Netzwerke erobern bald das Heim

Die Netzwerkgeschäfte mit Privatanwendern laufen für Komponenten-Distis momentan am besten im WLAN-, Powerline- und NAS-Homeserver-Bereich. Andere Lösungen scheitern derzeit noch an ihrer Komplexität und Fehlerrate.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/21

     

Die Netzwerktechnik erobert in Riesenschritten immer mehr den privaten Anwendungsbereich. Weltweit wurde seit 2004 ein Zuwachs von 400 Prozent bei Heimnetzwerken und Breitbandanschlüssen verzeichnet. Für die nächsten fünf Jahre prognostizieren die Marktforscher eine Verdopplung des Umsatzes von Home-Control-Hard- und Software-Produkten auf über sechs Milliarden Dollar. IT- und CE-Player wollen im zukunftsträchtigen Markt vernetzter Heime mitmischen. Bei der Aufrüstung der guten Stube ergeben sich neue Absatzchancen sowohl für Hersteller, Distis und Fachhändler, aber auch für Systemhäuser, die sich der Konzeption und Einrichtung moderner Heimnetze annehmen könnten. Wie steht es momentan mit den Geschäften rund ums Heimnetzwerk? Welche Produkte sind die Renner, wo liegt das grösste Potential und welche Technologien sind in Zukunft zu erwarten? IT Reseller hat sich bei Komponenten-Distributoren umgehört.

Heimnetzwerk wird Standard

«Heute ist ein kleines Heimnetzwerk schon fast Standard», sagt Patrick Meier, Product Manager Netzwerktechnik bei Rotronic, gegenüber IT Reseller. Durch den Internet-, Kabel- oder ADSL-Anschluss werde mit Wireless oder über Powerline ein LAN (Local Area Network) aufgebaut. Der netzwerkfähige Drucker und ein NAS (Network Attached Storage) können dann von allen PCs im Haus genutzt werden. «Mit Digital-Entertainer-Systemen können die gespeicherten Film- und Musik-Dateien über das Netzwerk auf dem Fernseher oder auf der Musikanlage wiedergegeben werden», so Meier. «Besitzt man bereits ein Handy mit WLAN-Funktion, kann man zu Hause via Skype gratis auch mit anderen Skype-Anwendern kommunizieren.» Bei Rotronic laufen die Geschäfte derzeit am besten im Wireless-LAN-Bereich, wobei aufgrund des günstigen Preises immer noch viel 54-Mbit-IEEE-802.11g-Artikel gekauft werden, wie Meier ausführt. «Mit sinkenden Preisen im Wireless-N-802.11n-(Draft)-Bereich sind diese Umsatzzahlen stark zunehmend. Auch ADSL- und VDSL-Modems werden gut verkauft.» Für Alltron ist die Sparte Netzwerkprodukte generell sehr wichtig. «Wir versuchen vom einfachen Netzwerkkabel bis zum komplexen Full-managed-Switch alles anzubieten», sagt Alain Knaff, Head of Purchasing Department bei Alltron. Ganz generell laufen im WLAN-Breich simple USB-Wireless-Adapter, gefolgt von simpelsten Wireless-Routern am besten, so Knaff. «Auch die ganzen Powerline-Produkte - Netzwerk über Stromnetz - laufen sehr gut, da der User hier eine Plug and Play-Komplettlösung von einem einzelnen Anbieter bekommt und keine grosse Treiberprobleme zu lösen hat», erklärt Knaff. Die Inbetriebnahme eines kompletten DSL-Anschlusses mit integriertem verschlüsseltem Wireless-Netzwerk hingegen könne einem ungeübten User ohne entsprechende Unterstützung schnell Kopfschmerzen bereiten. «Die zum Teil noch immer unbefriedigende Situation bezüglich Treiber- und Hardwarekompatibilität mit Windows Vista trägt das ihre dazu bei.»

