Herr Gutmann, mit über 800 Mitarbeitenden ist die neue Abraxas wohl der grösste Schweizer Player im Umfeld der öffentlichen Hand. Können Sie es sich jetzt bequem machen?Reto Gutmann: Natürlich nicht. Dafür sind die Herausforderungen der Digitalisierung zu vielfältig. Ausserdem wollen wir nicht einfach nur eines der grossen Unternehmen im Bereich der öffentlichen Hand sein – wir wollen die Digitalisierung in diesem Umfeld mitprägen. Dafür braucht man aber nicht nur eine gewisse Grösse, sondern auch eine Breite des Angebots sowie der abrufbaren Ressourcen.
Meinen Sie aus finanzieller Sicht?Nein, auch wenn das zweifellos wichtig ist. Mir geht es um Angebot, Wahrnehmung und Know-how. Unsere Kompetenzen reichen jetzt vom Bürger über die Gemeinde bis zu Kanton und Bund. Wir decken also das ganze Stakeholder-Spektrum im Bereich der öffentlichen Hand ab – sowohl auf Lösungsebene als auch in der Übersicht über Probleme und Herausforderungen. Gleichzeitig haben wir das Know-how, mit diesen umzugehen und die Erkenntnisse von einem Bereich in den anderen zu tragen.
Erst 2016 hat Abraxas die Unternehmen Epsilon Software Assistance und Infover gekauft. Jetzt kommt die Fusion mit VRSG dazu. Besteht hier nicht die Gefahr des Wildwuchses?Hinter den Lösungen stehen ja unterschiedliche Philosophien. Unsere Strategie war klar auf anorganisches Wachstum ausgelegt. Nur so konnten wir die kritische Masse erreichen, um die Digitalisierung mitprägen zu können. Wir müssen jetzt konsolidieren, wo es Sinn macht. Das ist eine Herausforderung – aber eine gute.
Wieso?Die Firmen, die wir gekauft haben, bieten in ihren Feldern ausgezeichnete Lösungen. Wir können viel voneinander lernen. Und das wird jetzt nötig sein, denn unsere Lösungspakete müssen zukünftig füreinander offen sein und zwar so, dass es für den Kunden keinen grossen Aufwand bedeutet. Wir wollen also die ganze Breite der Kompetenzen verbinden und die horizontale Integration fördern.
Können Sie das erläutern?Aktuell sehen wir, dass sich die Fachsilos öffnen und für jegliche Applikationen zur Verfügung stehen. Die Daten stehen also den jeweiligen Behörden zur Verfügung, auch wenn diese sie nicht ursprünglich angelegt haben. Auf diese Weise eliminieren wir auch. Juris ist dafür ein gutes Beispiel: Was als Lösung für Gerichte angefangen hat, ist jetzt auch bei Gefängnissen im Einsatz und seit Kurzem bei der Polizei. Im Kanton Basel-Stadt sind die Kripo und die Staatsanwaltschaft unter einem Dach und setzen jetzt beide Juris ein. Jede dieser Behörden ist für einen anderen Teil des Justizprozesses verantwortlich; da gibt es andere Bedürfnisse und Perspektiven. Wir geben den Behörden jetzt rollenspezifische Brillen, die ihnen die für sie wichtigen Informationen anzeigen.