Ist Aspectra ein ASP?

Bei der Gründung der Nextra-Tochter Aspectra bezeichnete man die Firma noch als ASP. Doch schaut man genauer hin, so wird klar, dass «ASP» nur einen kleinen Teil des Geschäfts von Aspectra ausmacht. Ein Interview.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/07

     

IT Reseller: Bei der Gründung von Aspectra wurde das Unternehmen noch als «ASP» positioniert. Als Applikation wird aber nur die Intershop-Umgebung angeboten?
Roelof Koopmans: Nein. Intershop ist nur ein kleiner Teil unseres Angebots. Unser wichtigstes Angebot ist «dedicated hosting» und das Hosting von Applikationen. Wir hosten und betreuen komplexe, mission critical Websites für mittlere und grössere Firmen. Für die meisten unserer Kunden ist das keine Kernkompetenz.
Deshalb lagern sie komplexe Sites zu uns aus. Das ist unser Hauptgeschäft, das wir bereits bei unserem früheren Arbeitgeber aufgebaut haben. (Koopmans wechselte von Swisscom/Bluewin zur Nextra-Tochter Aspectra – Red.). Wir kennen das Internet-Geschäft und wir haben die Kompetenz um E-Business-Applikationen zu hosten und zu managen.

ITR: Also ist Aspectra kein ASP, sondern eigentlich ein Hoster?

RK: Das kommt auf die Definition des Begriffs ASP an. Wenn man ASP so definiert, dass zwingend eine identische Applikation für viele Kunden angeboten werden muss, so sind wir kein ASP. Man kann ASP aber auch anders definieren.
Zum Beispiel haben wir mit Intershop eine Lizenzvereinbarung, so dass der Kunde keine komplette Intershop-Lizenz kaufen muss, sondern sie von uns «mieten» kann. Das soll es auch kleineren Firmen möglich machen, Intershop Enfinity zu nutzen.
Intershop ist ein integrierter Teil unseres Angebots. Wir unterstützen die Einführung der Intershop-Umgebung, das Management und den Betrieb der Applikation. Damit sind wir sozusagen «fast ein ASP».
ITR: Aspectra hat seine Infrastruktur bei Interxion in Glattbrugg untergebracht. Seid Ihr somit nicht einfach ein «Datencenter-Reseller»?
RK: Oh nein. Wir haben bei Interxion einen eigenen Raum, zu dem ausschliesslich unsere Leute Zutritt haben. Bei Interxion beziehen wir den Raum, die Stromversorgung, die Sicherheitseinrichtungen. Diese Infrastruktur wollten wir nicht selber aufbauen. Aber wir beziehen von Interxion keine Dienstleistungen und die IT-Infrastruktur gehört uns. Es ist ein wichtiger Partner und wir ergänzen uns gut.
ITR: Wie ist das Verhältnis der Aspectra-Umsätze zwischen den Dienstleistungen, die man unter «Hosting» zusammenfassen könnte und denjenigen, die man als «ASP» bezeichnen kann?
RK: Etwa 75 Prozent «Hosting» zu 25 Prozent «ASP». Der Markt für Web-Outsourcing ist viel grösser. Und es kommen laufend Applikationen wie CRM (Customer Relationship Management) und SCM (Supply Chain Management) dazu. Dieses Geschäft liegt nahe am klassischen IT-Outsourcing. Man prognostiziert eine Marktgrösse von etwa fünf Milliarden Dollar in Europa für Web-Outsourcing per 2003.
Für uns ist die Standardisierung unserer Services sehr wichtig. Der Kunde kommt zu uns und denkt, er habe sehr komplexe Anforderungen. Wir können ihm mit unseren standardisierten Dienstleistungen rasch und relativ kostengünstig eine Lösung anbieten.
ITR: Ich kann mir vorstellen, dass die räumliche Trennung der ERP-Systeme des Kunden von seinen Webservern Kopfschmerzen bereitet.
RK: Nein. Die Schnittstellen zu den ERP-Systemen wie SAP sind standardisiert. Und die Verbindung zwischen den Webservern und den Systemen des Kunden ist mit VPNs (Virtual Private Networks) geschützt. Deshalb ist es für den Kunden heute auch nicht vordringlich die ERP-Systeme auszulagern. Ich denke, das Hosting von ERP-Systemen kommt erst später. Heute wollen die Kunden keine existierenden Systeme auslagern.
ITR: Was macht Ihr Kunde, wenn Aspectra oder Ihr Partner Interxion Konkurs gehen sollte?
RK: Es gibt schon Kunden, die Angst haben. Aber wir haben einige gute Argumente. Wir sind nicht von VCs (Risikokapitalisten) abhängig und haben genügend Mittel bis zum Break Even. Unsere Mutterfirma Telenor ist eine der am besten kapitalisierten Telcos in Europa. Damit haben wir mit den Kunden wenig Diskussionen.