Schwerer Stand für Mediacenter

Mediacenter haben aufgrund ihrer Vielfältigkeit (Stereoanlage/Videorecorder/TV-Empfänger/Surfstation/Home-PC) einen schweren Stand, wie Knaff von Alltron bestätigt. «Sie sind leider störanfällig und zu komplex für Enduser», sagt er. Vor allem der Nutzen als TV-Ersatz sei kritisch, da der User hier keine langen Aufstartzeiten oder Pausen beim Programmwechsel oder gar Abstürze akzeptieren will: «Stellen Sie sich mal ein EM-Endrundenspiel vor, bei dem das Mediacenter während dem Penalty­schiessen der Schweizer Mannschaft abstürzt!»
Im Bereich von NAS und NAS-Home­servern, also Netzwerkspeichern von denen aus Multimediacontent gestreamt werden kann, schaut es hingegen sehr erfreulich aus, da die ­Geräte einfacher sind und die TV-­Applikation wegfällt. Im Bereich VoIP halten sich simple Lösungen für End­kunden und komplexe Lösungen für Firmenkunden umsatzmässig etwa die Waage, sagt Knaff. «Sehr gut laufen Produkte, die dem Kunden erlauben, bestehende Telefongeräte in neue VoIP-An­lagen einzubinden. Auch WLAN-­Handys sind stark im Kommen, hier vor allem SIP-Geräte, da SIP bei den Providern die grössere Auswahl erlaubt als Skype.

Das grösste Potential

Höhere Datendurchsätze und Reichweiten bei den Wireless-Produkten ermöglichen verbesserte Qualität und Zuverlässigkeit bei der Übertragungen von Multi­mediadateien. «Da hier sicherlich noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgereizt sind, werden zukünftige Gerätegenerationen mit erhöhter Leistungsfähigkeit wohl immer ihre Kundschaft finden», meint Knaff. Bei Speicher­lösungen (NAS) verhalte es sich ähnlich: Solange Multimediadaten ­(Foto/Video/Musik) immer höher aufgelöst gespeichert werden und damit hohe Datenmengen erzeugen, wird mehr Speicher benötigt. «Ein NAS bietet derzeit die einfachste und bequemste Möglichkeit, grosse Datenmengen mehreren Nutzern zu Verfügung zu stellen. Somit gehe ich auch hier von weiterem Wachstum aus», so Knaff.

Wo haperts?

«Vor allem beim Abspielen von Musik und Filmdateien merkt man ein Abreissen der Datenübertragung», sagt Patrick Meier. Es ist heute schwer abzuschätzen, ob Wireless-LAN oder Powerline nicht durch äussere Störeinflüsse beeinträchtigt werden. Generell sei aber eine Datenübertragung über Powerline weniger anfällig, meint Meier. «Ein Wireless LAN kann durch das Wireless der umliegenden Nachbarn und durch fest installierte Hotspots gestört werden.»
«Komplexe Produkte verlangen nach kompetenter Beratung. Selbst ausführliche schriftliche Funktionserklärungen können oft nicht aufzeigen, welche Lösung für den Endkunden nun die beste ist», so Knaff von Alltron. «Je leistungsfähiger ein Produkt ist, desto mehr Aufwand verlangt es vom User bei der Grundkonfigura­tion. «Ein All-in-one-Gerät mit DSL-Router, VoIP-Anschluss, Wireless Accesspoint usw. ist einfach nicht out-of-the-box zu betreiben. Das zusätzliche Wirrwarr aus technischen Begriffen, Angli­zismen und Abkürzungen trägt zusätzlich zur Verwirrung der User bei.»

Zukunftsmusik

Meier von Rotronic sieht ganz klar im Wireless-Bereich das grösste ­Potential. «Wireless ist heute nicht mehr wegz denken.» In Zukunft kann man die Bilder seiner Digitalkamera oder vom Handy direkt auf dem Fernseher wiedergeben. «Bei Freunden zu Hause wird einfach der MP3-­Player mit dem Wireless des Gast­gebers bekanntgemacht und diesem gleich die neuesten Songs vorgespielt», sagt Meier.
Höhere Datendurchsätze werden, unter anderem, vermehrt hochqualitativen TV/Video- und Radioempfang und bessere Telefonie über Internet und Netzwerk ermöglichen. «Dasselbe gilt natürlich auch für denmobilen Datenzugang. Steigen hier die Datendurchsätze bei gleichzeitig tieferen Tarifen, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, beispielsweise für Internet-, Computer- und Telefonienutzung im Auto», sagt Knaff. Falls gleichzeitig auch die Uploadraten gesteigert werden können, würden wohl unzählige Live-TV-Stationen entstehen, ähnlich wie es jetzt schon beim Internet­radio der Fall ist, und natürlich auch Bild­telefon usw. angeboten werden. «Ich denke, immer mehr Kommunikationsnetze werden zusammengelegt; das heisst, es wird wohl irgendwann ein einziges Netzt geben, auf dem gleichzeitig ferngesehen, telefoniert und gesurft wird. Das gibt es ja eigentlich schon heute. In Zukunft aber eben auch für die viel breitere Masse.» (sk)


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