«Distributoren wurden sehr stiefmütterlich angegangen»

Bernd Bischoff, der ehemalige HP Europa-Boss hat Anfang Mai zu Fujitsu Siemens (FSC) gewechselt. Bei FSC ist er als Vice President Sales, Marketing und Customer Services auch für den Channel verantwortlich — und will einiges ändern. Zum Beispiel soll die Distribution vereinheitlicht werden und Tech Data wieder zum Zug kommen. Anlässlich seines Besuches in der Schweiz gab Bischoff IT Reseller als einzigem Schweizer Medium ein Interview.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/14

     

IT Reseller: Herr Bischoff, Sie waren lange Jahre bei HP. Vor Ihnen hat bereits Ulli Kemp zu Fujitsu Siemens gewechselt. Haben Sie noch mehr Top-Shots von HP zum Wechseln ermutigt?
Bernd Bischoff: Ja, Thomas Sieber. Er war mein SMB-Manager bei HP. Aber wir wollen ja keine HP-Kultur bei Fujitsu Siemens aufbauen. Herr Sieber hat eine Ahnung von Small Business und eine Ahnung vom Channel. In diesem Bereich haben wir bei Fujitsu Siemens wenig Talente, weil dies auf europäischer Ebene nicht gerade ein Fokus war. Das müssen wir besser koordinieren. Distributoren wie Tech Data und Ingram wurden sehr stiefmütterlich angegangen, weil die Organisation «Country by Country» ist und sehr wenig europäisch koordiniert wurde.

ITR: Das soll sich jetzt ändern.

BB: Das muss sich ändern! Wenn Sie die Grossen nicht haben, fehlt Ihnen ja schon mal die Hälfte vom Markt.
ITR: Jetzt hatte man gerade hierzulande von Tech Data zu Ingram gewechselt. Kommt Tech Data wieder zum Zug?
BB: Das war eine Entscheidung für die Schweiz. Wir werden die Supply-Chain-Initiativen auch hier einführen, Also alles, was ein grosser erfolgreicher Distributor braucht. Wir wollen den Distributoren ja nicht das Lager füllen, wie das unsere Mitbewerber machen. In Deutschland sind wir mit Tech Data und Ingram in der Testphase, und wenn das erfolgreich läuft, werden wir das Konzept auf Europa übertragen.
ITR: Aber es war seitens Fujitsu Siemens zu hören, bei Tech Data sei zu wenig technische Kenntnis vorhanden gewesen. Und Andreas Dürst sagte, man wolle nicht nur arbeiten, um Abends müde zu sein.
BB: Das heisst aber nicht, dass man nicht wieder zusammenkommt. Man muss da flexibel sein. Erst mal werden wir einheitliche Verträge für Europa haben. Supply-Chain-Verträge machen ja nur mit grossen Partnern Sinn. Hinzu kommt, dass sich bei FSC keiner um die europäischen Player gekümmert hat, man hat sie ausser Acht gelassen.

ITR: Woran lag das?

BB: Weil niemand dafür zuständig war. Siemens war mehr im Direktgeschäft und Fujitsu mehr im Retail. Den grossen Teil des Small und Medium Business durch den Channel hat man ausser Acht gelassen. Wir werden einen starken Fokus im Large und Enterprise Account haben mit dem Channel, weil die das besser können als wir. Wir managen die Accounts, aber das Fullfillment geht über den Channel, auf alle Fälle bei den Volumenprodukten. Bei Mainframes tut sich der Channel halt immer noch schwer.
ITR: Bei der Gründung von FSC hiess es, man wolle in Europa den Platz eins einnehmen, jetzt haben Sie gerade, laut IDC, zwei Plätze verloren und sind jetzt auf Platz vier in Europa. Es ist nicht so gelaufen, wie man gedacht hat...

BB: Nein, nicht, sonst wäre ich wohl auch nicht da.


ITR: Die Probleme lagen aber nicht nur beim Channel.

