Billy Kneubühl, Oracle: 'Partner dürften manchmal etwas mutiger sein'
Quelle: Oracle

Billy Kneubühl, Oracle: "Partner dürften manchmal etwas mutiger sein"

Seit rund zwei Jahren steht Billy Kneubühl an der Spitze von Oracle in der Schweiz. Im Interview spricht er über Oracles Wandel zum Cloud-Unternehmen und darüber, was er sich von den Partnern wünschen würde.
22. Dezember 2023

     

"Swiss IT Reseller": Herr Kneubühl, Sie tragen seit rund zwei Jahren die Verantwortung für Oracle in der Schweiz, davor waren Sie rund 20 Jahre bei IBM tätig – man darf also sagen, dass Sie zwei der grossen Tanker der US-IT-Industrie sehr gut kennen. Wie unterscheiden sich die beiden Unternehmen in Bezug auf ihre Tätigkeit in der Schweiz?
Billy Kneubühl:
Ich denke die Produkte der beiden Unternehmen sind weitgehend bekannt. Im Gegensatz zu IBM ist die Service- und Beratungs-­Organisation bei Oracle hierzulande wesentlich kleiner. Bezüglich Portfolio ist Oracle deutlich Applikations-lastiger – von ERP über Supply Chain Management bis hin zu HRM. Hier decken wir sicher Bereiche ab, die IBM nicht abdeckt, während es an anderer Stelle auch Überschneidungen gibt. Ein Alleinstellungsmerkmal ist zudem, dass wir applikationsseitig ein grosses Nutzenversprechen offerieren und dass unsere Service-­Kapazitäten schlank und sehr spezialisiert sind, was uns in der Zusammenarbeit mit Partnern entgegenkommt. Denn weil wir hier schlank aufgestellt sind, müssen wir stark auf Zusammenarbeit setzen – sowohl mit internationalen Anbietern und Marktbegleitern, aber auch mit lokalen Partnern.

Mit wie vielen Leuten betreut Oracle die Schweiz denn, und in welchen Bereichen sind die Mitarbeitenden primär tätig?

Wir sind in erster Linie als Sales- und Service-­Organisation in der Schweiz unterwegs, betreiben in der Schweiz, genauer gesagt in Zürich, gleichzeitig aber auch ein grosses Entwicklungslabor – das Grösste, das Oracle in Europa unterhält und wo unter anderem Datenbank-Technologien rund um MySQL entwickelt werden. Hier spielt die Nähe zur ETH und zur EPFL sicher eine entscheidende Rolle. Alles in allem beschäftigt Oracle in der Schweiz rund 500 Leute, wobei rund die Hälfte im Entwicklungslabor arbeitet.

Sie sind wie gesagt seit rund zwei Jahren bei Oracle. Was konnten Sie in der Zeit bewegen, worauf haben Sie Ihren Fokus gelegt?
Ein wesentlicher Fokus, für den ich letztlich auch an Bord geholt wurde, lag auf der Cloud-Journey – also darauf, die Cloud-Adaption voranzutreiben. Denn diese Reise in die Cloud ist das, was die Kunden wollen und auch das, wo die Partner hinmöchten. Entsprechend müssen wir uns als Organisation auf ein Consumption-based Modell ausrichten. Dieser Umbau läuft aktuell, wobei eine Herausforderung darin liegt, dass unser Geschäft mit Lizenzen und Support nach wie vor ­einen wesentlichen Teil ausmacht, die Kunden aber in Richtung Cloud tendieren. Wir müssen also sicherstellen können, dass ihre Investitionen geschützt sind und in ein Multi-Cloud-Modell überführt werden können.


