Lockende Pfründe für Integratoren

Open-Source-Software und Linux sind im Geschäftsalltag salonfähig geworden. Seit Novell auf der Open-Source-Schiene fährt, mit klarem Migrationspfad für Netware, spüren die Systemintegratoren auf Kundenseite viel Interesse.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/16

     

Mit Open-Source-Software lässt sich hierzulande zusehends gutes Geld verdienen. Dieser Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man mit IT-Dienstleistern spricht, die in diesem Bereich tätig sind. Neben jenen Anbietern, die ausschliesslich auf quelloffene Software setzen und diese Haltung beinahe mit religiösem Eifer verfechten, gibt es immer mehr auch solche, die einen pragmatischen Ansatz verfolgen. Festzustellen ist beispielsweise, dass es Novell gelingt, seine Partner hinter den eigenen Linux-Plänen zu scharen.
«Open oder Closed Source man muss letztlich schauen, was besser passt», bringt Guido Markowitsch, CEO des IT-Dienstleisters WMC IT Solutions, seine Strategie auf den Punkt. Sein Unternehmen ist dabei, einen durchgängigen betriebswirtschaftlichen Linux-Stack auf die Beine zu stellen, auf den bei Kundenprojekten zurückgegriffen werden kann.

Nachholbedarf in der Schweiz

Markowitsch ist der Meinung, dass die Schweiz in puncto Open Source im Vergleich mit Deutschland beispielsweise hinterherhinke. Über die letzten Monate habe sich jedoch der Markt spürbar belebt.
Früher war WMC im Infrastrukturbereich mit Novell tätig und hat sich später nach und nach als Lösungsanbieter positioniert. Lösungen bezeichnet Markowitsch heute als Kerngeschäft von WMC. Machte das Geschäft mit Linux und Open-Source-Software im Jahr 2004 bei WMC etwa 10 Prozent aus, waren es 2005 bereits 20 Prozent. Im laufenden Jahr soll der Anteil gar auf 50 Prozent steigen, führt Markowitsch im Gespräch mit IT Reseller aus.
Allerdings hat WMC sich vorher zu früh zuviel vom Open-Source-Geschäft versprochen. Im letzten Jahr habe man eine Offensive in der Schulung geplant und bald merken müssen, dass der Markt noch nicht reif war, erzählt Markowitsch.
Das hat sich nun offenbar komplett geändert. Grosse Nachfrage bei Open-Source-Produkten herrscht nicht nur in Infrastrukturbereichen wie Fileserver und Messaging, sondern auch bei Portalsoftware und Content-Management-Systemen. Bei kleineren Firmen, die dabei sind, Sun-Infrastrukturen abzulösen, stellt Markowitsch grundsätzlich grosses Interesse an Linux fest. Überzeugend auf die Kunden wirke dabei nicht in erster Linie die Tatsache, dass keine Lizenzkosten anfallen. Die Leistungsfähigkeit stehe beim Entscheid eher im Vordergrund.

Überall Follower und Leader

Ähnliche Einschätzungen sind von Comicro zu vernehmen. Seit Novell einen klaren Migrationspfad von Netware in Richtung Linux aufgezeigt habe, spüre man grosses Interesse auf Kundenseite, erzählt Geschäftsleiter Thomas Götti im Gespräch mit IT Reseller. Jene Firmen, die heute noch eine alte Netware-Plattform im Einsatz haben, prüfen nun gemäss Götti den Umstieg in die Open-Source-Welt. «Wir haben in diesem Jahr bereits über zehn Fileserver-Projekte mit Open Source realisiert», sagt Götti.
Die Kunden springen aber nicht einfach so auf Open-Source-Software an, es werden immer auch Alternativen geprüft. Ein wichtiger Faktor ist gemäss Götti jeweils, wie viele Umsysteme von einer Migration tangiert werden. Bei Unternehmen mit Net­ware im Einsatz ist auf den Desktops in der Regel auch der Netware-Client installiert. Bei der Migration auf Novell Open Enterprise Server mit Suse Linux Kernel ist auf der Client-Seite keine Anpassung notwendig, was das Budget schont. Die Lizenzkosten seien nicht der entscheidende Faktor bei Projekten. Vielmehr stelle sich die Frage, was bei einer Migration sonst noch alles angepasst werden müsse. Branchen, bei denen quasi eine Open-Source-Affinität vorherrscht, macht Götti hingegen keine aus. «In jeder Branche gibt es Follower und Leader», so der Comicro-Mann.
Götti ist der Meinung, dass das Geschäft mit Open Source für die in diesem Bereich tätigen IT-Dienstleister dieselben Herausforderungen beinhaltet wie in der übrigen Branche. «Das Dienstleistungsgeschäft für Informatikinfrastruktur ist in einer Konsolidierung. Es gibt ein Überangebot, und deshalb müssen die Anbieter sich durch gute Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis profilieren», so Götti.

Wenn Desktop, dann Thin Client

Keine Debatte über Linux und Open-Source-Software, ohne dass der Desktop ins Spiel kommt. Hier scheint sich an den Zuständen nicht so schnell etwas zu ändern: Dass es Linux und OSS auf dem Desktop im Geschäftsumfeld weiterhin schwer haben wird, darüber besteht Einigkeit. Eine Ausnahme sind hier Auftraggeber der öffentlichen Hand, wie etwa das Bundesgericht mit der Umstellung auf Open Office beweist. Für privatwirtschaftlich geführte Unternehmen kommt eine solche Umstellung kaum in Frage, wenn Microsoft Office bereits einmal eingeführt wurde.
Eine Ausnahme sind Thin Clients: Weil das Client-Betriebssystem in solchen Server-zentrierten Umgebungen sekundär ist, gebe es Potential, sagt Claude Hoffmann, Geschäftsführer des Open-Source-Dienstleisters Blue Saturn. Er stellt auf Kundenseite jendenfalls «ein gewisses Interesse» fest. Und so schleicht sich der Pinguin am Schluss doch noch auf den Desktop.


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