Die Kleinen sind die Feinen

Wie beurteilen Schweizer Kunden ihre ERP-Anbieter? Eine schweizweite Studie von i2s in Zusammenarbeit mit IT Reseller und unserer Schwesterzeitschrift Infoweek geht der Frage auf den Grund.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/17

     

Im Jahr 2003 wollten wir es wissen: Wie sieht die ERP-Realität in Schweizer Unternehmen aus? Welche Systeme werden eingesetzt? Wie zufrieden sind die Anwender mit ihrer Lösung? Was ursprünglich als lokale Suche nach ein paar statistischen Zahlen gestartet wurde, ist mittlerweile eine Initiative, die im gesamten deutschsprachigen Raum aufgegriffen wurde. In Deutschland wurde die Studie im Frühjahr 2004 ebenfalls durchgeführt, in Österreich ist sie für 2005 geplant.


In der Schweiz liegen nun die Ergebnisse der ersten Wiederholung vor, die nachfolgend vorgestellt und kommentiert werden sollen. Mit 823 bewerteten Installationen konnte dabei die Datenbasis im Vergleich mit dem Vorjahr fast verdoppelt werden.

Einschätzungen bestätigt

Untersucht man die Ergebnisse des Jahres 2004, fällt vor allem auf, dass sich die Veränderungen zum Vorjahr in Grenzen halten. Einzelne Anbieter, die im Vorjahr unter den Erwartungen blieben, haben jedoch die Chance zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Ergebnissen genutzt und das Gespräch mit ihren Kunden gesucht. Zu nennen sind hier unter anderem PSI, die sicher noch einen Weg vor sich haben, oder auch Polynorm mit ihrem Produkt i/2. Gerade diese Entwicklung zeigt, wie wichtig ein intensiver und offener Kontakt mit den eigenen Kunden für einen Systemanbieter ist. Hier haben es Anbieter, die ihre Produkte indirekt und über Partner vertreiben, sicher schwerer.

Allgemeine Zufriedenheit

Wie schon im Vorjahr sind die Anwender im Allgemeinen zufrieden mit der von ihnen eingesetzten Software. Besonders schlechte Bewertungen – so haben telefonische Nachfragen immer wieder ergeben – beruhen in aller Regel weniger auf dem System an sich, sondern liegen an einzelnen Massnahmen oder Unzulänglichkeiten seitens des Anbieters. So beklagten die befragten Anwender immer wieder wechselnde Ansprechpartner und – wie im Fall von SAP – eine schlechte Kommunikationspolitik rund um Release-Wechsel und Lizenzkosten.

Kleine haben die Nase vorn

Erneut platzieren sich vor allem kleinere Systeme in den vorderen Rängen. Dieser Vorsprung der «Kleinen» konnte auch in Deutschland festgestellt werden – mit dem Unterschied, dass sich hier andere Namen wiederfanden. Kleine Anbieter arbeiten regional und nur selten in mehreren Ländern. Dafür sind sie kundennah und in aller Regel ausgesprochen flexibel, sowohl bei der Behandlung von Kundenwünschen als auch bei der Lösung von Problemen und Konflikten im Projekt.

