Spekulationen um Microsofts Corel-Anteile

Mit dem Verkauf seiner Anteile wäre Microsoft mit einem Schlag die Verdächtigungen los, den finanzschwachen Konkurrenten unter Kontrolle zu halten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/04

     

Die Meldung, dass Microsofts Anteile an Corel in an der Börse handelbare Stammaktien umgewandelt werden sollen, führte unter Marktbeobachtern zu einigen Spekulationen. Microsoft hatte im Oktober letzten Jahres dem kanadischen Softwarehersteller mit 135 Mio. Dollar unter die Arme gegriffen. Die beiden Unternehmen sagten damals, dass sie gemeinsam Produkte für .Net entwickeln wollten. Insbesondere sollten Wordperfect und Corel Draw .Net-fähig gemacht werden. Weitherum wurde aber vermutet, dass das MS-Engagement bei Corel Teil einer Strategie sei, .Net Linux-fähig zu machen.
Corell verfügte über eine eigene Linux-Distribution und arbeitete an Linux-Versionen seiner Produkte. Anderseits stehen Wordperfect und die Office Suite von Corel in direkter Konkurrenz zu Microsoft Office. Ohne Zweifel war Microsoft wegen der Antitrust-Verfahren daran interessiert, Konkurrenten im Markt zu halten. Doch sowohl die US- wie die kanadischen Behörden wurden hellhörig. Mit dem Verkauf seiner Anteile wäre Microsoft mit einem Schlag die Verdächtigungen los, den finanzschwachen Konkurrenten unter Kontrolle zu halten.
Die Umwandlung der Aktien ist allerdings nur ein erster Schritt in Richtung Verkauf. Es steht Microsoft nach wie vor frei, sämtliche Anteile zu verkaufen, nur einen Teil davon oder gar keine. Im Moment wäre der Verkauf kein sehr gutes Geschäft. Das Aktienpaket ist gerade noch 61,5 Mio. Dollar wert, also rund die Hälfte dessen, was Microsoft im Herbst investiert hatte. «Die Umwandlung bedeutet gar nichts», meinte denn auch Microsoft-Sprecher Jim Dessler, «sie sagt nichts darüber aus, ob wir verkaufen oder nicht.» Das Ganze sei zwischen Microsoft und Corel abgesprochen und hänge einzig mit dem gegenwärtigen Aktienkurs zusammen. Nach der Umwandlung könnten die Aktien jederzeit sinken oder zulegen. Was denn auch kurzfristig der Fall war.
Obwohl Corel seit kurzem seinen Schwerpunkt von Linux auf seine Grafikprodukte verlagert hat, glaubt Dan Kuznetsky, Vice President of Systems Software Research bei IDC, dass Microsoft seine Anteile nicht so schnell verkaufen werde, da noch immer genügend handfeste Interessen an den Kanadiern bestünden. «Sie werden verkaufen, wenn ihr Interesse an Corel erlischt. Doch das», meinte Kuznetsky, «wird erst der Fall sein, wenn .Net Linux-fähig ist.» (fis)


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