Headhunter: Von Kopfjägern und anderen Dschungelbewohnern

Headhunter haben nicht überall einen guten Ruf. Denn manchmal verkommt der Umgang mit Executive- Search-Leuten zum Trauerspiel. Es gilt den Nutzen von Headhuntern zu kennen und sie richtig einzuschätzen.

Artikel erschienen in IT Reseller 2000/03

   

Vielleicht kennen Sie diesen Moment. Ein Kundentermin steht an, der Presales Consultant liefert Ihnen die letzten Details. Das Telefon läutet. Ruhe. Ein Sekundenbruchteil vergeht. «Müller». Am anderen Ende meldet sich ein Headhunter.
Es gibt Hartgesottene, die über eingehende Headhunter-Erfahrung zu berichten wissen. Andere verfügen erst über ein bescheidenes Register – und es gibt solche, die noch nie einen Anruf gekriegt haben und alles daran setzen, auch in die Gunst der Kopfjäger zu geraten.

Aura von Vorstadtbahnhöfen

Falsch verwendet kann die – an sich effektive – Executive-Search-Funktion in Wachstumsmärkten zu einem bitteren Schauspiel verkommen, in der Leute in Viermonatszyklen von A nach B und dann weiter über C nach D verfrachtet werden. Einem Unternehmen wird in diesem Spiel dann oftmals die Aura von Vorstadtbahnhöfen aufgezwängt, in denen ein kurzer Aufenthalt auf der Fahrt nach Irgendwo zur Karrierefarce verkommt.
In ausgetrockneten Märkten kommt es hin und wieder zu bizarren Erscheinungen. Es gibt unter den Kandidaten Job-Hopper mit kurzfristig galoppierenden Salären, Glücksritter und Bewerbungstouristen, während oberflächliche Versprechen, fehlende innere Anreize, mangelnder Fokus und falsche Planung unternehmensseitig vorkommen können.
In jedem Gewässer mag es trübe Bereiche geben. Es gilt, diese zu umschiffen und die richtigen Seiten zu verbinden. Dabei geht es nicht um Kopfjagd als ein Abenteuer der besonderen Art, sondern um das gezielte und vor allem nachhaltige Zusammenführen von integren Parteien im ständigen Wechselspiel der Marktkräfte.

Wie profitiert ein Unternehmen?

Die Aufgaben eines Headhunters gehen über das Finden und Vermitteln der richtigen Person hinaus. Wird die Executive-Search-Firma in die Unternehmenstrategie und Personalplanung näher eingebunden, kann sie Zusatznutzen schaffen.
Oftmals sind Kandidaten nicht oder falsch über eine Unternehmung und den damit verbundenen Möglichkeiten informiert. In einer partnerschaftlichen und offenen Zusammenarbeit mit der Unternehmung kann die Executive-Search-Firma nebst der Auswahl, Ansprache und Vorselektion auch als konstruktiver Sparringpartner bei der detaillierten Ziel- und Aufgabendefinition sowie bei Personalentwicklungs- und Honorierungsfragen mitwirken und so auf brachliegende Potentiale oder verborgene Problemfelder hinweisen. Im After-Sales Bereich unterstützt der Headhunter die Vertragspartner bei allfälligen Problemen oder Ungereimtheiten in der Anfangszeit. Aus der täglichen Marktnähe kann auf zusätzliche Chancen und Gefahren aufmerksam gemacht werden.
Im Vermittlungsprozess muss immer dafür gesorgt werden, dass beide Parteien ihre Integrität wahren können, auch wenn der Wechsel nicht zustande kommen sollte. Alle Schritte setzen ernsthaftes Vertrauen, Transparenz und Lauterkeit von allen Beteiligten voraus. Als wichtiger Aspekt gilt nebst einer strategischen Einbindung des Headhunters auch eine offene Kommunikation und ein aktiver Informationsfluss zwischen den Parteien.

Wie profitiert der Kandidat?

