Der grüne «Governator» soll die Cebit retten

Schlechte Nachrichten kommen derzeit aus Hannover. Die IT-Messe Cebit ist massiv geschrumpft. Mit Kalifornien ist erstmals kein souveräner Staat als Gastland eingeladen. Arnold Schwarzenegger wird zur Eröffnung erwartet.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/04

     

Die Cebit ist noch immer die grösste IT-Messe der Welt. Noch immer, weil die meisten Konkurrenzveranstaltungen im Gleichschritt mitschrumpfen. Im Jahr 2007 zählten die Organisatoren aus Hannover noch knapp 6200 Aussteller, 2008 waren es in etwa 5800 und in diesem Jahr kommt es ganz dicke: Die Veranstalter müssen ein Minus von 1500 Ausstellern hinnehmen. Gerade noch 4300 Unternehmen wagen sich auf das Messegelände in Hannover, und trotzdem wird Messe-Chef Ernst Raue nicht müde, den Flopp als Erfolg verkaufen zu wollen: «Angesichts der tiefgreifenden Krise der Weltwirtschaft sind wir mit diesem Ergebnis zufrieden.» Er verweist ausserdem darauf, dass 300 zuletzt abwesende Firmen zurückgekehrt seien und 200 Aussteller zum ersten Mal nach Hannover kommen. Dennoch: Die Messe ist ausstellerseitig auf das Niveau von 1990 zurückgefallen.

Es sind gewichtige Namen, die der Cebit in diesem Jahr den Rücken kehren. Samsung zum Beispiel. In der Vergangenheit mit einem Stand der Grösse eines Mehrfamilienhauses vertreten, bleibt der Riese aus Korea Hannover in diesem Jahr fern. Das Wegbleiben Samsungs zeigt ein weiteres Problem auf, unter dem breit aufgestellte Messen wie die Cebit leiden: Spezialisierte Messen wie die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, die Internationale Funkausstellung in Berlin oder der Mobile World Congress in Barcelona graben ihnen das Wasser ab. An ihnen will Samsung denn auch festhalten. Durch Samsungs Absage fällt in diesem Jahr auch die europäische Version der World Cyber Games ins Wasser, deren Hauptsponsor Samsung ist (siehe Seite 18).


Wie die Koreaner verzichten auch der krisengeschüttelte Konzern Toshiba auf einen eigenen Cebit-Stand, genauso wie Siemens und Novell sowie die Druckerhersteller Kyocera, Canon, Epson und Lexmark. Diese waren früher direkt beim Haupteingang der Messe in Halle 1 angesiedelt. Seit die Halle aus baulichen Gründen nicht mehr genutzt werden darf, ist ihre Motivation deutlich zurückgegangen. Klar sprechen die Verantwortlichen lieber über diejenigen, die zurückkehren oder gar zum ersten Mal kommen: Dell, Nokia Siemens Networks, Intershop und Hitachi beispielsweise oder der taiwanische Handy-Hersteller HTC.

Mal wieder die Krise

Immerhin konnte die Besucherzahl im vergangenen Jahr um 15'000 auf 495'000 gesteigert werden. Diesen kurzfristigen Aufwärtstrend wird die Messe in diesem Jahr wohl nicht fortführen können. «Kleiner, ernster, weniger bunt: Die Cebit verändert ihr Gesicht», titelt passenderweise die «Fuldaer Zeitung». Fragt sich, wie klein, ernst und farblos eine IT-Messe werden darf. Es ist das altbekannte Dilemma: Die Aussteller wollen kein lästiges Turnschuhpublikum, die Messen werden auf Geschäftsbesucher getrimmt, die Besucherzahl sinkt, die Aussteller mokieren sich über die mangelnde Aufmerksamkeit.


Immerhin können die Organisatoren den Austeller- und Besucherschwund in diesem Jahr mit der Wirtschaftskrise entschuldigen. «Sie können sich vorstellen, dass die momentane konjunkturelle Weltsituation nicht die Zeit für eine Rekordmesse ist», wird Cebit-Sprecher Hartwig von Sass in vielen deutschen Blättern zitiert - für den Rückgang 2008 gab die Deutsche Messe AG dem schwachen Dollar die Schuld. Erst im September letzten Jahres rechnete man für 2009 noch mit einer Steigerung auf 6000 Aussteller. Klar, dass viele Unternehmen ihre Marketingbudgets angesichts der aktuellen Situation zurückschrauben. Trotzdem lässt sich die anhaltende Schwindsucht bei grossen Messen nicht einfach wegdiskutieren. Fast schon verzweifelt wirken da die Apelle von Ernst Raue: «Eine gute Cebit kann in der derzeitigen weltweiten Stimmung einen wichtigen konjunkturellen Impuls aussenden. Die Cebit 2009 ist wichtiger denn je.» Irgendwie passt es da, dass in diesem Jahr der vom Pleitegeier bedrohte Bundesstaat Kalifornien als Gastland eingeladen wurde.

Schlagwortkreationen

Um Gegenkurs zu geben, bewirbt die Messeleitung die Cebit auch in diesem Jahr mit alten und neuen Schlagworten. So wurde das «Green IT Village» vom vergangenen Jahr in eine «Green IT World» mit einer Ausstellungsfläche von rund 2000 Quadratmetern verwandelt und soll 2009 einen zentralen Punkt in der Messeagenda einnehmen. Dort sind beispielsweise IBM, Sun Microsystems und Fujitsu Siemens Computers vertreten. Mittels «Green IT Guide» sollen die Besucher besser auf das Thema aufmerksam gemacht werden.

Etwas merkwürdig angesichts dieser Bemühungen mutet lediglich die Tatsache an, dass die grüne IT-Welt ganz am Rand des Messegeländes, beim Ostausgang in der Halle 8, angesiedelt wurde. Schuld daran dürften nicht zuletzt die gefallenen Energiepreise sein, die den Leidensdruck der Firmen in Sachen Energiesparen etwas gemindert und den Umweltschutz damit nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft vom obersten Platz der Agenda vertrieben haben. Immerhin eröffnet passend zum Thema der grünliche «Governator» von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Cebit. Dank dem «Green-Team» der Politik wird die Eröffnungsfeier derjenigen des Vorjahres in Sachen Glamour in nichts nachstehen. Damals war der französische Präsident Nicolas Sarkozy der Star des Abends.


Wie fast kein zweites zeigt das zweite Schlagwort die Kreativität von Marketing-Profis bei der Schaffung neuer Begriffe auf: «Webciety» zu Deutsch Netzgesellschaft. Von einer «zweiten Internetrevolution» sprechen die Verantwortlichen und meinen eigentlich die normale Evolution der Technik. Intelligente Webdienste, soziale Netzwerke, offene Plattform-Standards und Entertainment-Angebote auf Abruf, kurz: Die immer tiefergehende Verbreitung von Online-Angeboten und -Diens­ten werden hier angesprochen. Vom Schlagwort abgesehen, dürften die Cebit-Macher mit «Webciety» tatsächlich den Nerv der Zeit getroffen haben, denn mit Begriffen wie «Software as a Service», «Cloud Computing», «E-Learning», «E-Healthcare», «E-Government», «E-Commerce» und «Unified Communication» versammelt der Begriff zahlreiche weitere IT-Schlagworte unter einem Dach. Nicht wirklich neu zwar, doch immerhin aktuell. Raue: «Speziell in Halle 6 zeigt die Cebit, wie sich die Welt zusehends zu einer Netzgesellschaft - zur Webciety - entwickelt.» Rund 20 Jahre nach den ersten Gedanken zum World Wide Web, sei die Netzgesellschaft Realität geworden.

Um das Internet in der Ausstellung erlebbar zu machen, können die Anbieter für rund 10'000 Euro sogenannte Homebases mieten. Dabei handelt es sich um «begehbare Homepages».Auf den Ausstellungswänden können mit Licht und Ton Präsentationen gezeigt werden. Auch Installationen aus Lichtstreifen, Led-Screens und Logoflächen gehören dazu. Zu den weiteren Hauptthemen gehören Enter­prise Mobility, E-Health und der Dauerbrenner Sicherheit.

Illustre Referenten

Parallel zur Ausstellung finden wie immer vom 3. bis 6. März die «Cebit Global Conferences» statt. Das Thema Webciety zieht sich auch hier durch das Programm, kommt insbesondere aber am letzten Konferenztag zum Tragen, wenn sich alles um Web 2.0, Communities, Portale, Bildung, Datenschutz und Online Marketing dreht. Der erste Tag dreht sich um IT und die Gesellschaft oder wie IT die Welt verändert. Am zweiten Tag steht mobile Kommunikation und Entertainment auf dem Programm, am dritten Themen wie Green-IT, Saas, Soa und Sicherheit. Die Referentenschar kann sich auch 2009 sehen lassen: Da wären beispielsweise der neue SAP-Chef Léo Apotheker, Kevin Turner, COO von Microsoft, oder Som Mittal, Präsident des indischen Branchenverbandes Nasscom. (Markus Gross)


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