BB: Nein, nein. Sie wissen ja selber, was alles lief nach dem Joint-venture. Ich möchte lieber nicht kommentieren, was Vor-Vorgänger von mir gemacht oder nicht gemacht haben. Es lief halt nicht. Dann kam ein neues Management, die mussten erst mal wieder die Company sortieren. Jetzt gehen wir’s wieder an! Wir werden ja meistens mit dem Gesamtumsatz unserer Mitbewerber verglichen. Wenn Sie Äpfel mit Äpfeln vergleichen, sind wir nur Millimeter von denen vor uns entfernt.
Wenn Sie z.B. HP nehmen mit deren PCs, Unix-Systemen, Intel-Systemen und Storage aber die Drucker wegnehmen, dann trennen uns ein paar Millionen – und vielleicht haben wir es dieses Jahr dollarmässig schon geschafft. Wir machen ja nicht Drucker und keinen Service/Support. Wir sind praktisch nur ein Hardwareanbieter.
ITR: Aber das soll sich doch ändern. Paul Stodden sprach davon, den Anteil von Service und Support zu verdreifachen.
BB: Ja, aber nicht in dem Rahmen. Wir wollen vielleicht in zwei Jahren bei 10% Umsatz mit Nicht-Hardware sein. Das ist immer noch entschieden anders als bei IBM oder HP. Im Moment sind wir etwa bei 5% Services und Support. In drei Jahren sollen es ca. 15% sein.

ITR: Sind dann nicht Konflikte mit dem Channel vorprogrammiert?

BB: Nein, wir wollen dem Channel nichts wegnehmen. Wir wollen ja nur Services machen, was Infrastruktur angeht. Also für Solaris zum Beispiel. Deswegen unterscheiden wir uns noch deutlich von einer IBM. Und Compaq will jetzt eine zweite IBM werden. Wir sind weiterhin ein Technologieprovider, sehen aber, dass wir gewisse Consultingleistungen erbringen müssen, weil die unsere Partner nicht erbringen.
Sie werden wenig Partner finden, die Kunden in Solaris, Datenbankdesign oder Infrastruktur-Belangen beraten können. Grosskunden erwarten hier einfach Unterstützung. Wir werden bis zur Middleware gehen und wir werden also z.B. keine SAP-Beratung anbieten.
ITR: Letztes Jahr hat FSC je die Hälfte des Umsatzes mit PCs und Server/Storage erwirtschaftet. Wie werden sich diese Geschäftsfelder entwickeln?
BB: Nicht ganz. In 2003 möchte ich schon, dass die Hälfte Valuegeschäft ist. Heute würde ich das Verhältnis etwa bei 60:40 einstufen. Das heisst aber nicht, dass wir deswegen nicht nicht mehr im PC-Geschäft wachsen wollen, v.a. im Mobil-Geschäft wollen wir die Gelegenheiten nicht auslassen. Und wir wollen natürlich im Value-Geschäft wachsen. Wir sind der einzige Hersteller, der momentan Consulter und Verkäufer einstellt. Zwar nicht in Hundertschaften, aber fast in allen Ländern stellen wir Leute ein.
Wenn auch unsere Mütter schon Probleme haben, es gibt keinen Mitbewerber der momentan Leute einstellt und es gibt auch keinen, der nicht entlässt.
ITR: Gut, aber laut neuesten Zahlen von IDC hat FSC im zweiten Quartal in Deutschland 25% Marktanteil im Desktopbereich und 10% im Serverbereich an Dell verloren.
BB: Beim Serverbereich müssen Sie sehen, dass wir im letzten Quartal deutlich zugelegt haben, deswegen ist das wieder ein kleiner Schwenker. Beim PC-Bereich haben wir hauptsächlich im Retail diese Einbussen, weil wir letztes Jahr in der Vergleichsperiode mit einem grossen Retailer das zehnfache an Umsatz gemacht haben. Der hat aber noch von einem anderen Mitbewerber einen Haufen Zeug rumliegen.
Ausserdem gehören wir im Moment nicht zu denjenigen, die unbedingt Verluste einfahren wollen beim Verkauf von PCs. Da geht uns natürlich auch das eine oder andere Geschäft verloren.

ITR: Preiskriege machen Sie also nicht mit?

BB: Wir machen bis zu einem bestimmten Punkt mit. Bei den Materialkosten hört’s auf, da wollen wir nicht auch noch drauflegen. Bei den Fixkosten sind wir noch bereit mitzugehen, aber weiter nicht. Es gibt Wettbewerber, die gehen deutlich tiefer und es gibt auch solche, die müssen deutliche Abschreibungen vornehmen, weil sie einen Haufen Zeugs rumstehen haben. Wir sind nicht arg weit weg von unserem Ziel, aber auch nicht «auf Ziel».
(Interview: mh)


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