Winware-Knatsch nervt die Partner

Der Streit zwischen Sage und Bernd Pfaffs Selectline um den Winware-Vertrieb sorgt vor allem für Unruhe – rund 70 Prozent der 56 Befragten gaben an, zu Selectline zu wechseln; oft mit gemischten Gefühlen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/16

     

Der Streit zwischen Sage und Selectline um den Vertrieb der ERP-Software Winware sorgt bei den betroffenen Partnern für rote Köpfe. In einer Umfrage von IT Reseller zeigen sie sich enttäuscht über das Gebaren der beiden Streithähne. «Peinlich» sei die ganze Geschichte, sagt einer der 56 antwortenden Winware-Partner, der nicht namentlich genannt werden möchte; und das ist noch eine vergleichsweise freundlich formulierte Aussage. «Die aktuelle Situation ist völlig inakzeptabel für Reseller, welche für den Support und Updates mit Sage Verträge unterzeichnet und Geld bezahlt haben», präzisiert Aurélien Perret, Direktor des Westschweizer Sage-Partners Evok. Ausserdem befürchte man in der Romandie, dass Selectline den Support nur in deutscher Sprache anbieten werde. Das Gezänk mache eher den Eindruck eines Kindergartens als denjenigen seriöser Geschäfte, formuliert es ein dritter deutlicher.

Die meisten werden wechseln

Marc Ziegler, Marketingleiter bei ­Sage Schweiz, bedauert die aktuelle Situation, verspricht aber ein gutes neues Winware-Produkt und auch, dass seine Firma die Partner bei der Migration unterstützen werde. Es sei aber nicht so, dass Sage schon vor der Vertragskündigung mit der Entwicklung eines eigenen Produkts begonnen habe. «Der Fehler, den wir gemacht haben, liegt darin, dass eine Ausstiegsklausel im Vertrag mit Selectline übersehen wurde.» Deshalb sei man davon ausgegangen, dass dieser bis 2009 weiterlaufen würde.
Die Umfrage spricht jedoch eine deutliche Sprache – und zwar gegen Sage. Gut zwei Drittel der 56 Umfrageteilnehmer gaben an, mehr oder minder freiwillig zu Selectline zu wechseln. Lediglich jeder dritte will bei Sage bleiben, und zwei Personen enthielten sich einer Aussage. Darunter auch die Lenzburger Wesu Datentechnik, deren CEO Werner Suter meint: «Wenn zwei sich streiten, lacht der dritte. Wir evaluieren mit Hochdruck alternative Lösungen.» Insgesamt gaben fast 30 der befragten Wechselwilligen zu Protokoll, schlicht das gleiche Produkt weiterverkaufen zu wollen wie bisher. «Ich bezweifle, dass Sage in der Lage ist, in so kurzer Zeit eine komplett neue Software auf die Beine zu stellen», formuliert Sverre Bernhardsen, Inhaber von Pinotech Consulting, die Bedenken vieler.

Kritik am Support von Sage

Nicht allen scheint die Aussicht auf einen Wechsel zu Selectline zu missfallen. Immerhin 20 der befragten Firmen äussern die Hoffnung, dass die Unterstützung der Winware-Partner unter Selectline besser werde als bei Sage. Die Informationspolitik der Innerschweizer sei extrem schlecht gewesen, meint beispielsweise der Inhaber von Megacomp Computers Peter Hasler und Reto Brügger von Compucare fügt an: «Die Betreuung durch Sage war in den letzten Jahren so schlecht, dass es bei Selectline nur besser werden kann.» Selectline Deutschland habe den einzig richtigen Schritt gemacht. Wieder andere befürchten in erster Linie Kinderkrankheiten in der Winware-2008-Version.
Man habe ein ausgezeichnetes Entwicklerteam auf die Aufgabe angesetzt, verspricht Marc Ziegler, gibt aber auch zu, dass es in der ersten Version einige Funktionslücken geben werde. «Ende Oktober werden wir bei der Lancierung des Produkts über diese Lücken informieren und den Partnern aufzeigen, wie diese in den folgenden Versionen geschlossen werden sollen.» Sage habe auch Verständnis, wenn sich einige Partner vorerst nicht an die vertraglich festgelegte Exklusivklausel halten würden und vorläufig das Selectline-Produkt verkaufen. «Wir erwarten aber, dass sie bei Neukunden das neue Sage-Produkt einsetzen, sobald eine gut funktionierende Version erhältlich ist.»

Bedenken gegenüber Bernd Pfaff

Es gibt auch Partner, die sich auf die neue Version zu freuen scheinen: «Ich freue mich auf ein rundum erneuertes Winware ohne Altlasten», so ein Partner, der Sage die Stange halten will. Diverse andere äussern zum Teil schwerwiegende Bedenken an der Person von Selectline-Chef Bernd Pfaff und bleiben deshalb bei Sage, während Hans-Peter Gamma von CPS aufgrund prinzipieller Gründe bleiben will: «Im Geschäftsleben muss die Fairness aufrechterhalten werden», meint er und verspicht den Lieferanten beizubehalten.
Egal, ob die Partner nun wechseln oder bleiben, in einem sind sich alle Betroffenen einig: Der Streit ist in dieser Art und Weise sowohl unnötig als auch geschäftsschädigend, egal wer denn nun die Verantwortung dafür trägt. Oder um es in den Worten von Werner Suter auszudrücken: «Business-Software heisst das Paket; Lausbuben stecken dahinter.» (mag)

Weshalb wechseln Sie zu Selectline?

Ich will/muss dasselbe Produkt weiterhin verkaufen. 57,9%
Ich will kein zusätzliches Produkt in meinem Sortiment. 36,8%
Die Betreuung wird bei Selectline besser. 35,1%
Bei Selectline bekomme ich endlich eine SQL-Version. 29,8%
Ich vertraue dem versprochenen Migrations-Pfad von Sage nicht. 24,6%
Andere 43,9%
n = 130
Quelle: IT Reseller


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Was für Schuhe trug der gestiefelte Kater?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER