Comparex gibt nicht auf
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Comparex gibt nicht auf

Comparex Schweiz zeigt sich nach dem Massenexodus kämpferisch und will den Betrieb mit Hilfe von Partnern sicherstellen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2010/07

     

Er ist wütend. Sehr sogar. Comparex-Schweiz-Verwaltungsratspräsident Klaus Elsbacher bezeichnete das Abwerben von 180 Mitarbeitern durch das ehemalige Comparex-Schweiz-Management als «grobes Schweizer Foul» sowie «feigen und hinterhältigen Angriff». Die Schweizer Geschäftsleitung habe ihre Funktion missbraucht, um geheime Firmendaten und 180 Mitarbeiter abzuwerben, so Elsbacher, und spricht damit den Eklat Mitte April an, als das gesamte Comparex-Management, inklusive CEO Oliver Schalch, gekündigt hat und sämtlichen rund 200 Mitarbeitern im Rahmen einer internen Versammlung ein vorgefertigtes Kündigungsschreiben sowie einen neuen Arbeitsvertrag mit denselben Anstellungsbedingungen bei Bison Schweiz unterbreitet hat.

Schaden in Millionenhöhe

Der als Ersatz für den ehemaligen CEO Schalch einberufene Interims-Chef Peter Jung ist überzeugt, dass man die Mitarbeiter durch eine «herbeigeführte Angstmache-Situation» zur Kündigung und zum Wechsel zu Bison gebracht habe. Es handle sich um einen «einmaligen Anschlag auf das Firmenvermögen durch die Firmenleitung», so Jung. Dadurch sei Comparex Schweiz ein Schaden im hohen zweistelligen Millionenbereich entstanden. Deshalb hat Jung Strafanzeige gegen die verantwortlichen Manager eingereicht. Und VR-Präsident Els­bacher betont: «Wir werden den Rechtsweg bis zur letzten Konsequenz, einschliesslich Zivilklagen, beschreiten.» Man lasse sich die Entwendung der Schweizer Tochtergesellschaft nicht bieten. Auch das Obergericht und die Staatsanwaltschaft Luzern ermitteln wegen eines Offizialdeliktes, konkret den Verstoss gegen Treu und Glauben. Wann hierbei ein Urteil zu erwarten ist, weiss man bei Comparex nicht und hat zudem einen Antrag für vorsorgliche Massnahmen gestellt. Der ehemalige Comparex-Schweiz-Chef Schalch sowie Bison-Chef Rudolf Fehlmann selber mussten bis zum 24. Juni eine Stellungnahme einreichen. Nun erwartet man innerhalb von rund zwei Wochen einen Entscheid.
Weiter begünstigt werde der «Kampf gegen den Innerschweizer Filz» – wie es in einer Pressemitteilung heisst – zudem durch die Tatsache, dass die Bison-Gruppe zwar über die Mitarbeiter, nicht aber über die Rechte an der Software und die Kunden verfüge. Allerdings betont Elsbacher, dass Bison bereits aktiv versucht habe, Kunden abzuwerben, wie er von einem solchen direkt erfahren habe. Dagegen spricht die Aussage von Bison-Chef Fehlmann, der im Interview mit «DV-Dialog» betonte: «Ich bin niemals aktiv auf einen einzigen Comparex-Kunden zugegangen, das wäre vor dem Hintergrund des Wettbewerb­gesetzes sehr heikel.»

Standhaft bleiben

Comparex werde sich nicht, wie vom Gegenspieler wahrscheinlich erhofft, aus dem Schweizer Markt zurückziehen. «Wir werden unsere Geschäftstätigkeit in einem ersten Schritt verteidigen und in einem zweiten Schritt ausbauen», so Elsbacher. Als ers­te Massnahme hat Comparex Schweiz das Management ausgetauscht, erklärt Interims-CEO Jung die Strategie des Unternehmens. Neu amten Peter Nikisch als COO, Stephan Koch als Technical Director, Andreas Moser als Sales Director und Roland Kamitz als CFO.
Zudem habe man Kontakt mit den Kunden aufgenommen. Diese haben laut Jung «durchwegs Unterstützung signalisiert». Keiner der Grosskunden habe bislang eine Kündigung eingereicht, auch die Bison-Mutter Fenaco – eine der grösseren Comparex-Kunden – nicht. Auch hat sich Comparex Partner gesucht, um den Betrieb in der Schweiz sicherzustellen. Unterstützung erhalten Comparex Schweiz sowie die Kunden künftig durch den ISP Everyware, den IT-Dienstleister Uniqservice, den Systemintegrator Umb.networker, den IT-Lösungsanbieter Nexgen und das Systemhaus 3fpro.

Gründe für die Kündigungswelle

Danach gefragt, wieso denn fast alle Mitarbeiter auf einen Schlag gekündigt haben, nennt Nikisch Gründe, die er selber im Gespräch mit den Angestellten erfahren haben will. So wurde zum einen die neu eingeführte Zeitrapport-Software als zu aufwendig bezeichnet und zum anderen hätten Entlassungen beim Mutterkonzern PC-Ware in Deutschland zu Verunsicherungen geführt. Das neue Comparex-Schweiz-Management ist aber überzeugt, dass auf die Mitarbeiter ein enormer Druck ausgeübt worden sei. Bison-Chef Fehlmann wehrt sich indes gegen die Vorwürfe, dass man Mitarbeiter verunsichert, verängstigt oder gar zur Kündigung gezwungen habe. Man habe ihnen lediglich angeboten, bei Bison zu arbeiten. Vom Ansturm sei er selber überrascht worden, habe er doch mit 20 bis 30 Personen gerechnet. Auch wisse er nicht, was ihm konkret vorgeworfen wird: «Ich habe ja nichts gestohlen.»
Comparex hat den Angestellten derweil nun bis Ende Juni die Möglichkeit gegeben, ihre Kündigungen zurückzuziehen. Bis Mitte Juni hätten zehn Mitarbeiter von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Und: «Wir erwarten noch etliche mehr», so Elsbacher. Zudem betont der Verwaltungsratspräsident, dass es keinerlei Auseinandersetzungen oder Hinweise auf Unzufriedenheit gegeben habe. Er geht denn auch davon aus, dass Bison – das noch immer 30 Prozent an Comparex hält – seine aus langer Hand geplante Hidden-Agenda umgesetzt habe. Und Jung ergänzt: «Wir hatten nicht die Möglichkeit, zu erkennen, dass etwas nicht stimmt. Und wir haben einem unfähigen Management zu lange zugeschaut.» Bison-Chef Fehlmann betont indes, dass er die Geschehnisse nicht von langer Hand geplant habe.

Lokale Führung soll bleiben

Trotz der Enttäuschung über die ehemalige Geschäftsführung soll die Länderniederlassung weiterhin durch lokale Leute geführt werden. Allerdings werde man mehr mit den Mitarbeitern direkt sprechen, so Jung. Aktuell ist Comparex Schweiz auf der Suche nach Mitarbeitern. Rund 50 Bewerbungen liegen bislang vor, bis Ende Juni will man 25 bis 30 Neueinstellungen tätigen. In sechs bis acht Monaten will Comparex wieder rund 100 Mitarbeiter beschäftigen. Zudem sucht man einen neuen Chef, als Nachfolger von Interims-CEO Jung. Allerdings scheint man bei der Suche noch eine gewisse Zurückhaltung walten zu lassen. Die Verunsicherung sei bereits zu gross, erklärt Jung.


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