Laut einer aktuellen Umfrage von Digital Europe blicken nur noch 8 Prozent der Mitgliedsunternehmen optimistisch auf Europas digitale Entwicklung. Vor zwei Jahren waren es noch 30 Prozent. Die Compliance-Kosten sind 2024 um 12 Prozent gestiegen. Der Digital Omnibus ist damit mehr als ein technisches Anpassungspaket – er ist ein politisches Eingeständnis.
Europa erkennt: Wer im globalen Wettbewerb um Innovation mithalten will, muss den Unternehmen Luft zum Atmen geben. In zwei Bereichen wird die Kurskorrektur besonders deutlich: beim AI Act und bei Meldepflichten im Bereich der Cybersicherheit.
Beim AI Act verschiebt die EU kritische Fristen und schafft Ausnahmen für Produkte, die bereits unter sektorspezifische Regelungen fallen – etwa Medizinalprodukte oder Maschinen. Das Ziel: Doppelregulierung vermeiden und Innovation nicht abwürgen.
Bei den Cybersicherheits-Meldepflichten geht der Omnibus einen pragmatischen Weg: Die EU-Agentur Enisa soll eine zentrale Meldeplattform entwickeln. Unternehmen sollen künftig Vorfälle nur einmal erfassen müssen – nach dem Prinzip «report once, share many». Die Plattform leitet die Information automatisch an alle relevanten Behörden weiter. Allerdings: Die Harmonisierung betrifft bislang nur die technische Plattform. Die Inhalte und Fristen der Meldungen bleiben unterschiedlich. Echte Vereinfachung würde bedeuten, auch hier zu vereinheitlichen – etwa bei der Frage, wann ein Vorfall als «wesentlich» gilt.
Was heisst der Entscheid für die Schweiz?
Er zeigt vor allem eines: Wir dürfen es gar nicht erst zu einer übermässigen Regulierung kommen lassen. Wir sollten weiterhin auf unbürokratische, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen setzen – und wo möglich Erleichterungen schaffen. In den zwei genannten Bereichen bedeutet dies konkret:
Cybersicherheit: Keine unnötigen neuen Meldepflichten schaffen. Bestehende Pflichten bündeln und harmonisieren. Das Prinzip «report once» sollte auch in der Schweiz gelten.
KI-Regulierung: Hier braucht es eine Regulierung, die Innovation ermöglicht und fördert. Klare Spielregeln befürworten wir, unnötige Bürokratie lehnen wir ab. Und wir setzen auf freiwillige Massnahmen der Digitalwirtschaft. Hier sind wir aber auch in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen und freiwillige Code of Conducts zu entwickeln.
Aus Fehlern lernen
Der Digital Omnibus ist für uns ein Lehrbeispiel: Er zeigt, welche regulatorischen Ansätze nicht funktionieren und wo Handlungsbedarf besteht. Gleichzeitig können wir beobachten, welche Vereinfachungen in der EU wirken – und diese Erkenntnisse in unsere eigene Regulierung einfliessen lassen.
Die Rolle von Swico
Wir setzen uns weiterhin für eine schlanke Regulierung, Pragmatismus und Wirtschaftsfreiheit ein. Eigenverantwortung der Branche wird grossgeschrieben. Davon zeugen zum Beispiel der Code of Conduct im Hosting oder die Leitlinien für Mitarbeitende im Bereich KI-Einsatz im Unternehmen, die
Swico herausgegeben hat.
Der Autor
Quelle: Thomas Entzeroth
Der gebürtige Engadiner Jon Fanzun ist seit August 2024 Geschäftsführer des Branchenverbands
Swico. Mit über 20 Jahren Führungserfahrung in der nationalen und internationalen Politik verfügt er über ein breites Netzwerk in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Als Sondergesandter für Cyberdiplomatie vertrat er die digitalen Interessen der Schweiz auf internationaler Ebene. Zuvor arbeitete er als persönlicher Mitarbeiter für zwei Bundesräte und war Generalsekretär der FDP Schweiz.