Vertriebsflash: Verkaufsnomaden


Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2010/06

     

«Jetzt gehen Sie schnell aufs Klo, tätigen die Spülung und kommen dann wieder zurück», so frotzelte neulich der Verkaufsleiter einer IT-Firma, als ich diesen im Zusammenhang mit einer Referenzauskunft nach dem Urteil seines ehemaligen Schützlings befragen wollte. Was den Vorgesetzten in Rage brachte, war die Tatsache, dass der betreffende Mitarbeiter die Firma nach nur zehn Monaten bereits wieder verliess, da ihm von der Konkurrenz ein finanziell besseres Angebot gemacht wurde. Doch dort hielt er es dann auch nicht lange aus. Und soeben hat ebendieser Verkäufer seine fünfte Stelle in weniger als vier Jahren angetreten. Wer nun glaubt, dieses Beispiel sei eine Ausnahme, der irrt sich. In vielen Unternehmen gehören Verkäufer mit zweijähriger Firmenzugehörigkeit bereits zum alten Eisen. Natürlich wäre es unfair, diesen Umstand den Vertrieblern allein in die Schuhe zu schieben. Mit unrealistischen Umsatzvorgaben, mangelnder interner Kommunikation oder einer schwachen Führung tragen Firmen einen wesentlichen Teil dazu bei, wenn sich das Job-Karussell immer schneller dreht. Wird einem Angestellten in einer solchen Situation dann ein Stellenangebot gemacht, so wird die eigene momentane Befindlichkeit oft über die Loyalität gestellt, und man bricht die Zelte überstürzt ab. Nicht wenige dieser Verkaufsnomaden müssen dann allerdings schon nach wenigen Monaten feststellen, dass im neuen Job alles genau gleich und manchmal sogar noch viel schlimmer ist.
Emotionalität ist im Vertrieb wichtig. Sei es, um ein Produkt überzeugend zu verkaufen oder langfristige Kundenbeziehungen eingehen zu können. Bei der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit einem Stellenwechsel kann
diese Emotionalität mitunter aber gefährlich sein, weil dadurch der eigene Verstand getrübt wird. Und darum darf nicht nur das gute Bauchgefühl allein den Ausschlag für eine Jobzusage geben. Fragen wie beispielsweise jene nach der Mitarbeiterfluk­tuation der letzten zwölf Monate mögen zwar nicht sehr sexy klingen, doch sie helfen, sich ein ganzheitlicheres Bild von der Firma zu machen. Wer auf solche harten Fragen keine oder eine nur sehr unbefriedigende Antwort erhält, dem empfehle ich dringend, seinen Entscheid, die Stelle zu wechseln, wenn möglich nochmals ernsthaft zu überdenken. Denn manchmal liegt das Glück auch vor der eigenen Haustür. Gerade in Phasen von Unsicherheit und internen Umstrukturierungen ergeben sich nämlich für jene, die den Bettel nicht vorschnell hin­schmeissen, oftmals interessante Möglichkeiten, indem sie sich beispielsweise die besten Accounts aus dem Kundenportfolio der Ex-Kollegen heraus-
pflücken können. Es ist kein Geheimnis, dass jeder Stellenwechsel immer mit einem Restrisiko verbunden ist. Entsprechend seriös muss ein solcher Schritt darum auch überlegt und durchdacht werden. Den Grund für viele Jobwechsel den ehemaligen Arbeitgebern in die Schuhe zu schieben, mag zwar das eigene Ego befriedigen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass man sich damit auf lange Sicht selber am meisten schadet. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass Firmen solche Mitarbeiter bevorzugen, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie es länger als ein Jahr beim gleichen Arbeitgeber aushalten können.

Markus Schefer

Markus Schefer ist selbständiger Personal- und Unternehmensberater und Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel für das Fach «Verkauf». markus@scheferpersonal.ch


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Vor wem mussten die sieben Geisslein aufpassen?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER