündigten E-Book-Lesesystemen, Nuvomedia und Softbook, sowie einigen grossen Verlagen gebildete wurde. Der OEB-Standard entstand nicht zuletzt auf Drängen des National Institute of Standards and Technology (NIST), einer Abteilung der Technologie Adminstration im US Handelsdepartement.
Neben OEB beschäftigt sich noch eine weitere Gruppe, EBX (Electronic Book Exchange), mit einer Standardisierung von E-Books. Auch in dieser Gruppe sind Verleger und Unternehmen aus der Elektronikbranche zu finden – vor allem solche, die der Meinung sind, der auf HTML und XML basiernde OEB-Standard sei etwas gar einseitig von
Microsoft, Nuvomedia und Softbook geprägt worden. Durch die Veröffentlichung des OEB-Standards und dessen Unterstützung durch die NIST hat EBX jedoch an Boden verloren.
Adobe ist Mitglied beider Gruppen, dürfte aber mit seinem erweiterten PDF-Modell bei EBX eher mehr Unterstützung finden als bei OEB. PDF-Files lassen sich zwar auch in den OEB-Code einbetten. Der Standard verlangt jedoch, dass deren Inhalt auch ohne PDF-Spezifikation gelesen werden kann. Keine sehr komfortable Situation für
Adobe.
Wer gewinnt?
In Zukunftsmarkt für elektronische Bücher spricht grundsätzlich einiges für das PDF-Format: Es erzeugt kleine Dateien und ist (wie auch HTML/XML) auf praktisch allen Plattformen einsetzbar, bietet elektronische Querverweise in Form von Links und die Möglichkeit, einzelne Stellen des Buches anzuzeichnen und mit Bemerkungen zu versehen. Zudem ist das PDF-Format konsistent in der Darstellung von Text und Bildern und bereits heute weit verbreitet. Allein im Internet finden sich Milliarden von Dokumenten mit dem Anhängsel dot-pdf.
Trotzdem ist es fraglich, ob sich Adobes Konzept wird durchsetzen können. Gegen den von
Microsoft und den E-Book-Herstellern favorisierten OEB-Standard dürften es jeder andere ziemlich schwer haben. (fis)
Das E-Book kommt
Eigentlich wären alle an einem einheitlichen Standard interessiert, vor allem wohl die Verleger. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass sich das E-Book in den nächsten Monaten endgültig von der SF-Literatur in die Realität verlangern wird. Da macht es wenig Sinn, wenn elektronische Bücher nur für einen Teil der potentiellen Leser erhältlich sind oder in mehreren Versionen verlegt werden müssen. Sonst ist die Gefahr gross, dass die Kunden bei dem bleiben, was sie seit hundert Jahren kennen: Beim gedruckten Buch. Das ist aber für die Verleger keine allzu verlockende Alternative. Das E-Book hilft ihnen nicht nur Druckkosten zu sparen, es erleichtert ihnen auch die Logistik: Nachdrucke und Retouren sind bei der elektronsichen Verbreitung über das Internet nicht mehr notwendig. Die Versorgung ist schnell und die «Lagerkosten» sind kleiner als bei gedruckten Büchern. Der Kunde seinerseits hat in einem Gerät, das kaum grösser ist als ein Taschenbuch, ganze Bibliotheken zur Verfügung.