ITR: Welches sind Eure wichtigsten Kunden?

RK: Zu Beginn waren es vor allem Internet-Startups. Bis heute haben wir einige Startups als Kunden. Aber wir schauen uns unsere Kunden gut an. Unser Hauptziel ist jetzt, Kunden aus der «real economy» zu gewinnen. Diese sind jetzt bereit, ins E-Business einzusteigen. Beispiele dafür sind Ex Libris und Büro Waser. Zur Zeit haben wir 12 Kunden für unsere Webhosting-Dienstleistungen. Jetzt laufen einige interessante Projekte mit dem Intershop-Angebot.
ITR: Kommen wir generell zum Thema «ASP». Ist der Markt für ASP noch embryonal oder sehen Sie erste Zeichen für eine Reifung?
RK: Von unserem Produktangebot her ist das Konzept ASP schon ausgereift. Aber vom Umsatz her könnte man sagen, wir befinden uns in einem Anfangsstadium. ASP war zuerst einmal ein Begriff, in den man neue Modelle hineinpackte. Nun haben wir als Aspectra dazugelernt und bieten drei Gruppen von Services: Dedicated Hosting, Application Hosting und ASP. Wir verstehen uns immer mehr auch als «ASP-Enabler» und sprechen mit den eigentlichen ASPs, zum Beispiel mit Apps4Biz.
ITR: Ist «ASP» als Konzept also schon wieder vorbei für Sie? Oder: Ist ASP ein Hype?
RK: Wichtig für mich ist, dass wir nicht vom ASP-Modell abhängig sind. Dedicated Hosting ist kein Hype sondern ein Geschäft, das sich durchsetzen wird. Deshalb haben wir vielleicht weniger Probleme als ein reiner ASP. Es mag sein, dass es noch ein bis zwei Jahre braucht, bis sich ASP durchsetzt. Es braucht die nötige Bandbreite, angepasste und professionelle Applikationen und stabile Netzwerke. Es gibt als noch einige ASP-Verhinderungsfaktoren, die das Leben der ASPs sehr schwer machen.
Doch das Modell an sich ist gut und das Internet hat das Potential für diese Art von Geschäften. ASP ist ideal gerade für KMUs. Es ist 2000 und 2001 einfach noch zu früh für das Modell ASP. Unter dem Strich sind wir aber ganz froh, dass der Hype vorbei ist, denn damit kann das richtige Business beginnen.

ITR: Was muss ein ASP heute unternehmen, um zu überleben?

RK: Er muss erstens die SLAs (Service Level Agreement) einhalten. Wenn ich eine Applikation auslagere, dann muss sie besser verfügbar sein als vorher. In den USA sind mehrere ASPs in Schwierigkeiten geraten, weil sie den nötigen Service und Support nicht bieten konnten.
Und zweitens muss es kostenseitig stimmen.
Es ist eine ziemliche Herausforderung, die Dienstleistung günstiger zu bieten, als der Kunde sie selbst erbringen kann. Wenn ein ASP die Kosten nicht im Griff hat, hat er entweder keine Kunden oder keinen Gewinn. Drittens müssen wir alle das ASP-Konzept im Markt besser verständlich machen.
ITR: Stimmt die These, dass sich nur Standard-Software für ASP-Dienstleistungen eignet?
RK: Wieso eine individuell angepasste Lösung nicht im ASP-Modell angeboten werden soll, sehe ich nicht ein.

ITR: Weil ich nur mit standardisierten Lösungen Skaleneffekte erreichen kann?

RK: Das ist schon richtig. Wenn der Kunde den schnellen Vorteil sucht, muss die Applikation stark standardisiert sein. Aber wenn der Kunde die Lösung und das Hosting auslagern will, weil er die Kompetenzen nicht hat, dann ist auch eine angepasste ASP-Lösung für mich eine gute Lösung. Bei unserem Modell konfigurieren wir so viel wie möglich vor.
Nur der kleinste Teil wird für den Kunden parametrisiert. Da liegt längerfristig der richtige Weg für mich. Für unsere Zielgruppen, die Grossunternehmen, kann man eine standardisierte Lösung sowieso vergessen. (Interview: hc)


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