Karma im Alleingang

Seitdem bekannt wurde, dass COS Personal und Kundenstamm von Karma doch nicht übernehmen wird, zweifeln so manche in der Branche an der Zukunft des Hünenberger Komponenten-Distis. Patrick Matzinger und Luzia Krieger von Karma nehmen Stellung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/09

     

IT Reseller: Die Übernahme-Pläne mit COS sind gescheitert. Jetzt fragen sich natürlich alle – auch wir: Gerät Karma nun in Schwierigkeiten?
Patrick Matzinger: Wieso sollte Karma dadurch in Schwierigkeiten geraten?

ITR: Weil der Verkauf ja wohl aus bestimmten Gründen angepeilt worden ist...

PM: Wir haben zusammen mit COS die Idee entwickelt, gemeinsam einen sehr grossen europäischen Komponenten-Distributor aufzubauen. COS suchte ein Team, das das Europa-Geschäft aufbauen könnte. Das Konzept war gut und wir haben die Leute mit dem nötigen Know-how. Das war der Ausgangspunkt der Diskussionen mit Kurt Früh.
Karma Schweiz als einzelne Firma kann aus eigener Kraft sein jetziges Geschäft betreiben. Wir hätten aber zusammen mit COS einen sehr starken Komponenten-Disti aufbauen können. Als dann der Merger mit Alltron konkreter wurde, sahen wir noch zusätzliche Synergien. Die Verhandlungen mit COS hatten mit der Situation von Karma Schweiz als Firma nichts zu tun.
Wir hatten zu CHS-Zeiten gesehen, was man als sehr grosser, paneuropäischer Komponenten-Disti bewegen kann. Jetzt sahen wir eine Chance, zusammen mit COS nochmals so eine Firma aufzubauen.
ITR: Wir haben den Eindruck, dass jetzt die ‘Economies of Scale’ zu spielen beginnen. Dass jetzt zum Beispiel die grossen, multinationalen Distis an die guten Vertriebsverträge herankommen. Siehe Intel und Tech Data. Ich habe die COS/Alltron/Karma-Geschichte als Versuch interpretiert, die nötige kritische Masse zu erreichen.
PM: Es ging nicht nur darum, die kritische Masse zu erreichen. Es ging uns darum, eine Führungsposition einzunehmen. Ich kann auch als Karma Schweiz die kritische Masse erreichen. Wir verkaufen nach wie vor 150’000 Festplatten jedes Jahr – das ist mehr als jeder andere. Im Festplatten-Markt haben wir die nötige Grösse absolut. Prinzipiell stimmt es aber schon: Es gibt Bereiche, in welchen man eine bestimmte Grösse braucht, um mit einem Hersteller überhaupt ins Geschäft zu kommen.
Wir wollten als Karma auch in der Schweiz nochmals einen Schritt nach vorn machen. Wir setzen dieses Jahr etwa 110 Millionen um. Mit COS zusammen hätten wir unsere Position stärken können. Zusammen mit Alltron, die sehr gute Geschäfte mit Asus und Microsoft macht, wären wir für den Schweizer Markt vielleicht sogar zu dominant geworden.
Die Problematik wäre dann vielleicht gewesen, die Ausrichtigung der beiden Firmen zu bestimmen. Ich denke, für den Markt in der Schweiz, ist es kein Nachteil, dass das COS/Karma-Geschäft nicht zustande gekommen ist.
Nochmals: Als Karma Schweiz haben wir wegen der nicht zustande gekommenen Übernahme keine Probleme. Wir sind nach wie vor profitabel und wir haben Ideen, wie wir unser Geschäft weiter entwickeln können.
ITR: Ist unsere Spekulation richtig, dass der Zusammenschluss mit COS von Mark Keough* verhindert wurde? Hat Keough Kurt Früh angerufen und so den Deal verhindert?
PM: Es geht in diese Richtung, wenn es auch nicht ganz genau so stattgefunden hat. Tatsache ist: Karma gehört dem Karma-Management. Mark Keough allerdings sagt, er habe die Rechte auf den Karma-Besitz, dies ist nichts Neues.

ITR: Offensichtlich ist Kurt Früh wegen diesen Ansprüchen dann doch erschrocken?

PM: Dies dürfte wohl den Tatsachen entsprechen, denn COS wollte keine solchen Diskussionen.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir sehr freundschaftlich auseinander gegangen sind. Wir finden es beide schade, dass dass die Zusammenarbeit nicht stattfinden kann. Doch die Unabhängigkeit hat auch Vorteile. Innerhalb der COS hätten wir sicher umdenken müssen.

ITR: Ist das nun das Ende Eurer internationalen Pläne?

PM: Im Komponentenmarkt schöpfen wir die Möglichkeiten aus, die wir in der Schweiz haben. Aber wir haben neue Ideen, die wir nun weiterentwickeln wollen. Wir wollen eine Internet-Beschaffungslösung für kleine Händler aufbauen. Wir werden ein Sortiment speziell für kleine Händler zusammenstellen. Kleinkunden sollen so ihre Bedürfnisse befriedigen können, ohne dass wir einen grossen und teuren Apparat aufbauen müssen.
Wir wollen diese Basis aktiv bearbeiten – das wird der Unterschied zu anderen solchen Lösungen sein. Wir werden die kleinen Händler aktiv informieren, basierend auf der Internet-Lösung.

