ERP im Mittelstand – wohin?

Cap Gemini Ernst & Young hat KMU nach ihren ERP-Systemen befragt, Zufriedenheit ausgelotet und nach Potentialen geforscht.

Artikel erschienen in IT Reseller 2002/16

   

Wie gross ist die Verbreitung von ERP-Systemen im Mittelstand? Wie ist die Zufriedenheit mit den eingesetzten Systemen? Was war die Hauptzielsetzung bei der Einführung? Diese und andere Fragen versuchte Cap Gemini Ernst & Young in einer Studie zu beantworten.
Sie wurde unter 100 Mittelständlern in Deutschland durchgeführt. Ergänzend dazu haben wir den Verantwortlichen für ERP-Consulting in der Schweiz bei Cap Gemini Ernst & Young, Roman Wüst (Bild), befragt, der spezifische Aussagen zum Schweizer Markt beisteuerte.

Gut zwei Drittel haben durchgängiges ERP

Immerhin 70% der Befragten haben ein durchgängiges ERP installiert, die These, dass die Systemlandschaften stark heterogen wären, lässt sich nicht mehr halten. Roman Wüst ergänzt: «Der SAP-Anteil ist dabei in der Schweiz wesentlich höher als in Deutschland. Er liegt bei etwa 65 Prozent. Für SAP ist die Schweiz von jeher ein Target-Markt. Hier ist die Marktdurchdringung einfacher, die Leute sind Neuem gegenüber aufgeschlossen. Die Schweiz war schon in R2-Zeiten ein Land, das sich SAP auch leisten konnte und wo sich die Unternehmen damit einen Vorsprung verschafften.»
Für 61% der Befragten war der funktionale Leistungsumfang das wichtigste Entscheidungskriterium. Gleich danach folgt die Zuverlässigkeit des Systemanbieters, denn die Investition soll ja auch abgesichert sein. Weiterhin ist die Ausbaufähigkeit und somit die Zukunftssicherheit wichtig. Lizenzkosten und Bekanntheit des Systems spielen eine eher unwichtige Rolle, aber, so bemerkt Roman Wüst: «Ein unbekanntes System wird es schwer haben, überhaupt erst in die Evaluation zu kommen.»
Die Entscheidung, welches System eingesetzt wird, hänge in der Schweiz stark davon ab, wie die Kunden das Potential des Anbieters einschätzen. Entscheidend sind hierzulande Stabilität und Innovationsfähigkeit des Anbieters. Neue Anbieter haben es darum schwer. So erreicht Navision nach SAP Platz zwei mit einer respektablen Kundenbasis, aber eben nur etwa 7 Prozent Marktanteil. Auf Platz drei sitzen in der Schweiz mit knappem Abstand JDE und Baan, schätzt Roman Wüst. In Deutschland dagegen erreicht SAP nur 41%, dafür gibt es aber 21% Individuallösungen.

Geplante Zusatzfunktionen

In den Bereichen Materialwirtschaft, Finanzbuchhaltung und Einkauf werden kaum noch zusätzliche betriebswirtschaftliche Funktionen geplant, da dort der Unterstützungsgrad durch ERP-Systeme bereits sehr hoch ist. Stattdessen wird künftig vorrangig in Personalwirtschaft, Anlagenbuchhaltung und Vertriebsfunktionen investiert. Allerdings bezweifelt Wüst, ob man das auch durchhält. Denn: «Man kann im Moment schauen wo man will – alles, was nicht unmittelbar zum Wertschöpfungsprozess gehört, hat es zurzeit schwer, ein Budget zu bekommen.» Allerdings müsse man auch bedenken, dass es sich lohne, gerade jetzt zu investieren. Denn das schaffe einen Wettbewerbsvorteil, wenn die Wirtschaft wieder anziehe.

Aktuelle Erweiterungen

Bei den bereits aktuell eingesetzten ERP-Erweiterungen führen Archivierungs- und Dokumentenmanagementsysteme (DMS) mit 52 Prozent. Es folgen Management-Informationssysteme (MIS, 33%), Customer Relationship Management (CRM, 25%) und Supply Chain Management (SCM, 14%). Die Archivierungssysteme und DMS haben somit bereits den Status eines etablierten Arbeitswerkzeugs erreicht. Daneben deutet der steigende Anteil an MIS darauf hin, dass es zunehmend zum Bedürfnis wird, Transparenz und Steuerbarkeit zu fördern.
Roman Wüst ergänzt dazu: «Gerade hier ist gutes Consulting wichtig, denn es muss sichergestellt sein, dass auch die richtigen Fragen gestellt und die richtigen Faktoren gemessen werden.» Die Trendthemen SCM und CRM sind im Mittelstand systemtechnisch eher unterrepräsentiert.
Auf künftige ERP-Erweiterungen befragt, gaben 25% der Mittelständler an, Investitionsschwerpunkte bei Archivierungs- und Dokumentenmanagement setzen zu wollen. SCM und CRM folgen auf Platz zwei und drei.

Grossteils zufrieden

Mit den eingesetzten Systemen sind die Anwender grossteils zufrieden. Stabilität, Ergonomie und Geschäftsprozess-Eignung der eingesetzten Systeme werden als gut beurteilt. Die Qualität der Standardberichte ist allerdings wesentlich negativer bewertet als die der individuellen Auswertungen.
Über 70 Prozent der Mittelständler glauben, dass sich durch die Einführung des ERP-Systems die Datenqualität und Steuerbarkeit bzw. Transparenz erhöht hat. Allerdings kann dadurch nur jedes vierte Unternehmen auch sein Ertragspotential erhöhen. Das kommentiert Wüst trocken: «Wenn in der Sitzung alle mit den gleichen Zahlen sitzen, statt regelmässig die erste halbe Stunde darum zu streiten, wer denn nun die korrekten Zahlen hat, erhöht das die Effizienz beträchtlich. Aber wie soll man das auf das Betriebsergebnis umrechnen?» Die Frage sei immer, was man mit der erworbenen Transparenz mache, denn eine unternehmerische Entscheidung müsse trotzdem jeweils erst noch gefällt werden, das kann auch das beste System dem Menschen nicht abnehmen. (ava)


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