Kampf um den KMU-Markt

Der «Sieg der Zwerge» gegen die grossen und globalen Anbieter hat im vergangenen Jahr zur einen oder anderen Kritik geführt: Wie kann man nur grosse, internationale Anbieter und kleine, regionale in einen Topf werfen? In aller Regel haben die Kritiker die Kompetenz der potenziellen Kunden häufig unterschätzt: Grosse Anwenderfirmen sind in der Lage, die Ergebnisse der Studie selbständig zu interpretieren und sind sich schnell darüber im Klaren, dass man mit einem Anbieter, der auf Kleinstunternehmen spezialisiert ist, kaum eine Lösung für ein Grossunternehmen realisieren kann. Anders sieht die Situation im klassischen KMU-Markt mit Unternehmen zwischen 50 und 250 Mitarbeitern aus. Hier drängen kleine und lokale Anbieter nach oben, während Grosse – etwa SAP und Microsoft – versuchen, ebenfalls in diesem Segment Fuss zu fassen. Gerade dieses Mittelfeld ist heiss umkämpft und auch hier zeigt sich ein Bild abseits der (Gesamt-)Marktanteile und der Marketing-Budgets: Kleinere Anbieter tun sich leichter damit, ihre Kunden zufriedenzustellen. Festzustellen, dass Kunden-Zufriedenheit allein noch keine Marktanteile ausmacht, erübrigt sich. In Anbetracht der eher schwachen Ergebnisse der KMU-Initiativen verschiedener grosser Hersteller ist es jedoch dringend an der Zeit, dass sich auch Entwickler und Berater mit dem KMU-Markt auseinandersetzen. Image-Marketing allein wird den Markt ebenso wenig erobern helfen, wie allzu pauschal angekündigte Initiativen mit wenig Inhalt.

«Check-Out» einiger Anbieter

Interessant ist natürlich auch die Frage, wieso einige Anbieter fehlen. Hierbei mag es wohl verschiedene Gründe geben. So sind vor allem Anbieter aus dem unteren, linken Quadranten des Portfolios verschwunden. Zu nennen sind hier unter anderem iBaan und Axapta, die es wohl vorgezogen haben, sich nicht mehr der Bewertung durch ihre eigenen Kunden zu stellen. Insbesondere das Fehlen von Axapta ist schmerzlich, da das System durchaus über einen interessanten Kundenstamm und reale Wachstumschancen verfügt. Interessant ist aber auch die Abwesenheit der beiden, in einen ungleichen Übernahmekampf eingebundenen, SAP-Konkurrenten Peoplesoft und Oracle. Die Gründe hierfür mögen sich von Fall zu Fall unterscheiden. Was bleibt ist die Frage, ob diese Anbieter überhaupt über eine Schweizer Kundenbasis verfügen.

Flexibilität gewinnt an Bedeutung

Flexibilität und Anpassbarkeit sind aus Sicht der Anwender die dringlichsten Probleme beim Betrieb von ERP-Systemen. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Flexibilität nicht per se eine Eigenschaft einer angebotenen Software ist, wie dies einige Hersteller gerne suggerieren, sondern sich sowohl aus technischen Aspekten, etwa der Programmarchitektur und -logik, als auch konzeptionellen Fragen, etwa der «robusten» Gestaltung von Prozessen, zusammensetzt. Auch hier ist der Unterschied zwischen Marketingaussagen und der Realität der betrieblichen Praxis zum Teil eklatant.

Weitere Ergebnisse

Die Ergebnisse der Untersuchung liegen in Form eines ausführlichen Berichtes (Umfang ca. 100 Seiten) vor. Dieser kann über die Webadresse www.changebox.info/erpstudie bestellt werden (275 Franken als PDF-File, 350 Franken als Print-Version, Preise jeweils zzgl. Mehrwertsteuer

Die Köpfe hinter der Studie

Die Studie wurde von der Zürcher Beratungs- und Research-Firma Intelligent Systems Solutions – kurz i2s genannt – in Zusammenarbeit mit den IT-Fachpublikationen der Compress Information Group erstellt. Die i2s beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Standardsoftwaremarkt und konzentriert sich dabei insbesondere auf den Bereich ERP-Systeme. Die i2s ist Teil des Kompetenznetzwerkes IT-matchmaker.com und führt regelmässig Marktstudien in den Bereichen ERP-Anwendung und Einführung durch. Die Ergebnisse ihrer Research-Arbeit stellt die i2s unter der Knowledge Page www.changebox.info der Öffentlichkeit vor. Hier gibt es jede Menge Informationen zum Download.


Hinter der Studie selbst steckt ein interdisziplinäres Team bestehend aus Beat Ottiger, Diplompsychologe und Web-Enthusiast, Valesko Wild, lic. oec. HSG mit internationaler Projekterfahrung, und Eric Scherer, Dr. sc. techn. ETH und Strategieexperte im ERP-Umfeld.


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