Die Unabhängige: Judith Bellaiche, Geschäftsführerin, Swico
Quelle: Thomas Entzeroth

Die Unabhängige: Judith Bellaiche, Geschäftsführerin, Swico

Judith Bellaiche ist Geschäftsführerin von Swico, GLP-Nationalrätin, Ehefrau und ­Mutter zweier Kinder. Die Familie gibt ihr Kraft, um alles unter einen Hut zu bringen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2020/09

     

Man kennt Judith Bellaiche. Medial ist sie immer wieder präsent, vor allem, seit sie als Geschäftsführerin von Swico amtet. Sie setzt sich mit Leidenschaft für Start-ups ein oder spricht sich für die Nutzung der Contact Tracing App aus.

Bellaiche ist in Lille als Tochter französischer Eltern geboren, hat ihre Kindheit und Jugend jedoch in Basel verbracht. «Wir sind früher viel nach Lille gereist, vor allem an Weihnachten. Heute gehe ich sehr häufig nach Paris oder Südfrankreich. Ich habe nach wie vor eine starke emotionale Beziehung zu Frankreich», schwärmt Bellaiche. Es war jedoch die Stadt am Rhein, die ihr Leben geprägt hat und der sie auch während des Jurastudiums treu geblieben ist. Die Anwaltsprüfung hat sie aber nicht abgelegt. «Ich wollte nach dem Studium Geld verdienen. Ich hatte schon immer diesen Drang nach Eigenständigkeit und Freiheit, weshalb ich während meiner Zeit an der Universität von zuhause ausgezogen bin, obwohl ich mich bei meinen Eltern sehr wohl fühlte. Ich habe zwar während des Studiums gearbeitet, meine finanziellen Verhältnisse waren aber bis zum Abschluss bescheiden», sagt Bellaiche lachend.

Streben nach Unabhängigkeit

Abhängigkeiten waren Judith Bellaiche schon immer ein Dorn im Auge: «Ich habe schon als Schülerin gearbeitet und Geld verdient. Es war mir immer wichtig, auf meinen eigenen Beinen zu stehen, emanzipiert zu sein. Und bis heute hat es mir gutgetan, eigene Entscheide zu treffen, auch als Frau eigenständig zu sein.» Nach dem Studium wird sie in ein Absolventenprogramm des Schweizerischen Bankvereins in Basel aufgenommen. Als sie für zwei Jahre nach London zu SBC Warburg geht, kommt sie mitten in die Fusion mit der Schweizerischen Bankgesellschaft, aus der die UBS entstand. Zurück in der Schweiz wechselte sie schon bald zu Arthur Andersen und später zu Ernst & Young, wo sie im Zuge des Enron-Skandals abermals in eine Fusion geriet. «Ich musste also stets agil sein und mich an sich ständig ändernde Umstände gewöhnen», sagt sie. Danach machte sich Judith Bellaiche mit einem Unternehmen im Event Management selbständig. «Meine Firma lief gut, und ich lernte, ein kompromisslos dienstleistungsorientiertes Verhalten an den Tag zu legen.» Und dann kam die Politik.

Tanz auf dem politischen Parkett

Sie habe sich schon immer politisch engagieren wollen, erklärt Bellaiche. «Die FDP war mir jedoch zu wenig ökologisch und die Grünen waren zu sozialistisch. Als 2007 die Grünliberale Partei gegründet wurde, trat ich sofort bei.» Die GLP gewann rasch Anhänger und schnitt bei den Wahlen gut ab. Mittendrin: Judith Bellaiche. Sie wurde in den Gemeinderat von Kilchberg gewählt, wo sie inzwischen mit ihrem Mann wohnte, und 2011 folgte die Wahl in den Zürcher Kantonsrat. Doch die GLP musste nach nur wenigen Jahren mehrere Sitze abgeben. Bellaiches Ziel, der Nationalrat, rückte vorerst in weite Ferne: «Es war eine harte Zeit. Andererseits bot sich mir dadurch die Gelegenheit, einen Executive MBA an der HSG in Angriff zu nehmen.» Und 2018, nach dem Abschluss, gründete sie mit einigen Kollegen ein Start-up im Bereich Digital Health. Erst im Oktober 2019 kam die nächste Chance für die Wahl in den Nationalrat, die Bellaiche prompt ergriff. Im März davor war sie bereits zur Geschäftsführerin des IT-Verbandes Swico ernannt worden.


