Bescheidenheit als Spiegel der Zeit

Obwohl die anhaltend gute Wirtschaftslage auch der IT-Branche wieder zu Schwung verhalf, spiegelt sich die positive Entwicklung nicht wie zu früheren Zeiten in pompösen Messeauftritten wider. Wer an die Orbit-iEX geht, tut dies mit Bedacht und zelebriert auch gern die durch schrumpfende Marketingbudgets auferlegte neue Bescheidenheit.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/08

     

Schon seltsam: Man liest und hört von allen Seiten, dass die Auftragsbücher voll seien und man sich vor Arbeit kaum retten könne. Und trotzdem konnte die Orbit-iEX seit dem Zusammenschluss nicht wachsen. Die magische Zahl von 500 Ausstellern wird auch dieses Jahr nicht überschritten werden, gibt doch die Messeleitung drei Wochen vor Messebeginn einen Stand von 480 Firmen an, die selbst oder als Partnerfirmen von Ausstellern vom 22. bis 25. Mai in den Messe Zürich präsent sein werden.
2007 konnte dementsprechend der Veranstalter auch die gesamte Ausstellungsfläche nicht vergrössern. «Die sechs Messehallen sind ungefähr gleich gefüllt wie letztes Jahr», sagt Giancarlo Palmisani, Messeleiter Orbit-iEX, zu IT Reseller.

Das liebe Geld

Diese Stagnation dürfte zwei Gründe haben. Erstens die grossen Aussteller, die früher zahlreicher und mit viel Brimborium ihren Auftritt an Messen genossen, um sich den Besuchern (egal ob Fachmann oder Privatfrau) im besten Licht zu präsentieren. Zweitens liegt es daran, dass bereits in den letzten Jahren die durchschnittlichen Standflächen auch auf Messen wie der Systems oder der Cebit kontinuierlich geschrumpft sind. Eine Tendenz in die andere Richtung ist jedenfalls nicht sichtbar. Bescheidenheit sei eine Tugend, sagt man, doch diese Bescheidenheit ist wohl nichts anderes als ein Ausdruck der sinkenden Druchschnittspreise, insbesondere im Hardware-Bereich.
So sind denn, dies mag nun verwundern oder auch nicht, die Hardware-Hersteller noch weniger vertreten als letztes Jahr, als sich in den Hallen bei den Peripherie- und Rechnerherstellern das Publikum auf allen Ständen auf den Füssen herumstand und die anwesenden Berater kaum eine freie Minute hatten. Aber was nützen einem Hersteller viele Besucher auf einem Stand? Mit den mickrigen Margen lassen sich heute nur noch kleine Brötchen backen.

Marketingbuchhaltung

Dem wachsenden Spardruck dürften wohl auch die Orbit-iEX-Auftritte von Epson und Toshiba zum Opfer gefallen sein, die beide letztes Jahr noch in Zürich ausstellten, sich dieses Jahr aber gegen eine Präsenz an der Messe entschieden haben. In eine PR-taugliche Sprache übersetzt klingt das zum Beispiel folgendermassen: «Wir haben uns dieses Jahr gegen einen eigenen Auftritt an der Orbit-iEX entschieden, sind aber auf den Ständen verschiedener Partnern vertreten. Wir möchten unsere Zielgruppen verstärkt auf Events und Hausveranstaltungen treffen, um sie noch fokussierter ansprechen zu können», sagt Hardy Nitsche, Branch Office Manager der Epson-Niederlassung Schweiz in Dietlikon, zu IT Reseller. Nitsche weist darauf hin, dass Epson nächstens im aargauischen Baden eine Veranstaltung durchführe, an der die neuesten Projektoren vorgestellt werden.
Gut und schön, aber sind das nicht alles Kinkerlitzchen? Ist es tatsächlich preisgünstiger und effektiver, von einem Provinznest ins nächste zu tingeln? Gut möglich, denn wer sich nur zum Teil an auf Europa- oder DACH-Ebene organisierten Anlässen beteiligen muss, kommt unter Umständen budgetmässig besser weg, als mit einem lokalen Messeauftritt, der aus der Kasse der eigenen Niederlassung direkt berappt werden muss.
Auch Toshiba gehört zu den Hardwareherstellern, die letztes Jahr noch mit einem Stand vertreten waren und heuer mit Abwesenheit glänzen. Auch hier dürfte der knappe Geldbeutel dem Entscheid Pate gestanden sein. Levent Kaygusuz, seit kurzem Country Manager bei Toshiba, die mit dem Weggang von Jeffrey Willis in die Europaebene in der Schweiz immerhin ein ansehnliches Management-Gehalt spart, bläst in dasselbe Horn wie Kollege Nietsche: «Toshiba beschränkt dieses Jahr die Messepräsenz auf die grösste IT-Messe, die Cebit. In der Schweiz fokussieren wir die Marketinganstrengungen neben gezielten Aktivitäten mit Retailern und Distributoren im Eventbereich vor allem auf Roadshows, um lokal unsere Kunden und Partner zu erreichen.»

