Doppelte Herausforderung für Polizei

Am Schweizer Polizei-Informatik-Kongress in Dübendorf zeigte sich, dass die IT die Polizei gleich doppelt fordert: zum einen bei der Verbrechensbekämpfung, zum anderen mit jeder Menge immer neuer Formen der Cyberkriminalität.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/20

     

Der gut besuchte Schweizer Polizei-Informatik-Kongress in Dübendorf hat gezeigt, dass die Cyberkriminalität zurzeit eine Herausforderung für die Polizei darstellt. Bei der «normalen» Verbrechensbekämpfung dagegen hat sich die IT bereits als Hilfsmittel eingebürgert. Die Systeme reichen von der Einsatzplanung über Fahndungssysteme, die Fahrzeugnummern mit einem Scanner erfassen und mit den Fahndungslisten abgleichen, bis zu Datenbanken für Tatort-Aufnahmen. Bei der Koordination zwischen den einzelnen Korps hapert es jedoch bedenklich.

Modern, doch kaum kompatibel

Die Polizei kennt den Nutzen elektronischer Hilfsmittel. Doch während die Uniformpolizisten in den Strassen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, bleibt die IT für den Bürger unsichtbar. Entsprechend schwierig ist es, die finanziellen Mittel dafür zu bekommen. Hinzu kommt, wie der Präsident der Polizeikommandanten-Konferenz und Kommandant der Kantonspolizei Luzern, Beat Hensler, bemerkt, die Abneigung der Öffentlichkeit gegen übertriebene Über­wachung. Dies alles machte ihn in den letzten Jahren vom Saulus zum Paulus. Er ist heute überzeugt, dass Entwicklung und Beschaffung von Informatiksystemen bei der Polizei Chefsache sein müssen. Doch am Kongress wurde deutlich, dass die von den einzelnen Korps eingesetzten Systeme untereinander nur beschränkt kompatibel sind. Ständerat Bruno Frick (Bild) sprach angesichts dieser Situation von der Schweiz als einem polizeitechnischen Entwicklungsland.

Zögerliche Koordination

Als Vorstandsmitglied der Asut und Mitinitiant der parlamentarischen Gruppe E-Power befasst sich der Schwyzer CVP-Ständerat seit Jahren mit IT-Problemen. In Dübendorf zitierte er einen noch unter Ruth Metzler erstellten Bericht, der bereits 2001 auf Doppelspurigkeiten und das Fehlen kompatibler Informatiksysteme hinwies. Daran, so Frick, habe sich seither wenig geändert. Das Gesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes liege erst im Entwurf vor und über einen nationalen Polizei­index habe das Parlament noch nicht beraten. Von der Realisation einer gesicherten Plattform für die polizeiliche Kommunikation und Zusammenarbeit ist man laut Frick noch weit entfernt, und es sei unwahrscheinlich, dass das Sicherheitsfunknetz Polycom für die Euro 08 schweizweit eingesetzt werden könne. Da der föderalistische Aufbau der Polizei nicht zu ändern ist, sehen manche, insbesondere unter den Anbietern, die Lösung in einer übergreifenden Service-orientierten Architektur, die Informationen aus den Kantonen als Service zur Verfügung stellt. Voraussetzung wäre allerdings ein allseits anerkanntes Gremium, das die SOA definiert und Pflege und Einhaltung der Standards sicherstellt.

Cyberkriminalität

Was die Cyberkriminalität betrifft, steht die Pädophilie im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Doch Angriffsziele sind auch Staaten, Unternehmen und Private, deren Kredit­kartendaten geklaut werden. Laut ­Rechenschaftsbericht der Koordina­tionsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität wurden 2006 über 600 Fälle zur Strafverfolgung weitergeleitet. Eine neue Untersuchung des deutschen Sicherheitsexperten G Data belegt, dass Cybercrime sich zu einer eigentlichen Industrie entwickelt hat, die entsprechende Dienstleistungen anbietet und sich damit eine goldene Nase verdient. E-Mail-Adressen gelten dabei als Massenware, Kreditkartennummern sind billig zu haben. Höchstpreise erzielen dagegen Exploits und darauf aufbauende, speziell für Spionageangriffe auf bestimmte Organisationen angefertigte Trojaner.

Schwarzer-Peter-Spiele

Gewalttätig, so Frick, werden nur noch die dümmeren Kriminellen. Im Cyberspace lässt sich nicht nur mehr Geld machen, auch die Chance, geschnappt zu werden, ist deutlich kleiner. Schuld daran sind wie meist die Finanzen. Beim Bund befassen sich derzeit 20 Personen mit Hacker-Aktivitäten. Die Fachleute halten kurz­fristig eine Verdoppelung für unumgänglich. In den Kantonen fehlt das Geld ebenfalls. Urs Zöbeli, Präsident der Fachgruppe Informatik der schweizerischen polizeitechnischen Kommission, beklagt, dass er nur über die Herausforderungen informieren, aber niemanden zwingen kann, an gemeinsamen Projekten teilzunehmen. Bundesrat Blocher seinerseits hat, wie Frick ausführt, wegen fehlender Bundesmittel die Kantone zum Handeln aufgefordert. Doch den Polizeikommandanten könne man ­ihre Zurückhaltung nicht verübeln, solange die Situation gesamtschweizerisch nicht geklärt sei. Frick: «Sie bleiben im Ungewissen, wie es weiter geht, und würden bei einem Vorprellen nur Mittel aus ihrem Globalbudget binden, die für andere Aufgaben ebenfalls benötigt werden.» So dreht sich die Cybercrime-Bekämpfung im Kreis. Laut Frick ist es an Bundesrat Blocher, endlich zu handeln und die ­Ermit­tlungskompetenzen zu regeln. Notfalls sei ein Konkordat der Kantone nötig, denn die Experten seien sich einig, dass Cybercrime-Ermittlungen zumindest in der ersten Phase zentral geführt werden müssen. Bei den Polizisten und Industrievertretern am Kongress rannte er damit offene Türen ein. (fis)


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