Dass Judith Bellaiche politisch und beruflich durchstarten konnte, verdankt sie auch ihrem Umfeld: «Die Stabilität, die mir meine Familie gibt, ermöglicht es mir, mich zu entfalten und Neues auszuprobieren, was ich schon immer gerne tat. Ich war früher sogar wochenweise als Matrosin auf einem Rahsegler unterwegs. Das gefiel mir so gut, dass ich mir überlegte, es zu meinem Beruf zu machen, doch wollte ich mehr Sicherheit für meine Zukunft.» Vielleicht auch deshalb bemüht sie gerne die Metapher, dass ein Schiff nicht gemacht ist, um in einem Hafen zu weilen, jedoch einen solchen braucht, um darin zur Ruhe zu kommen. Ihren Hafen hat Bellaiche gefunden. Mit ihrem Mann ist sie seit 27 Jahren liiert und im August 2020 haben sie ihren zwanzigsten Hochzeitstag gefeiert. Das Paar hat ausserdem zwei Söhne, die heute 13 und 18 Jahre alt sind. «Ich muss meinem Mann ein grosses Kompliment machen. Mein Werdegang war nur möglich, weil wir in unserer Beziehung immer gleichberechtigt waren. Und ich hatte stets das Vertrauen, dass er den familiären Aufgaben genauso gewachsen ist wie ich», betont Bellaiche.

Und dann noch die IT

Den Zugang zur IT fand Judith Bellaiche über die Start-up-Szene: «Die Start-ups haben mich völlig in ihren Bann gezogen. Es ist eine so dynamische, junge, positive und sprudelnde Welt, die unentwegt nach Lösungen sucht. Aus der politischen Perspektive heraus habe ich so begonnen, mich mit dem Thema Innovation zu beschäftigen und mit dessen Nutzen für die Volkswirtschaft.» Gleichzeitig erkannte sie, dass zwischen der Wirtschaft und der Politik ein grosser Digitalisierungsgraben besteht. Als sie nach ihrem MBA wieder in der Wirtschaft Fuss fassen wollte, war die Stelle des Geschäftsführers bei Swico ausgeschrieben. «Es war Fügung, könnte man sagen. Swico suchte eine Person an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik, im Bereich der Digitalisierung. Für mich war es die perfekte Stelle, und ich glaube, dass ich für die Stelle perfekt bin», resümiert Bellaiche. Nicht zuletzt durch ihre Rolle als Nationalrätin hat sie direkten Zugang zu den obersten politischen Gremien des Landes, was für den Verband von grossem Wert ist.


In ihrer Freizeit umgibt sich Judith Bellaiche gerne mit Freunden: «Ich bin einfach gerne mit Menschen zusammen. Mit Leuten in Kontakt zu sein liegt mir. Zeit mit Freunden und der Familie zu verbringen gibt mir sehr viel. Ausserdem treibe ich zwei- bis dreimal pro Woche Sport. Beim Joggen führe ich gerne Gespräche mit mir selbst und nutze die Zeit, um in mich zu gehen.» Obwohl Judith Bellaiche nach aussen hin sehr sicher wirkt, hegt auch sie ab und an Zweifel: «Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich unsicher bin oder an mir selbst zweifle. Auch deshalb arbeite ich seit einiger Zeit gemeinsam mit einer Coachin daran, mein Selbst- und Fremdbild in Einklang zu bringen.» Die Klarheit und Energie braucht Judith Bellaiche, denn sie hat noch einiges vor, sowohl auf der politischen Bühne als auch mit Swico.

Judith Bellaiche ist 1971 in Lille geboren. Ihre Kindheit hat sie jedoch in Basel verbracht, wo sie auch Jura studiert hat. Nach beruflichen Stationen im Bankwesen und im Consulting macht sie sich im Event Management selbständig, bis sie 2007 für die Grünliberale Partei in den Gemeinderat von Kilchberg im Kanton Zürich gewählt wird, wo sie mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen lebt. 2011 folgt die Wahl in den Zürcher Kantonsrat. Nach einem Executive MBA gründet Bellaiche 2018 mit einigen Kommilitonen ein Start-up. Im März 2019 wird sie vom IT-Verband Swico zur Geschäftsführerin ernannt und im November zieht sie für die GLP in den Nationalrat ein. (luc)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welchen Beruf übte das tapfere Schneiderlein aus?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER