Corel geht «Back To The Roots»

Rein in Linux – raus aus Linux. Corel hat’s nicht leicht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/03

     

Am 23. Januar hat der angeschlagene kanadische Software-Hersteller Corel bekannt gegeben, wie er sich aus dem Sumpf zu ziehen gedenkt. Offensichtlich wie seinerzeit Baron Münchhausen am eigenen Zopf: Man wolle «die bestehenden Beziehungen zu Kunden vertiefen und gleichzeitig neue Kunden in sich entwickelnden Märkten gewinnen» lautet die Botschaft.
Die Linux-Distribution soll ausgelagert werden. Corel sucht dafür einen Käufer. Konkretes ist bisher noch nicht bekannt. Sicher ist nur, dass Corel die Linuxversionen von Coreldraw und Wordperfect weiterentwickeln will.

Auf ins Web!

Mit «sich entwickelnden Märkten» meint Corel vor allem das Web, wo man eine zunehmende Nachfrage nach visueller Kommunikation ausgemacht hat. Corel will sich daher auf seine Kreativ-Software konzentrieren und die Kunden dazu bewegen, auf die Version 10 der Grafiksuite Coreldraw umzusteigen, von der auch eine Macintosh-Version angeboten werden soll.
Zudem sind neue Versionen von Knockout, Painter und KPT vorgesehen. Corel will aber auch neue Anwendungen entwickeln, die sich in erster Linie an jene richten, die für das Web arbeiten.
Ganz einfach dürfte das Unterfangen nicht werden, hat sich doch Hauptkonkurrent Adobe im umkämpften Grafikmarkt nicht nur auf der Macintosh-Plattform gut etabliert.
Dennoch gab sich Derek J. Burney, seit sechs Monaten Präsident und CEO von Corel, gegenüber unserer Schwesterzeitschrift «Infoweek» optimistisch: «Wir werden in neue Technologien investieren und dadurch die Konkurrenz hinter uns lassen.» Genaueres mochte er allerdings doch nicht sagen, da Corel dabei sei, neue Technologien zu übernehmen: «Wenn ich darüber sprechen würde, könnten uns andere Firmen zuvorkommen.»
Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen die Grafik-Anwendungen von Corel auf Microsofts .Net transponiert werden. Der genaue Zeitpunkt, wo .Net-Versionen verfügbar sein werden, so Burney, hänge davon ab, wann Microsoft .Net auf den Markt bringt.

Flaggschiff ausschliesslich in Englisch

Corel will seine Position aber auch in Marksegmenten stärken, wo Wordperfect, das Flaggschiff der Kanadier, «heute noch eine grosse Rolle spielt». Dabei denkt man an professionelle Anwender, die komplexe und umfangreiche Dokumente zu bearbeiten haben. Wohl nicht zuletzt wegen des sanften Drucks einer im letzten Oktober ausgehandelten Finanzspritze von Microsoft wird Wordperfect mit Microsoft Office (Marktanteil um die 90 Prozent) kompatibel werden.
Mit günstigen Optionen für langjährige Kunden will Corel die Produktbindung zu Wordperfect stärken. Burney voller Gottvertrauen: «Es gibt Millionen von Wordperfect-Anwendern, die innerhalb der letzten fünf Jahre kein Upgrade gemacht haben. Die Kraft des Internets wird diese Leute dazu zwingen, die Hardware und das Betriebssystem zu erneuern. Dann werden sie auch den Upgrade auf Wordperfect 10 oder 11 machen.»
Davon werden allerdings nur englischsprachige Anwender profitieren, denn, so Burney: «Wir haben bei der Analyse unserer Zahlen feststellen müssen, dass die internationalen Versionen von Wordperfect nicht erfolgreich waren. Darum werden wir diese nicht weiterführen. Im deutschen Sprachraum wird nur die internationale englische Version erhältlich sein.» Doch er sieht das durchaus positiv: «Alle Mitarbeiter, die sich bisher um die deutsche Version von Wordperfect kümmerten, werden sich nun hundertprozentig auf die Grafik-Anwendungen konzentrieren können.»

Drei Säulen-Strategie


Laut Burney steht Corels neue Strategie auf drei Säulen: Dynamische Technik, enger Kontakt zum Kunden und ein diszipliniertes Finanzmanagement. Vor allem letzteres scheint nach dem letzten Geschäftsjahr dringend notwendig. In den nächsten drei Jahren rechnet Burney mit einem Wachstum von 20 Prozent. Bereits im dritten Quartal 2001 will er wieder schwarze Zahlen schreiben. Die Börse scheint davon allerdings noch nicht so recht überzeugt: Nach der Ankündigung fiel der Kurs der Corel-Aktie am Nasdaq um annähernd 15 Prozent. (fis)


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