VoIP auf dem Weg nach oben

Den Durchbruch zur Mainstream-Technologie hat VoIP noch nicht geschafft. Marktforscher wie Frost & Sullivan gehen jedoch davon aus, dass sich die Technik durchsetzen wird.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/12

     

Ganz so stürmisch, wie ursprünglich erwartet, hat sich der Voice-over-IP-Markt (VoIP) nicht entwickelt. Aber er wächst. Die VoIP-Technik ermöglicht in lokalen Netzen eine sehr gute Sprachqualität. Über Internetverbindungen lässt die Sprachqualität allerdings nach wie vor zu wünschen übrig.
Zurzeit leidet der europäische VolP-Markt unter der allgemeinen Konjunkturflaute und der Schwäche der globalen Telekomindustrie. So misst das Internet-Telefon-Volumen noch nicht sehr gross. Bis 2006 jedoch sieht Frost & Sullivan (F&S) die Umsätze bei 2,5 Milliarden Dollar und 85 Prozent des Gesamtmarkts.
Viele der neuen, lokalen Carrier sind laut F&S zur Erkenntnis gelangt, dass die Bereitstellung traditioneller Telefondienste nicht mehr ausreicht. Die Ex-Monopolisten sind gezwungen, auf diese Herausforderung zu reagieren und ihrerseits Daten- und VolP-Dienste anzubieten. «Den Telekom-Unternehmen ist klar, dass die Zukunft in der Konvergenz von Sprach- und Datennetzen liegt und dass deshalb kein Weg an VolP vorbeiführt», meint Niamh Spillane, Research Analyst bei Frost & Sullivan.
Viele Anwender trauen der Ausfallsicherheit und den Leistungsmerkmalen allerdings noch nicht richtig. Doch die Hersteller haben sich einiges einfallen lassen: Mittels Hybridanlagen oder reinen IP-Anlagen können VoIP-Lösungen optimale Verfügbarkeit und ein vollständiges Set von Leistungsmerkmalen anbieten. Das geht aber zu Lasten der Standards, da entsprechende Implementierungen meist proprietär sind.
Ein wichtiger Trend ist das neue Session Initiation Protocol (SIP). Das von der IETF erarbeitete Protokoll ist ähnlich einfach aufgebaut wie HTML und deutlich kostengünstiger zu implementieren als der offizielle H.323-Standard. Es bietet aber weniger Funktionen und nicht alle Hersteller mögen bereits auf diesen Zug aufspringen.

Chancen in EMEA

Nach der Analyse von F&S soll der VoIP-Verkehr von Grosskunden in der EMEA-Region im Jahr 2008 insgesamt 57 Milliarden Minuten erreichen. Dazu kommen noch rund 1,8 Milliarden VoIP-Gesprächsminuten von Privatkunden.
Grosses Wachstumspotenzial sei in Mittel- und Osteuropa vorhanden, meint F&S, da VolP-Dienste gegenüber dem herkömmlichen Telefonnetz deutliche Preisvorteile böten. Schon jetzt hätten dort Calling-Cards, Telefonieren am PC und VoIP in vielen Unternehmen Einzug gehalten. Handlungsbedarf sieht die Analyse auch in Regionen mit niedrigem Einkommen und geringer Anschlussdichte, also in Afrika und Nahost.
Für den Grossteil des VoIP-Verkehrs dürfte jedoch weiterhin Westeuropa verantwortlich sein. Zurzeit führen hier viele Anbieter gemanagte VoIP-Dienste für Unternehmen ein und verbessern ihre Serviceleistungen. Insbesondere Two-Step-Dialing-VoIP, VoIP-VPNs und gehostete IP-Nebenstellenanlagen werden die Nachfrage aus dem Unternehmensbereich stärken, führt F&S aus.
Doch auch die Euphoriker müssen zugeben, dass noch eine Reihe von Problemen gelöst werden muss. Dazu gehören die Interoperabilität, der grosse Bestand an herkömmlichen und die bisher eher geringe Nutzung der Breitband-Netze.

Hoffen auf KMU

Im Enterprise-Segment ist ebenfalls mit kontinuierlichen Steigerungen zu rechnen. Derzeit testen viele Unternehmen IP-Lösungen, betreiben aber daneben ihre herkömmlichen Nebenstellenanlagen weiter. Die Vorteile von IP-Nebenstellenanlagen gegenüber herkömmlichen Telefon- und Datendiensten wie verbesserte Funktionen, Sparpotenzial und mehr Flexibilität scheinen sich noch nicht wirklich herumgesprochen zu haben.
So ist VoIP auf einem, wenn auch etwas gebremsten Vormarsch, während der Markt für herkömmliche Nebenstellenanlagen in Europa jährlich um bis zu 15 Prozent schrumpft. Für Wachstum werden laut F&S neue Technologien und Standards sorgen, mit denen die Qualitätsprobleme gelöst und neue Anwendungen verfügbar gemacht werden können. Fallende Preise dürften die Unternehmen ermutigen, die aufgeschobene Modernisierung ihrer Infrastruktur nun zu beschleunigen.
Die verlässlichste Wachstumsquelle sehen die Marktforscher dabei in den mittelständischen Betrieben, aus deren Reihen über 99 Prozent der Abnehmer von Nebenstellenanlagen kommen und wo in den nächsten zwei Jahren Erneuerungen anstehen. Gegenwärtig macht Europa rund 20 Prozent des Weltmarktes aus. Absatz und Marketing hinken etwa anderthalb Jahre hinter der Entwicklung in den USA her.
Ob Europa den amerikanischen Markt einholt oder sogar überholt, wird weitgehend vom Preis der Breitband-Datendienste und den internationalen Verbindungskosten abhängen. Angesichts von Schuldenbelastung und Überkapazitäten verstärken sich bei den Geräteherstellern die Konsolidierungstendenzen, aber laut F&S auch die Chancen für gut positionierte, aufstrebende Unternehmen. (fis)


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