Der Grösste fehlt auf der Grössten

Solche auferlegte Zurückhaltung und «Fokussierung» bei kleineren Organisationen mögen nachvollziehbar sein, denn je kleiner der Umsatz, desto geringer die Freiheit in Gelddingen. Dass aber ein Branchenführer wie HP zum wiederholten Male nicht auf der grössten IT-Messe vertreten ist, erstaunt doch. Die früheren Verantwortlichen der Orbit mögen mit ihrem Hochmut und der für altgediente Kader oft buchstäblichen Blindheit für die sich im Niedergang befindlichen, einst erfolgreichen Firmen zur Unzeit Fehler begangen haben, weshalb einige der ganz grossen Aussteller der Orbit auf einmal den Rücken kehrten. Doch lässt sich angesichts der durch die Fusion der beiden Leitmessen Orbit und Internet Expo gegebene Neuverteilung der Verantwortung HPs Zurückhaltung für eine Präsenz an der Messe von aussen betrachtet nur noch mit unverarbeiteten Ressentiments erklären, denn dem seit zwei Jahren neuen Team um Messeleiter Giancarlo Palmisani und seinem Verkaufsprofi Markus Stotz kann man mit Sicherheit nicht die bei der Basler Orbit-Organisation so viel bemängelte fehlende Kundenfreundlichkeit nachsagen.
Immerhin sagt Beat Welte, Head of Public Affairs bei Hewlett-Packard, zu IT Reseller, man erachte bei HP Schweiz die Orbit-iEX als wichtige Plattform für die Branche. «Wir betrachten die Entwicklung der Messe genau und schliessen nicht aus, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt wieder mit einem eigenen Stand präsent sein werden», so Welte. HP konzentriert sich aber vorläufig wie bereits in der kürzlichen Vergangenheit auf die von Microsoft ins Leben gerufene Hausmesse Xdays, die vom 25. bis 26. September in Interlaken stattfindet.
Die Show macht HP also heuer einmal mehr in der Provinz und wird im Schweizer Wirtschaftszentrum Zürich lediglich indirekt an verschiedenen Partnerständen vertreten sein.

Wenn die Software nicht wär

Doch IT besteht zum guten Glück nicht bloss aus Hardware. Und so sind denn auch dieses Jahr wieder auffällig viele Softwarefirmen an der Messe vertreten, die mit ihren Lösungen noch Marge machen und erkannt haben, dass ein Messeauftritt im überschaubaren Rahmen deutlich weniger kostet als ein paar Inserate in einer Tageszeitung, darüber hinaus aber sicher mehr Beachtung findet und das Geld dafür viel zielgruppeneffektiver eingesetzt ist.
Sicher, es gibt auch in der Softwarebranche Firmen, die ihre Marketingpläne in der Vergangenheit geändert haben. So sagt zum Beispiel Peter Heinz, Geschäftsführer Schweizer Niederlassung von Wilken: «Auf der Orbit waren wir bis 2004 regelmäsig. Sie hatte aber nicht den gewünschten Nutzen. Es war mehr ein Branchentreff, bei dem sich die Aussteller gegenseitig besucht haben, denn eine Messe, auf der mit neuen Interessenten Business generiert wurde.» Das liege auch dar­an, dass die Messe zu breit aufgestellt sei, sagt Heinz. «Gute Geschäfte machen wir auf Messen, die branchen- oder themenfokussiert sind.»

SAP gibt sich bodenständig

Von einem Messeauftritt ist jedenfalls auch dieses Jahr Hansueli Kuster, Marketingleiter bei SAP, überzeugt, der mit 320 Quadratmetern einen ähnlich grossen Stand bestellt hat wie letztes Jahr. «Wir stellen Lösungen und Konzepte im Mittelpunkt, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Schweizer Unternehmen aus dem KMU-Umfeld ausgerichtet sind», sagt Kuster. SAP, die selbst keine eigenen Lösungen zeigt, sondern ausschliesslich vertikale auf SAP entwickelte Anwendungen der Partner den Vortritt gibt, signalisiert mit einem «in schlichter Holzbauweise» gestalteten Ausstellungskonzept die Nähe zum Mittelstand und will damit ausdrücken, dass ERP-­Systeme, die von Grossfirmen eingesetzt werden, nicht a priori komplex und teuer sein müssen.
Um die Distanz zu Gewerbe, mittelständischer Industrie und Handel beschleunigt zu verringern, hält Kuster ein Werkzeug namens «SAP All-in-One Configurator» bereit. Inter­essenten können an der Orbit-iEX auf Knopfdruck Elemente ihrer Wunschlösung zusammenstellen und erfahren gleichzeitig, was die komplette Einführung kosten soll.

Erfolg ist möglich

Mit seiner Investition an der letzten Orbit-iEX war offenbar auch Netviewer-Geschäftsführer Andreas Moser erfolgreich. «Für uns ist die Orbit-iEX eine ideale Plattform, um Bekannheit zu schaffen, Marktanteile und neue Kunden zu gewinnen. Wir haben Kontakt zu Ausstellern und können neue und bestehende Kunden motivieren, uns am Stand zu besuchen.» Die Orbit-iEX sei bis anhin die erfolgreichste Messe für Netviewer Schweiz gewesen, sagt Moser zu IT Reseller.
Und Urs Bucher, Sales & Marketing Manager beim Webdienstleister ­Namics, meint: «Die Orbit-iEX als Kombination der Ausstellung und der Konferenz ist für Namics eine optimale Möglichkeit, mit einem Messeauftritt und Referaten unser Wissen sowohl in der Breite als auch in der Tiefe Kunden und Interessenten zu zeigen. Aus diesem Grund sind wir auch dieses Jahr trotz des sehr hohen finanziellen und personellen Aufwands wieder dabei.» (mh)


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