Schweizer IT-Dienstleister: Erfolgreich lokal unterwegs

In der Schweiz gibt es zahlreiche kleinere IT-Dienstleister, die sich trotz schwierigem Marktumfeld erfolgreich zu behaupten wissen. Der Vorteil vieler dieser Firmen: Sie sind regional gut verankert und haben verstanden, welche Bedürfnisse Schweizer KMU haben. «Swiss IT Reseller» hat sich mit fünf solchen Händlern unterhalten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2012/07

     

«Swiss IT Reseller»: Darf ich Sie bitten, sich und Ihr Unternehmen kurz vorzustellen?
Reto Dellenbach:
Ich bin Inhaber einer Firma namens IT Kompetenz- und Dienstleistungszentrum mit Sitz in Oberwil (BL). Wir sind acht Leute und vor allem in den Bereichen Infrastruktur sowie DMS/CRM und ERP-Software tätig, dazu bieten wir auch Web-, Mail- und Private-Cloud-Hosting an. Deshalb beschäftigen wir auch drei Entwickler, die sich vor allem mit Schnittstellen beschäftigen. Wir sind ausserdem Mitglied im KMU Business Technologie Netzwerk. Dieses Netzwerk besteht neben uns aus vier weiteren Partnern, die sich im selben Umfeld wie wir bewegen, dies aber in den Regionen Zürich, St. Gallen und Aargau. Der Vorteil für uns liegt darin, dass wir so in der ganzen Schweiz nahe bei unseren Kunden sind, ohne Filialen unterhalten zu müssen. Unseren Kunden alles aus einer Hand anbieten zu können, ist eines unserer Ziele.

Markus Ming: Ich bin Geschäftsführer und Inhaber der Firma Logotex. Wir haben letztes Jahr unser 25-jähriges Jubiläum gefeiert und sind Mitglied in einem Genossenschaftsverbund, der sich KIPS-Gruppe nennt und aktuell 19 Partner zählt. KIPS steht für KMU IT Partner Schweiz. Dieser Deutschschweizer Verbund ermöglicht es uns, dank Nutzung von Synergien auch den grossen Anbietern Paroli bieten zu können und nahe beim Kunden zu sein. Logotex selbst hat drei Kernkompetenzen: Zum ersten kümmern wir uns um die IT-Infrastruktur bei Firmen im Wirtschaftsraum Zürich. Zum zweiten sind wir tätig im Bereich IT-Logistik. Wir planen und setzen für unsere Kunden IT-Rollouts und IT-Umzüge um und sind mit Projekten von fünf bis weit über 1000 Arbeitsplätzen vertraut. Wir garantieren dabei eine hohe Flexibilität – nicht zuletzt dank unserem hauseigenen Staging-Raum. Und zum dritten haben wir eine führende E-Procurement-Lösung für öffentliche Auftraggeber im Angebot, mit der wir dank unserer medienbruchfreien Anbindung die Einkaufsprozesse für unsere Kunden vereinfachen und ver­bessern.


Stefan Mittner: Ich bin Geschäftsführer und Mitinhaber der Firma Glaronia Informatik mit Sitz in Glarus und in Pfäffikon (SZ). Aktuell zählen wir 17 Mitarbeiter und betätigen uns in vier Bereichen. Der grösste davon ist der Infrastrukturbereich, wo wir uns vor allem um Netzwerke bei KMU mit fünf bis 30 Arbeitsplätzen kümmern. Daneben sind wir im Abacus-Umfeld tätig, wo wir Finanzapplikationen einführen, installieren und unterhalten. Als Drittes kommt der Schulungsbereich hinzu, wo wir primär Microsoft-Produkte – in erster Linie unsere Kunden – in unserem Schulungscenter schulen. Dieser Bereich ist jedoch im Vergleich zu früher deutlich geschrumpft. Und zu guter Letzt bieten wir auch Web- und Mail-Hosting an – dies vor allem deshalb, weil wir so unseren Kunden alles aus einer Hand anbieten können und der Kunde für seine IT nur einen Ansprechpartner hat. Abseits von diesen vier Bereichen bieten wir zudem eine eigene Lösung für Helikopter-Betriebe an, was zwar ein sehr kleiner, aber spannender Markt ist. Auch wir sind wie Logotex zudem ein Teil des KIPS-Netzwerks, unser Unternehmen gibt es seit 25 Jahren, und ich darf sagen, dass es uns sehr gut geht.

Frank Heer: Ich bin Inhaber und Geschäftsführer von First Accounting, einem Unternehmen, das vorwiegend im Software-Bereich als Vertriebspartner von Sage tätig ist. Wir beschäftigen neun Leute, und bieten vor allem Sage 50 sowie im Bereich Rechnungswesen eine Lösung von Abacus an. Seit zwei Jahren bauen wir zudem ein Standbein im CRM-Umfeld auf und setzen dabei auf Sage CRM. Deshalb beschäftigen wir heute auch zwei Entwickler, die Zusatzentwicklungen zu dieser Lösung bauen.


Fernando Patallo:Ich bin Mitinhaber von Maggiorini Kurtz, dem ältesten Büro-Fachgeschäft in Basel, das seit 1942 besteht. Wir warten und reparieren in erster Linie Drucker, wobei unser Kundenstamm vom KMU bis zum Grossunternehmen reicht. Daneben haben wir aber auch eine Netzwerk- und PC-Sparte, wo wir komplette Systeme verkaufen und unterhalten. Wir beschäftigen bei uns sieben Mitarbeiter, wobei wir immer auch einen Lehrling ausbilden.

Für diesen Roundtable haben wir Unternehmen gesucht, die vor allem lokal tätig und dabei erfolgreich sind. Können Sie hierzu Ihre Situation etwas umschreiben?

Frank Heer: Wir sind mit Sicherheit einer der wichtigeren Vertriebspartner von Sage Schweiz, vor allem auch im Bereich CRM. Potentielle Kunden, die ein CRM suchen, finden uns via Sage. Hinzuzufügen ist dabei, dass es das CRM von Sage schon länger gibt, das Produkt aber bislang nicht gerade forciert wurde. Wir als First Accounting wollen dieses Produkt nun Hand in Hand mit Sage verstärkt im Markt bekanntmachen. Wir sind gesamtschweizerisch mit Fokus Deutschschweiz tätig.


Reto Dellenbach: Bei uns ist es so, dass rund 60 Prozent unserer Kunden aus der Region Basel stammen, und 40 Prozent aus der übrigen Deutschschweiz. Dies hängt mit einem Produkt zusammen, das wir für die Schweiz importieren – eine Lösung für Autogaragen. Ich komme ursprünglich aus diesem Bereich, und meine Eltern betreiben nach wie vor eine Autogarage in der Region Basel, was dazu führt, dass wir für diese Lösung aufgrund des Konkurrenzdenkens unter den Garagisten zwar keine Kunden aus der Region haben, dafür aber im Rest der Schweiz. Dies ist auch mit ein Grund, warum wir uns einem Netzwerk angeschlossen haben. Die Software können wir zwar von Basel aus betreuen, doch viele dieser Kunden beziehen nicht nur die Software von uns, sondern wollen dann auch gleich die Hardware von uns haben. Dank dem Netzwerk und dem darin enthaltenen, breiten Know-how können wir unseren Kunden alles aus einer Hand bieten und sind geografisch nahe beim Kunden. Jedoch setzt die Mitgliedschaft in einem solchen Netzwerk enorm viel Vertrauen in die Partner voraus.

Fernando Patallo: Auch wir sind in Basel tätig, und beschäftigen uns wie erwähnt vorallem mit dem Druckergeschäft. Unser Vorteil ist, dass die meisten reinen IT-Unternehmen sich kaum mehr mit Druckern beschäftigen. Unser Erfolgsrezept liegt darin, dass wir unsere Dienstleistungen an den Kunden anpassen, und nicht umgekehrt. Wir sind klein und dadurch flexibel und können die individuellen Bedürfnisse unseres Kunden abdecken. Nebst Reparaturen verkaufen wir aber auch Geräte, sowohl Kopierer wie auch Drucker – und ich darf sagen, dass wir die meisten Geräte nach Listenpreisen verkaufen können. Wir nehmen uns dafür Zeit für unsere Kunden und deren Beratung, und diese Strategie zahlt sich aus. Denn der Kunde ist dann durchaus auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.


Markus Ming: Im Infrastruktur-Bereich sind wir vor allem im Grossraum Zürich zuhause. In der IT-Logistik betätigen wir uns derweil in der ganzen Deutschschweiz, vereinzelt auch in der Westschweiz und im Tessin. Und unsere E-Procurement-Lösung nutzen zu 90 Prozent Kunden aus der Deutschschweiz.
Stefan Mittner: Wir wiederum sind vor allem im Glarnerland und dem oberen Zürichsee tätig. Seit drei Jahren haben wir einen Ableger in Pfäffikon (SZ), um näher bei den Kunden aus dieser Region zu sein. Der einzige Bereich, den wir weiträumiger anbieten, ist unsere Helikopter-Lösung.

Wenn man primär regional tätig ist, bedingt das auch, dass man sich überdurchschnittlich stark in der Region engagieren muss? Sind Sie beispielsweise bei jedem Verein dabei und unterstützen jeden Sportclub, oder ist das nicht nötig?

Reto Dellenbach: Nein, das ist eigentlich nicht nötig. Unser stärkstes Marketing-Mittel ist die Mund-zu-Mund-Propaganda. Jedoch muss ich auch eingestehen, dass wir mit unserer heutigen Grösse eigentlich kaum auf Wachstum angewiesen sind, sondern von unserem bestehenden Kundenstamm leben. Und wenn wir diesen Kunden Sorge tragen, und dazu noch einige neue Kunden hinzukommen, dann haben wir die kommenden 20 Jahre genug zu tun. Ich bin der Meinung, dass der Markt ohnehin weitgehend verteilt ist. Man kann Kunden heute noch durch die Lösung, die man anbietet und die ein Kundenbedürfnis deckt, gewinnen. Oder aber ein Kunde ist unzufrieden mit seinem bisherigen Dienstleister, und man erhält so einen Einstieg. Doch über Werbung oder über tiefe Preise lassen sich heute kaum mehr Kunden gewinnen. Qualität und Lösungen sind entscheidend.


Fernando Patallo: Wir haben den Vorteil, dass wir bei den Kunden viel Vertrauen geniessen, weil es unser Unternehmen schon seit 70 Jahren gibt. Wir werben vor allem noch mit Direkt-Mailings, Inserate in der Region machen wir aber kaum mehr, und auch wir versuchen nicht über den Preis Kundschaft zu gewinnen. Wir versuchen auch nicht um jeden Preis, das schnelle Geschäft zu machen, sondern denken langfristig und sind auch bereit, auf ein Geschäft zu verzichten, wenn es für uns nicht stimmt. Nicht zuletzt auch dadurch gibt es uns schon so lange.

Gibt es denn jemanden am Tisch, der sich überdurchschnittlich in der Region engagiert?

Stefan Mittner: Wir engagieren uns in Business-Clubs, aber auch beim Eishockey-Club Rapperswil-Jona Lakers im Hunderter-Club. Meine Frau, die auch in der Geschäftsleitung ist, ist zudem in der Politik tätig. Wir sind also gut vernetzt in der Region, aber wir treten nicht einfach jedem Verein und jedem Club bei, um potentielle Kunden zu gewinnen. Ein Engagement und ein Beziehungsnetz sind langfristige Dinge, die man nicht forcieren kann und die wachsen müssen. Das Glarnerland ist zwar überschaubar, und man kennt einander. Doch es ist keinesfalls so, dass ich von jedem Bekannten erwarte, dass er seine IT bei mir bezieht. Geschäftsbeziehungen müssen passen und gedeihen, und letztlich will ich auch nicht jedermann als Kunden. Wichtig, gerade wenn man regional tätig ist, ist aber, dass man nur Lösungen verkauft, hinter denen man stehen kann. Das Prinzip ‹Sell and Forget› funktioniert nicht. Man muss langfristig denken, denn nur so empfehlen Kunden mich auch weiter.


Kann man sich denn überhaupt einen Fehler leisten, wenn man stark regional tätig ist, oder spricht sich das dann sofort herum?

Stefan Mittner: Diese Gefahr besteht sicher, deshalb ist Konstanz umso wichtiger. Es gibt immer wieder Kunden, wo etwas nicht wie gewünscht funktioniert oder man einen Fehler macht. Dann muss man aber zu diesem Fehler stehen, auch mit der Konsequenz, dabei einmal einen Kunden zu verlieren. Doch ein Dominoeffekt, aufgrund der starken Vernetzung, hat sich dabei bis jetzt noch nie eingestellt.

Wie steht es denn um die Erwartungshaltung im Sinne von: ‹Ich habe Dir etwas abgekauft, deshalb musst Du jetzt mir etwas abkaufen›?

Markus Ming: Dazu muss das Produkt, welches das Gegenüber anbietet, zuerst einmal passen. Doch natürlich ist es so, dass wir, wenn wir beispielsweise eine Firma betreuen, die Drucksachen anbietet, dann auch unsere Drucksachen bei dieser Firma zumindest offerieren lassen, und den Zuschlag dann auch eher dieser Firma erteilen, sofern die Offerte preislich im Rahmen liegt. Doch ich glaube nicht, dass das ganze Business immer auf Gegengeschäften basieren kann. Doch wenn es passt, erteilen wir Aufträge gerne an unsere Kunden.


Frank Heer: Wir haben hier schon spezielle Erfahrungen gemacht. Und zwar sind wir unter anderem in Ägerital oberhalb von Zug tätig. Ich arbeite mit einem einheimischen Dienstleister zusammen, der dort lokal stark verankert ist. Denn im Ägerital ist es so, dass man es als ‹Auswärtiger› schwer hat. Doch über diese Partnerschaft bin ich dann an Aufträge etwa für Fibu-Installationen gekommen, an die ich sonst kaum gekommen wäre. Aber: Diese Kunden hatten dann die Erwartung an Gegengeschäfte. Wobei ich auch sagen muss, dass das natürlich längst nicht immer möglich war. Oder es wurde auf den Preis gedrückt, denn man kennt sich ja. Das ist dann schon schwierig, und häufig bleibt einem nichts anderes übrig, als darauf einzugehen. Doch das sind dann nicht unbedingt die lukrativen Geschäfte. Auch deshalb, weil eine unglaubliche Erwartungshaltung an die Präsenz da ist. So ein Kunde erwartet dann, dass er morgens um sechs, abends um zehn und am Wochenende anrufen kann. Hier musste ich zum Teil auch einen Riegel schieben. Denn man kann nicht alle Wünsche des Kunden erfüllen, vor allem, wenn dieser über einen Wartungsvertrag im Wert von 200 Franken pro Jahr verfügt. Doch das zu kommunizieren ist in so einem Umfeld halt teilweise schwierig.

Fernando Patallo: Wir gehen hier teilweise den umgekehrten Weg. Wenn wir zum Beispiel ein neues Firmenauto kaufen, dann kommunizieren wir dem Garagisten auch, dass wir das Auto gerne über ihn beziehen, er im Gegenzug dann aber für ein paar Tausend Franken Büromaterial bei uns kaufen muss. Und das wird akzeptiert.

Ich möchte noch einmal auf das Beispiel aus dem Ägerital zurückkommen. Ich kann mir vorstellen, dieser lokale Dienstleister macht dort gute Geschäfte, wenn praktisch das ganze Tal bei ihm einkauft.

Frank Heer: Sicher, ja. Doch er tut auch einiges dafür – ist in jedem Verein dabei und engagiert sich regional. Und eben: Von ihm werden Präsenzzeiten verlangt, die ansonsten nicht gang und gäbe sind.


Und wie profitieren Sie von diesem Partner?

Frank Heer:Für uns sind diese Aufträge vor allem deshalb lohnenswert, weil sich dadurch Weiterempfehlungen ergeben. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir akquirieren neue Kunden seit jeher vor allem aufgrund von Weiterempfehlungen. Weiterempfehlungen sind auch die beste Referenz – gerade im Software-Bereich. Es gibt viel gute Software, entscheidend ist aber, wie man betreut wird.

Stefan Mittner: Dem kann ich nur zustimmen. Wenn sich ein Kunde bei einem Dienstleister wohl fühlt, bleibt er ihm treu.

Frank Heer: Ich sage meinen Mitarbeitern immer wieder dasselbe: Wenn ihr zu einem Kunden kommt, und der Kaffee steht bereits da, dann ist alles gut (lacht).

Markus Ming: Die Erwartungshaltung ist aber sicher eine Herausforderung. Viele Kunden erwarten, dass man 24/7 erreichbar ist, selbst wenn dies in einem Wartungsvertrag eigentlich klar anders geregelt ist. Doch trotz dieser Vereinbarung haben die Kunden dann oft das Gefühl, man ist rund um die Uhr für sie erreichbar, und man kümmert sich um sämtliche anstehenden IT-Probleme, obwohl dies gar nie so abgemacht wurde. Dann ist es wichtig, dass man das Gespräch sucht, und gemeinsam den Konsens findet. Und dieser Konsens muss dann für beide Parteien stimmen.

Stefan Mittner: Ich kann hier nur zustimmen. Bei uns gibt es das ab und zu, dass ein Kunde, den wir gut kennen, auch am Sonntag anruft, wenn wirklich ein Problem ansteht – Vertragsklauseln hin oder her. Sicher versuchen wir dann, eine Lösung zu finden. Wären wir nicht so stark in der Region tätig und würden wir nicht so viele unserer Kunden persönlich kennen, würde sich das Problem eindeutig weniger stellen.


Frank Heer: Ich habe mit meinem Unternehmen alleine begonnen, und die meisten Kunden aus der Anfangszeit sind noch immer meine Kunden. Und dies sind auch die Kunden, die mich direkt aufs Handy anrufen und mit niemand anderem sprechen wollen. Doch inzwischen geht das natürlich nicht immer. Dafür Verständnis zu schaffen, war schwierig. Am Anfang haben es die Kunden mir übel genommen, dass ich nicht immer für sie persönlich da sein konnte.

Das ist sicher ein Nachteil. Ist es dafür ein Vorteil, dass man sich teils in einem geschützten Markt bewegt, weniger dem Konkurrenzdruck ausgesetzt ist und so letztlich etwas mehr Marge pro Kunde hat?

Stefan Mittner: Hier gibt es beide Seiten: Gute Bekannte drücken sicher weniger auf den Preis, doch es gibt auch diejenigen, welche die Situation ausnützen wollen. Doch zum Glück ist das eher selten.


Reto Dellenbach: Ich glaube, der grundsätzliche Vorteil kleiner Unternehmen ist, dass sie bevorzugt mit anderen kleinen Unternehmen arbeiten wollen. Ich habe dann ein Problem, wenn ich nicht mehr direkt mit dem Chef eines Unternehmens verhandle – mit dem, dessen Geld ausgegeben wird. Denn mit dem Inhaber eines Unternehmens kann ich auf Augenhöhe sprechen, ohne das Gefühl zu haben, Verkäufer sein zu müssen. Vielmehr ist es dann so, dass der Kunde ein Problem hat, ich dieses Problem lösen kann, und für diese Lösung bezahlt werde. Muss ich aber mit einem Einkäufer verhandeln, dann beginnt schnell die Preisdiskussion. Und sobald man über den Preis diskutiert, und nicht mehr über die Lösung, wird es in meinen Augen schwierig.

Frank Heer: Unser Vorteil ist der, dass wir nahe am Kunden sind, und diesen Vorteil müssen wir ausnutzen. Die Nähe ist auch unser Trumpf, wenn es beispielsweise um eine Offerte geht. Wenn der Kunde mit mir zufrieden ist und mir vertraut, wird er bei einer neuen Ausschreibung zwar sicher auch andere Anbieter anschauen, aber ich habe dann einen Bonus. Und wenn er mit mir bis jetzt gut gefahren ist, ist meist der Preis auch nicht das ausschlaggebende Argument für oder gegen mich.

Fernando Patallo: Ich bin der Überzeugung, dass das Bauchgefühl – die Chemie zwischen uns und dem Kunden – stimmen muss. Und ich bin der festen Überzeugung, dass manchmal auch ein Umdenken angebracht wäre: Manchmal ist kein Geschäft das bessere Geschäft. Oder aber man muss einen halben Schritt zurückgehen, um einen ganzen nach vorne zu machen. Nehmen wir den Kunden, der am Samstagabend anruft, und der eigentlich kein rentabler Kunde ist. Doch vielleicht ist er dann derjenige, der so zufrieden ist, dass er uns weiterempfiehlt. Das habe ich schon oft erlebt, und so sind für uns schon die rentabelsten Geschäfte entstanden. Auch wenn Kunden zu uns kommen, die ihren Drucker bei einem Discounter gekauft haben: Es ist wichtig, auch diesen Kunden zu helfen und ihr Problem zu lösen, denn sie können mir glauben – diese Kunden werden dann oftmals zu den besten und treusten Kunden, auch wenn man im ersten Moment vielleicht kein Geschäft macht.

Sie alle bewegen sich als IT-Dienstleister in einem zunehmend schwierigeren Umfeld. Denken Sie, dass Sie längerfristig im Vorteil sind, dadurch dass Sie primär lokal tätig sind und langfristige, enge Kundenbeziehungen haben?

Markus Ming:
Ein Vorteil liegt sicher darin, dass wir alle als Inhaber unserer Unternehmen seit Jahren unsere Kundenbeziehungen pflegen können. In einem grösseren Unternehmen, mit Angestellten, die sich um die Kunden kümmern, wechseln die Ansprechpartner zwangsläufig immer wieder. Wir alle aber sind seit Jahren in unserem jeweiligen Geschäft tätig. Unsere Kunden haben entsprechend seit jeher uns Inhaber als langjährige Ansprechpartner, was sicher ein grosser Mehrwert ist. Kontinuität ist sicher ein grosser Vorteil von uns KMU in der Schweiz.


Dadurch, dass ich als Unternehmen heute unzählige Services aus dem Netz beziehen kann, bräuchte es eigentlich immer weniger kleine Dienstleister. Sie, Herr Mittner, bieten ja zum Beispiel Web-Hosting als Dienstleistung an, weil der Kunde sich einen einzigen Ansprechpartner wünscht. Glauben Sie, dass dieses Modell nachhaltig ist?

Stefan Mittner:
Entscheidend ist, dass wir uns für die Probleme des Kunden zuständig fühlen. Der Kunde will einen Ansprechpartner, wenn er ein Problem hat, egal welches Problem das ist. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Kunden, als wenn er bei einem Problem Hilfe sucht, aber niemand ihm helfen will. Wir aber kümmern uns um dieses Probleme, weil das letztlich unser Mehrwert gegenüber grossen Dienstleistern oder gegenüber Cloud-Anbietern ist.

Reto Dellenbach: Wir versuchen auch alles aus einer Hand anzubieten, denn der Kunde erwartet das von uns. Darunter sind auch Services, die der Kunde problemlos aus dem Netz beziehen kann, und das erst noch gratis. Doch er will sich nicht darum kümmern müssen, also übernehmen wir das für ihn, und beziehen den gewünschten Service dann aus dem Netz oder von einem Drittanbieter. Der Kunde erwartet Einfachheit, er will Lösungen. Unser Erfolg kommt nicht zuletzt daher, dass wir alles aus einer Hand anbieten können. Deshalb mache ich mir auch keine allzu grossen Sorgen, was das Thema Cloud betrifft, denn das kleine Unternehmen braucht auch mit der Cloud noch einen Dienstleister, der sich um ihn kümmert. Die einzige Sorge, die ich mir mache, ist die, dass ein grosser Anbieter wie Microsoft plötzlich beginnt, die Endkunden in die Cloud zu drängen, indem Einzellizenzen plötzlich massiv teurer würden. Denn dann könnten wir preislich nicht mehr mithalten. Doch dabei muss man sehen, dass ein Unternehmen wie Microsoft gar nicht genau weiss, was ein Schweizer KMU ist und welche Bedürfnisse es hat. Man kann ein kleines Unternehmen nicht einfach über die Preisliste gewinnen. Da gehört noch mehr dazu, wie eben das Supporttelefon am Sonntagvormittag. Das ist die Realität in Kleinunternehmen, und das kann nur ein kleiner Dienstleister bieten.


Markus Ming: Ich habe vor einigen Wochen ein gutes Beispiel gehört: Schreinereien gibt es seit hundert Jahren und länger. Heute haben wir zwar Ikea, aber Schreinereien gibt es nach wie vor. Die Welt ist nicht eindimensional, es gibt kein Modell, das für alle passt. Wohin die Reise geht, wird sich zeigen. Ich bin zudem überzeugt, dass KMU in der Schweiz nicht nur auf die Preisliste schauen. Schweizer Unternehmen wollen ihre Daten, ihre Infrastruktur bei sich haben, wollen die Kontrolle. Und dafür sind sie auch bereit, etwas zu bezahlen.

Herr Heer, gerade Sie dürften die Cloud-Entwicklung aufmerksam beobachten. Wenn Sage plötzlich entscheiden würde, alles aus der Cloud anzubieten, dann würden Sie ja aussen vorgelassen.

Frank Heer: Dem ist sicher so. Ein Beispiel sind Updates: Die jährlichen Updates sind für uns eine Gelegenheit, unsere Kunden mindestens einmal im Jahr zu besuchen. Für mich ist das sehr wertvoll. Wenn diese Updates nun plötzlich auf einem anderen Weg eingespielt würden, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Ich habe vorhin angesprochen, dass unser Vorteil die Nähe des Kunden ist, und glücklicherweise ist dies auch die Philosophie von Sage. Auch Sage will nahe beim Kunden sein, und arbeitet deshalb mit so vielen Partnern. Die Idee von Sage ist, dass die Partner regional das Unternehmen vertreten.


Somit kann man zusammenfassend sagen, dass Sie sich in einem sehr personenorientierten Geschäft bewegen.

Fernando Patallo: Auf jeden Fall. Ich mache auch heute noch viele Geschäfte mittels Handschlag fest. Unser Geschäft ist ein persönliches Geschäft, das auf Vertrauen basiert.

Stefan Mittner: Ich habe mir im Vorfeld dieses Gesprächs lange überlegt, was unseren Erfolg ausmacht, und bin zum Schluss gekommen: Die Menschen sind entscheidend – zum einen die Menschen, die in unserer Firma arbeiten, aber natürlich auch die Kunden. Dieser Mikrokosmos, in dem wir uns bewegen, macht den Erfolg aus. Und natürlich gehört auch eine Portion Glück dazu, denn man kann nicht immer alles beeinflussen.
(mw)


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