Wie schwierig ist dieser Umbau intern, nicht zuletzt auch aus kultureller Sicht? Wie steht es um die Bereitschaft der Mitarbeitenden, diesen Weg zu gehen?
Der Übergang von einem transaktionalen Geschäft, also dem Verkauf von Software, in ein verbrauchsabhängiges Geschäft ist ohne Zweifel herausfordernd. Denn das verbrauchsabhängige Geschäft braucht eine deutlich stärkere Service-­Orientierung. Es reicht nicht mehr, den Kunden halbjährlich zu treffen, um seine Bedürfnisse aufzunehmen, der Austausch ist viel enger. Das hat zum Teil auch neue Profile bei unseren Mitarbeitenden aufs Tapet gebracht und hatte personelle Veränderungen zur Folge. Denn wir brauchten Mitarbeitende, die diesen Weg mitgehen wollten, die aus einer Service-Management-Organisation gekommen sind und verstanden haben, dass mit der Unterschrift eines Vertrags die Arbeit erst richtig beginnt und nicht wie im transaktionalen Geschäft quasi abgeschlossen ist – um es vereinfacht auszudrücken.
Der Wandel vom transaktionalen zum Service-­Geschäft verlangt auch von den Partnern, sich zu wandeln. Wie gut verarbeiten die Oracle-­Partner diesen Wandel?
Eigentlich recht gut, denn letztlich treiben die Endkunden den Wandel voran, und sowohl wir wie auch unsere Partner richten sich nach den Anforderungen der Endkunden aus. Kunden wollen oftmals für einen Lösungs-Stack nicht länger Hardware, Netzwerk-Equipment, Software, die Security und das dazugehörige Engineering und Customizing einzeln beschaffen. Sondern sie wollen einen hochintegrierten Stack, den sie pro Kunde, pro Mitarbeitenden oder pro CPU bezahlen – und das am liebsten aus einer Hand von ­einem Anbieter. Nach diesen Anforderungen müssen sich die Partner ausrichten, und unsere Aufgabe ist es, den Partner zu ermächtigen, diese Kundenforderungen zu erfüllen.

Einen hochintegrierten Stack – eine Gesamtlösung anhand der Anforderungen des Kunden – aus einer Hand bereitstellen zu können, stellt bezüglich Komplexität allerdings ganz andere Anforderungen an einen Partner als wenn er Hardware- und Software-Stücklisten abarbeiten muss. Kommen die Partner, gerade kleinere und mittelgrosse, mit dieser Komplexität überhaupt noch zurecht? Können sie die Kundenbedürfnisse aus einer Hand befriedigen?
Sie haben natürlich recht und das ist auch der Grund, warum wir zunehmend Allianzen bei unseren Partnern sehen. Partner schliessen sich an verschiedensten Stellen zusammen, um ihre jeweiligen Stärken einzubringen. Dabei sind wir als Cloud-Anbieter auch unterstützend tätig, um die passenden Partner zusammenzubringen, denn unsere Partnerbetreuer kennen die Skills der einzelnen Partner sehr gut und auch unser Distributor Arrow unterstützt an dieser Stelle, gerade, was die kleineren Partner angeht. Gleichzeitig möchte ich auch festhalten, dass die Partner nicht nur die zunehmende Komplexität sehen, sondern auch die Chancen erkennen, die sich bieten. Sie können ihren Kunden einen echten Mehrwert bieten, indem sie Gesamtlösungen als Service aus einer Hand offerieren können.


Wenn Sie sich Ihre Schweizer Partner anschauen: Was können diese besonders gut, und wo sehen Sie allenfalls noch Defizite?
Unsere lokalen Partner kennen ihre Kunden und deren Bedürfnisse sehr, sehr gut. Und sie kennen die Industrien, in denen sie tätig sind. Das macht es für internationale Partner auch nicht einfach, in der Schweiz lokal Fuss zu fassen. Was ich mir von Schweizer Partnern manchmal wünschen würde, ist eine gewisse Risikobereitschaft. Schweizer IT-Dienstleister sind sehr darauf bedacht, ja keine Fehler zu machen, jedes Projekt zu einem Erfolg werden zu lassen, bloss nicht zu scheitern. Man agiert eher als Smart Follower denn als First Mover – will ja nicht der Erste sein. Ich denke, hier dürften die Partner manchmal etwas mutiger sein, um dafür innovativer zu agieren und Themen schneller voranzutreiben – im Bewusstsein darum, dass dies ein gewisses unternehmerisches Risiko bedeutet. Solchen Partnern will ich mitgeben, dass sie nicht alles selbst machen müssen, dass wir hier gerne mit unserer Expertise unterstützen und Know-how vermitteln. Möglicherweise ist das aber auch ein kultureller Aspekt und hat mit dem ausgeprägten Sicherheitsbewusstsein in der Schweiz zu tun.
Wie zufrieden sind Sie aktuell mit der Schweizer Partnerlandschaft?
Grundsätzlich ist der Schweizer Markt gut mit Oracle-Partnern abgedeckt, aber wir sind auch offen für neue Partner, wobei uns Qualität wichtiger ist als Quantität. Qualität stellen wir unter anderem dadurch sicher, dass wir neue Partner bei ersten Projekten durch unsere Customer-Success-Organisation eng begleiten.

Diese Customer-Success-Organisation mit Partner Success Managern, die zum Einsatz kommen, ist relativ neu. Können Sie die Idee hinter dieser Organisation ausführen?
Kein Partner bildet seine Leute heute auf Vorrat aus, sondern der Aufbau von Know-how geschieht sehr nahe entlang von Projekten, die mit Kunden umgesetzt werden. Daraus ergibt sich gewissermassen eine Huhn-Ei-Frage – sichert man sich zuerst ein Projekt, oder bildet man zuerst die Leute aus. Hier kommt unsere Customer-Success-­Organisation, die es einem Partner erlaubt, einem potenziellen Kunden ein Versprechen abzugeben und dabei sicherstellt, dass der Partner für den gewonnenen Auftrag Zugriff auf das entsprechende Know-how hat und somit sein Versprechen auch einhalten kann, ins Spiel. Wir unterstützen ihn bei fehlendem Wissen also in einem Projekt und bauen gleichzeitig während des Projekts das fehlende Wissen bei ihm auf, so dass er bei einem nächsten Projekt mit eigenen Ressourcen autark agieren kann.


Diese Unterstützung erbringen Sie mit eigenem Personal aus der Schweiz heraus?
Sowohl als auch. Wir beschäftigen eine ganze Reihe von Mitarbeitenden in der Schweiz, die dann vor Ort mit dem Partner beim Kunden sind. Gleichzeitig haben wir auch remote Zugriff auf weitere Spezialisten – je nach Bedarf.

Sie haben es eingangs angesprochen: Ein Fokus von Oracle liegt darauf, dass Lösungen gemeinsam mit Partner entwickelt werden. Können Sie ein Beispiel nennen für solch eine kollaborative, in der Schweiz entwickelte Lösung?
Der unabhängige Software-Anbieter Avaloq ist hier ein gutes Beispiel. Avaloq hat für seine Bankenlösungen seit jeher viel Oracle-Technologie eingesetzt, angefangen von der Datenbank im Kern über Middleware bis hin zu Entwicklungs-Frameworks. In den letzten Monaten hat Avaloq in Zusammenarbeit mit uns ein dediziertes Cloud-Rechenzentrum aufgebaut, um sich so zum Cloud-Anbieter zu wandeln. Für Avaloq-­Kunden bedeutet das, dass sie künftig nicht mehr zwingend selbst ein Rechenzentrum im Keller betreiben müssen, auf dem die Avaloq-Lösungen laufen, sondern dass sie diese Lösungen aus der Cloud beziehen können. Hat Avaloq bislang also Software von Oracle veredelt und weiterverkauft, bietet das Unternehmen seinen Kunden seine Software und seine Banking-Lösungen nun als Service an, der auf Infrastruktur läuft, die durch uns gemanaged wird.

Und diese Infrastruktur wird in der Schweiz betrieben? Diese Frage dürfte bei einer Schweizer Banking-Software und einem US-Unternehmen wie Oracle ja nicht ganz irrelevant sein.
Ja, wir betreiben ein eigenes Rechenzentrum in der Schweiz mit garantierter Datenhaltung in der Schweiz. Im genannten Beispiel ist es ausserdem so, dass wir zusätzlich noch ein Rechenzentrum für Avaloq bauen, um so einen vollständig redundanten Betrieb in der Schweiz sicherzustellen. Dadurch ist das Thema Datenhaltung Schweiz schlicht und ergreifend kein Thema mehr.

Abschliessend noch: Worauf werden Sie respektive wird Oracle in der Schweiz 2024 den Fokus legen?
Multi Cloud ist ein Thema, das wir uns gross auf die Fahne geschrieben haben. Wir wollen unseren Kunden und Partnern sämtliche Möglichkeiten anbieten, die Cloud-Umgebungen bereithalten – ich spreche hier sogar von Hybrid Multi Cloud. Kunden sollen also die Möglichkeit haben, unser Rechenzentrum in der Schweiz als Public Cloud zu nutzen, gleichzeitig können wir Rechenzentren als Private Cloud direkt bei den Kunden anbieten, so wie Avaloq das nutzt. Oder aber die Kunden nutzen ein Rechenzentrum eines anderen Technologieanbieters wie Microsoft, wo wir kürzlich angekündigt haben, unsere Technologie auch auf Azure zu bringen. So wollen wir unseren Kunden eine möglichst breite Palette an Möglichkeiten und an Mischformen aus verschiedenen Cloud-Modellen und letztlich möglich einfachen Zugang bieten können. Und um diese Multi-­Cloud-Realität für den Kunden umzusetzen, sind wir auf unsere Partner angewiesen, denn nur sie können die verschiedenen Provider und Anbieter zusammenbringen und dem Kunden aus einer Hand bereitstellen. (mw)




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