Aus der engen Zusammenarbeit mit dem Kunden hat die Executive-Search-Firma einen genauen Einblick über die Entscheidungsträger, das Umfeld und die Geschäftsausrichtung einer Unternehmung. Dadurch eröffnet sich dem Kandidaten eine wertvolle Basis für die Entscheidungsfindung und die Vorbereitung auf die folgenden Gespräche. Der Headhunter kann auf Chancen und allfällige Gefahren hinweisen, begleitende Verhandlungs- und Präsentationsvorschläge anbringen, kritisch hinterfragen sowie auf blinde Flecken und verborgene Potentiale hinweisen. Insofern agiert der Headhunter auch für den Kandidaten als Sparringpartner in der persönlichen Karriereentwicklung.
Weil er den Markt kennt, kann der Headhunter zu einer langfristigen, pragmatischen Karriereplanung hinführen und das Skill-Set des Kanditaten auf kommende Anforderungen in führenden Unternehmungen optimieren helfen. Dabei öffnet er den Blick auch in neue Märkte, Produkte und Unternehmungen und spiegelt die Kultur und das Selbstverständnis potentieller Arbeitgeber.
Die erschwerte Kommunikation zwischen Unternehmung und Kandidat wird durch den beratenden und vermittelnden Headhunter katalysiert. Er koordiniert und kanalisiert die korrespondierenden Kräfte, einem Lotsen gleich, der nach bestem Wissen und Gewissen die Dampfer durch Untiefen und Klippen in einen prosperierenden Hafen geleitet.

Der Headhunter auf dem Prüfstein

Pflegt er ein enges Kontaktnetz im anvisierten Segment?
Hat er eine Branchenspezialisierung?
Kennt er die konkreten Marktverhältnisse und Trends?
Versteht er die konkrete Problemstellung bzw. das Businessmodell?
Klärt er die Bedürfnisse von Firma und Kandidat ganzheitlich ab?
Betont und verfolgt er eine neutrale und vertrauensvolle Position?
Welche Wertvorstellungen liegen ihm in seiner Arbeit zugrunde?
Verfügt er über ausreichend Ausbildung, Erfahrung und Erfolge?
Nehmen Sie Diskretion, Vertrauen und Professionalität wahr?
Erkennt er die Ausgangslage, die zugrundeliegenden Chancen und die konkreten Ziele?
Spricht er kritische Punkte offen und konstruktiv an?
Kann er konkrete Optionen und Lösungsvorschläge bieten?
Bietet er der Unternehmung Garantiefristen in seinen Geschäftsbedingungen?
Aus welchen Gründen hat er Erfolge und Misserfolge erzielt?

Klären Sie Ihren persönlichen Aktionsradius:

Welche sind meine kurz- und längerfristigen beruflichen und persönlichen Ziele? Von welcher Idealvorstellung träume ich?
Wie beurteilt sich mein finanzieller Anspruch ? Wie stark ist meine Risikoneigung?
Wieviel Mobilität kann ich kontinuierlich einbringen?
Wie setzt sich mein Ausbildungshintergrund- und Bedarf in Hinblick auf meine Ziele zusammen?
Welche Erfahrung, erzielten Erfolge und persönliche Kontaktbasis bringe ich mit?
Welches sind Themengebiete und Aufgabenstellungen, die mich inspirien?
Bin ich mir klar bewusst über meine persönlichen Stärken und Schwächen und kenne ich den resultierenden Nutzen bzw. Handlungsbedarf?
Wie gehe ich um mit Konfikten, Stress, Verantwortung, Misserfolgen, Veränderungen und Mehrdeutigkeiten?
Wie schätze ich meine sozialen Fähigkeiten und Ansprüche ein?
Wieviel Freiraum, Struktur und Sicherheit brauche ich – wieviel Einsatz, Können und Bereitschaft bringe ich mit ?
Der Autor: Roland Köcher, lic.oec.HSG, ist Senior Consultant bei der Goldwyn Partners Group AG für die nationale und internationale Suche von Fach- und Führungskräften im IT- & Telecombereich. rkoecher@goldwynpartners.com


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