ITR: Das heisst, Karma wird sein Produktsortiment ausbauen?

Luzia Krieger: Unser jetziges Sortiment deckt sicher nicht alle Bedürfnisse dieser Kundschaft. Wir gehen davon aus, dass wir unser Sortiment um etwa ein Drittel erweitern werden. Das können PC-Lösungen oder zum Beispiel Drucker sein. Wir werden dieses Geschäft vom klassischen Karma-Business als Firma in der Firma weitgehend trennen.

ITR: Werdet Ihr bei PCs als Subdisti auftreten?

PM: Das ist eine Möglichkeit. Vielleicht bauen wir die PCs aber auch selber. Diese Diskussionen laufen jetzt.

ITR: Besteht da nicht die Gefahr, dass Ihr Eure eigenen Kunden konkurrenziert?

PM: Unsere Kunden erbringen bestimmte, zum Teil einzigartige Dienstleistungen, die wir nicht erbringen können und wollen. Wir zielen auf ein anderes Segment. Natürlich werden wir mit unseren grossen und wichtigen Kunden zusammensitzen und unsere Pläne besprechen.
ITR: Was passiert mit der Karma-Gruppe? Existiert sie überhaupt als Firmenflotte noch?
PM: Die Gruppe existiert – klar. Wir hatten die Idee, den grössten Teil der Karma-Niederlassungen in die COS-Gruppe zu führen. Nun diskutieren wir die neue Situation, so dass ich darüber noch nicht viel sagen kann. Den internationalen Einkauf für Key-Produkte werden wir aber sicher weiterführen.
Es gibt heute etwa 10 Karmas in Europa. Diese sind stark und haben gezeigt, dass sie überleben können.
ITR: Wir waren einigermassen erstaunt, dass die Vergangenheit und Keough noch so grossen Einfluss haben. Gibt es nun doch noch ein gerichtliches Gezerre um Karma?
PM: Nein, ein grosses Gezerre wird es sicher nicht geben. Ich werde über kurz oder lang mit Keough zusammensitzen und wir werden schauen, wie es weitergeht. Mein Ziel ist sicher eine endgültige Klärung. Ein gerichtliches Verfahren hilft niemandem. Mir ist wichtig, Karma Schweiz zu stärken. Der Markt verändert sich und man muss sich auch entwickeln können. Wenn solche Besitzansprüche im Raum stehen, so kann das hinderlich sein.
ITR: Ist es möglich, dass Ihr Euch der Disti-Gruppe namens ‘EuropaIT’ anschliesst?
PM: Wenn mir Keough plausibel erklären kann, was uns das bringt, ist das eine Überlegung wert.

ITR: Wie haben die Kunden auf die Nachrichten der jüngsten Zeit reagiert?

LK: Erstaunlich wenig. Es gab relativ wenig Feedback auf die Ankündigung des Deals mit COS. Jetzt sind einige erleichterte Mails gekommen, als wir vom geplatzten Deal berichteten.
ITR: Wird es eine weitere Konsolidierung bei der Schweizer Komponenten-Distribution geben?
PM: Schauen wir uns die Situation an: Im Komponenten-Markt sind Alltron/COS und Karma sowie die Broadliner übrig geblieben. Die Broadliner sind eher ein bisschen unkonstant, weil das Komponenten-Geschäft nur eines neben anderen ist. Bei Karma fokussieren wir völlig auf Komponenten.
Im Moment sind also etwa vier, fünf grössere Distis bei Komponenten aktiv, was etwa der Marktgrösse und -dynamik entspricht. Da sehe ich keine weitere Konsolidierung. Natürlich erwarten jetzt alle, dass Karma in Schwierigkeiten gerät. Das wird aber nicht passieren.
ITR: Zum Schluss: Sie sagen ganz klar, Karma wird es auch Ende 2001 oder Ende 2002 noch geben? COS hätte Euch nicht ‘retten’ müssen?
PM: Karma Schweiz geht es sehr gut. Sogar exzellent, wenn ich die jüngste Vergangenheit mit einbeziehe. Wir machen einen vernünftigen Gewinn, der Markt ist zwar im Moment relativ ruhig, jedoch haben wir eine sehr tiefe Kostenstruktur. Wir machen mit knapp 35 Mitarbeitern 110 Millionen Umsatz, bei etwa fünf Prozent Marge – die Kosten sind klar darunter.

(Interview: hc)




* Mark Keough ist ein ehemaliger CHS-Manager, der mit einigen «überlebenden» CHS-Firmen einen neuen paneuropäischen Distributor namens EuropaIT gegründet hat. Gemäss Mark Keough war der Management-Buy-Out von Karma nicht rechtskonform.


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