KMUs tuckern über die Datenautobahn

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist alarmiert – für die KMUs in der Schweiz gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft auch das virtuelle Leben.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/12

     

Schweizer KMUs nutzen das Internet zwar eifrig, aber dennoch droht die Gefahr eines digitalen Grabens. Zufriedenes Zurücklehnen ist noch lange nicht angesagt, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigt. Die KMUs tun sich schwer, weiter zu investieren und notwendige Anwendungen umzusetzen.
65 Prozent der KMUs nutzen E-Mail und das Web. Die Schweiz gehört damit zur Spitzengruppe in Europa. Aber 30 Prozent der befragten KMUs bleiben auch weiterhin offline. Bei den 16 Prozent, die ganz ohne Computer auskommen, wird das auch mittelfristig so bleiben. Der Internetzugang sollte Nutzen bringen, der über Informationsbereitstellung oder –beschaffung hinausgeht. Gerade dort liegt aber derzeit noch der Hauptzweck. Der Autor der Studie, Pascal Sieber, formuliert: «Wir sind im Homepage-Zeitalter».

Ohne Internet konkurs

Die Seco fürchtet, es könne sich ein weiterer digitaler Graben auftun. Weniger offensichtlich, aber trotzdem überlebenswichtig, denn es besteht die Gefahr, dass Internetlösungen künftig so normal sind, dass Umsatzeinbussen oder gar erzwungene Geschäftsaufgaben drohen, wenn sie fehlen. Internet wird in Zukunft eine notwendige Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften sein, so die Seco.

Integration stockt

Noch immer ist das Internet in die Geschäftsprozesse viel zu wenig integriert. Das wäre aber Voraussetzung, um neue Anwendungsfelder zu erschliessen. Die Schweizer KMUs sind zwar hervorragend ausgerüstet und lehnen Neues nicht grundsätzlich ab. «Sie sind aber vergleichsweise zögerlich, wenn es um die Realisierung geht», schreibt die Studie.
Die KMUs sehen schlicht «keinen Bedarf» für Interneteinbindungen. Ausserdem tun sich KMUs schwer, den Nutzen der Einbindung abzuschätzen. Die Schweizer wollen offenbar lieber erst einmal anschauliche Beispiele für erfolgreiche Einbindungen sehen, bevor sie sich selbst daran trauen, vermutet die Seco.
Bedenken bestehen auch darüber, ob sich die Produkte überhaupt für den Internetvertrieb eignen. Auch Sicherheitsfragen oder das Argument, in der Branche sei das gar nicht üblich, wiegen schwer. Der Erste will halt wieder einmal keiner sein. Gerade diese «Unüblichkeit» dürfte nach Einschätzung der Seco mittelfristig sinken: Die Branchenunterschiede bei der Internetnutzung sind innerhalb der vergangenen zwei Jahre deutlich zurückgegangen. Auch wenn sich immer noch deutliche Unterschiede feststellen lassen. So erreicht die Internetnutzung im Unterrichtswesen 100 Prozent, im Gastgewerbe aber noch nicht einmal 40 Prozent.

E-Commerce – ohne uns!

Zwar haben fast die Hälfte der internetnutzenden KMUs eine Homepage. Aber nicht einmal eines von fünf Internet-KMUs verkauft über das Web auch Dienstleistungen oder Produkte. Und sogar von diesen «Internetverkäufern» nutzen fast zwei Drittel möglichst schlichte Verkaufslösungen. Daher kommen bei der Mehrzahl der Internetverkäufer weniger als 5 Prozent des Umsatzes über das Internet. «Und das bei einer der besten Infrastrukturen der Welt», wie die Seco trocken kommentiert.
Dieses Missverhältnis zeigt sich auch bei den Internetbudgets: Sie liegen bei mehr als der Hälfte der Internetnutzer/innen unterhalb von 5000 Franken pro Jahr.

Tuckern im Döschwo-Tempo

Die Seco formuliert das Dilemma sehr anschaulich: «Die Schweizer KMUs tuckern im Moment mehrheitlich gemütlich im Döschwo-Tempo über Höchstleistungsstrassen. Sie haben das Internet unverkrampft in die Palette ihrer Kommunikationsmittel aufgenommen, aber wirklich auf Internet eingestellt haben sie sich nicht. Deutlich zeigt sich dies bereits bei einfachen Massnahmen wie dem Versand von Newslettern, den nur rund 7 Prozent aller Schweizer KMUs nutzen.»

Anpassung überlebenswichtig

Soll Internet das Geschäft vorantreiben, müssen die Geschäftsprozesse grundlegend geändert werden. Die Seco warnt: «Ausgerechnet die Schweiz mit ihren vorzüglichen Anschlussbedingungen scheint in einen Dornröschenschlaf gefallen zu sein.» Einerseits ist die Sättigung bei der Internetnutzung absehbar und die PC-Nutzer unter den KMUs rüsten sich immer besser aus. Gleichzeitig stagniert die Zahl der KMUs, die von Computern gar nichts wissen wollen. Die Studie warnt vor dem «digitalen Graben».
Der Coiffeursalon um die Ecke kann auch ohne Internet gut leben, aber für das eine oder andere KMU droht der Zug allein abzufahren. Die Seco abschliessend: «Vor einigen Jahren galt als Prognose, dass künftig ein Unternehmen ein Internet-Unternehmen sei – oder eingehe. Diese Einschätzung bleibt realistisch. Der entsprechende Wettbewerb läuft international erst an, weshalb mittelfristig eine weitere Prognose hinzukommen dürfte: Wer zu spät kommt, den bestraft auch das virtuelle Leben.» (ava)

Info


Die 80 seitige Studie «Einsatz und Nutzung des Internets in kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz. Von der Einführung 1999 zur Entwicklung erster geschäftskritischer Anwendungen 2002» kann unter www.kmuinfo.ch bezogen werden. Die Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung von über 2200 Schweizer KMUs vom März 2002. Sie wurde von Pascal Sieber im Auftrag der «Task Force KMU» des Staatssekretariats für Wirtschaft erstellt. Der Download als PDF-Datei ist kostenlos, die gedruckte Version kostet 70 Franken.


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