Das neue, auf Unix aufbauende Betriebssystem MacOS X Server von
Apple ist in der deutschen Version erhältlich, sowohl als separates Softwareprodukt wie auch als komplette Serverlösung samt G3-Rechner. Apple scheint Tritt zu fassen.
Nach all den Widersprüchen, Verspätungen und Kursänderungen um ein neues Betriebssystem für den Macintosh macht Apple nun endlich wieder Nägel mit Köpfen. Während für Desktop-Maschinen das MacOS weiter entwickelt wird – im Herbst wird die neue Version unter dem Entwicklernamen Sonata erwartet – ist für den Highend-Bereich jetzt das Unix-basierende, auf dem Mach-Kernel aufbauende, neue MacOS X in der Server-Version erhältlich. Bis zu Beginn des nächsten Jahres soll dann die Client-Version folgen. Damit wagt Apple endgültig den Schritt in die Client/Server-Umgebung.
Neues System
Der Name MacOS X (X steht für römisch zehn) darf nicht zur Annahme verleiten, es handle sich um eine neue Version des bisherigen Systems. MacOS X ist ein vollständig neues Betriebssystem, das mit den Mängeln, mit denen das alte MacOS behaftet war, gründlich aufräumt. MacOS X glänzt durch Schnelligkeit und Stabilität. Zu den neuen Eigenschaften gehören echtes Multitasking und Protected Memory, vereinigt mit der Mac-Benutzeroberfläche (vergleiche Kasten «Warum ein neues MacOS?»). Rückwärtskompatibilität gewährleisten die Application Programming Interfaces (APIs) des aktuellen MacOS in der sogenannten Blue Box. Von den Vorteilen des neuen Systems profitieren alte Macintosh-Programme allerdings nur teilweise.
Apple tendiert daher darauf, dass neue Anwendungen gemäss der sogenannten Yellow Box, welche die APIs des neuen Systems enthält, programmiert werden. Damit grosse Anwendungen nicht vollständig umgeschrieben weden müssen, bietet Apple jedoch mit dem an der letzten Entwicklerkonferenz vorgestellten «Carbon» eine gut handhabbare Lösung an. (vergl. Kasten «Rückwärtskompatibilität»)
Anwendungsgebiete
Die Hauptanwendungsgebiete für das neue Betriebssystem sieht
Apple vor allem dort, wo die Firma bereits jetzt gut vertreten ist: In der Druckvorstufe, in Schulen und beim Internet-Publishing. Rolf Lehmann, Productmanager bei Apple Schweiz, meint: «Längerfristig zielen wir natürlich auch auf Client-Server-Umgebungen im Businessbereich. Aber wir wollen sachte vorgehen und nichts überstürzen. Wir sind daran, den Channel vorzubereiten und unsere Businesspartner bei den Anpassungen zu unterstützen.»
Für die vorgesehenen Einsatzgebiete wurden der Webserver Apache und der Applikationsserver WebObjects in MacOS X Server integriert. File Services dient als skalierbarer Fileserver.
Die Systemverwaltung erfolgt über das Managementprogramm NetBoot. Im Gegensatz zu AppleShare IP, das auch Windows PCs im Netzwerk duldet, unterstützt NetBoot ausschliesslich Macintosh-Systeme. NetBoot erkennt die physische Netzwerkadresse der angeschlossen Rechner und teilt ihnen beim Booten eine dynamische IP-Adresse zu. Die individuelle Mac-Konfiguration des jeweiligen Anwenders wird als Disk Image auf dem Server gespeichert und für den Bootvorgang an den anfragenden Rechner übermittelt. Auf diese Weise kann sich ein Benutzer von jedem beliebigen Mac im Netzwerk aus einwählen und findet auf der Maschine immer den eigenen Desktop und die ihm zustehenden Privilegien.
Das klingt gut. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, weshalb jemand zwingend auf ein «Apple Unix» umsteigen soll, wenn rundherum Linux propagiert wird und der mitgelieferte Internetserver genau aus dieser Umgebung stammt.
Support nur für G3
Apple sieht MacOS X als System für den Highend-Bereich. Grundsätzlich sollte das neue Betriebssytem auch auf älteren PowerPC-Macs funktionieren. Auf Apples Suport kann allerdings nur hoffen, wer einen G3-Rechner einsetzt. «Schliesslich ist
Apple auch eine Hardwarefirma und will neue Rechner verkaufen», sagt Server Productmanager D/A/CH, Andreas Haas.
Für Apple wichtige Entwickler wie
Adobe und
Macromedia haben die Unterstützung von MacOS X zugesagt und an der Entwicklerkonferenz bereits entsprechende Versionen ihrer Produkte gezeigt. Dass Apple Teile des Systems – nicht aber die grafische Oberfläche – veröffentlichte und Entwicklern als Open Source Code zur Verfügen stellt, hat ebenfalls bereits Früchte getragen. So stellte etwa der Netzwerkspezialist Helios fest, dass Teile seiner Serversoftware mit MacOS X Probleme haben und erstellte aufgrund des Quellcodes innert kürzester Zeit selber einen Patch. Das scheinen hoffnungsvolle Zeichen dafür, dass Apple nicht nur mit den modischen iMacs, sondern auch auf der Systemebene wieder Tritt fasst. (fis)
Rückwärtskompatibilität
Die Garantie der Rückwärtskompatibilität ist etwas vom Heikelsten bei einer Systemumstellung. Diese Erfahrung mussten viele Hersteller, darunter auch
Microsoft, machen.
Apple hat seinerzeit bei der Einführung des PowerPC und von System 7 gezeigt, dass sie die Umstellung im Griff haben. Ob das bei MacOS X ebenso gut funktioniert, wird sich zeigen.
MacOS X ermöglicht mit der sogenannten Blue Box, dass traditionelle Macintosh-Programme unter MacOS X laufen. Um jedoch alle Features von MacOS X zu nutzen, müssen die Anwendungen nativ sein, also entsprechend den APIs der «Yellow Box» umgeschrieben werden. Dem widersetzten sich die grossen Entwickler begreiflicherweise. Apple fand die Lösung in der zusätzlichen API-Sammlung «Carbon». Damit lassen sich bestehende Mac-Programme mit wenigen Änderungen an MacOS X anpassen. An der Entwicklerkonferenz präsentierte Greg Gilley, der für Grafiksoftware zuständige Vizpräsident von
Adobe, eine solcherart angepasste Version von Photoshop 5, von der er versicherte, sie innerhalb von zehn Tagen erstellt zu haben.
Apple stellt auf der Developerseite ein Tool namens «Carbon Dater» zur Verfügung, das die Systemaufrufe eines Programms analysiert und festellt, welche weiter verwendet werden können und für die anderen Vorschläge macht, wie die damit verbundenen Aufgaben in der neuen Umgebung gelöst werden können. Carbon-optimierte Programme profitieren jedoch nicht automatisch von sämtlichen OS X-Features. Multithreading-Routinen beispielsweise müssen zusätzlich erstellt werden. Trotzdem bietet sich auf diese Art ein gangbarer Umstiegspfad mit vertretbarem Aufwand. Carbon wird in die Clientversion von MacOS X integriert werden und ausserdem Bestandteil des auf den Herbst erwarteten MacOS-Release Sonata für Desktop-Systeme sein.
Das war Mac-Anwender bisher fremd:
Moderne Systeme stürzen nicht ab, wenn sich eine Anwendung aufhängt, das Benutzerinterface bleibt immer ansprechbar, auch wenn im Hintergrund mehrere Programme arbeiten, Anwendungen starten blitzschnell und die Benutzer erledigen verschiedene Dinge gleichzeitig. Das MacOS basierte in den Gründzügen immer noch auf dem Original von 1984, und stiess mit seinenm emuliertem 680x0-Code an Geschwindigkeits- und Ausbaugrenzen. Mit MacOS X kommt jetzt ein vollständig neues System für den Macintosh.
Die wichtigste Eigenschaften:
- Protected Memory. Damit bleiben bei einem Softwareabsturz das System und die andern Programme unberührt. Das System meldet nur: «Diese Anwendung wurde geschlossen, Sie sollten sie neu starten».
- Preemtives Multitasking. Zwar konnte bereits früher mehr als ein Programm gleichzeitig geöffnet werden, doch solange eines an der Arbeit war, mussten alle anderen auf den Prozessor-Zugriff warten. Nun konntrolliert die CPU diese Zuteilung und lässt keine Applikation verhungern.
- Multithreaded Finder. Der Finder kann mehrere Dinge gleichzeitig erledigen, etwa ein Fenster verschieben, während darin ein Movie weiterläuft.
- Multiprocessing auf Systemebene. Eine Anwendung muss nicht mehr umgeschrieben werden, damit die Aufgaben auf verschiedene Prozessoren verteilt werden können.
- Kernel auf der Basis von Mach 2.5 und BSD 4.4. Der Kernel regelt auf der untersten Ebene des Systems den Netzwerkzugriff oder die In- und Outputprozesse.