IT-Outsourcing wird erwachsen

Der Schweizer Markt für IT-Outsourcing wächst konstant, zeigt Reife und sogar erste Anzeichen von Sättigung. Neben den Kosten spielen in den Ausschreibungen heute vor allem eine gute Governance, Flexibilität und die Innovationsfähigkeit des Anbieters die entscheidende Rolle.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/18

     

Der Markt für Outsourcing wächst in der Schweiz unverändert stark: So rechnet IDC für das Jahr 2005 mit einem Wachstum im Enterprise- und Top-KMU-Umfeld von 4 Prozent, für 2006 werden gar 7 Prozent vorausgesagt. Noch optimistischer wird der Markt von MSM beurteilt, die 6 Prozent für das aktuelle Jahr annimmt und sogar eine Zunahme von 9 Prozent für das Folgejahr prognostiziert. Diese rosigen Ansichten teilen – mit einigen kleinen Divergenzen in den Details – auch die grossen in der Schweiz tätigen Outsourcing-Anbieter: «Der Schweizer IT-Outsourcing-Markt befindet sich nach wie vor in einer Wachstumsphase, die je nach Branche unterschiedlich stark ist. Vor allem im Finanz- und Versicherungsumfeld stellen wir eine zunehmende Tendenz zur Öffnung für Outsourcing-Ansätze fest», sagt Michael Berchtold, Director Managed Services von HP Schweiz. Die hierzulande abgeschlossenen Deals seien zwar nicht vergleichbar mit den grossen internationalen Abschlüssen in diesem Markt, meint Heinz Többen, Head of Unit Outsourcing Services bei Swisscom IT Services, dennoch zeige der hiesige Markt ein deutliches Wachstum. «Unsere Kunden sprechen uns in diesem Jahr wieder vermehrt mit ganz konkreten Projekten an», sagt auch Roland Bieri, Chief Commercial Officer bei T-Systems Schweiz. Etwas vorsichtiger beurteilt hingegen Jörg Henseleit, Geschäftsleitungsmitglied und verantwortlich für Infrastructure Services bei Unisys, die Situation: «In der Schweiz verhält sich der Markt eher zurückhaltend bei einem gleichzeitig sehr hohen Konkurrenzdruck.» Dies rühre daher, weil die Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bereits eine sehr hohe Outsourcing-Sättigung aufweise. International liessen sich deshalb bedeutend mehr Aktivitäten feststellen, so Henseleit. Die von Henseleit angesprochene Sättigung scheint in den Augen eines anderen Marktteilnehmers auch positive Nebenerscheinungen zu haben: «IT-Outsourcing wird immer reifer – und damit normaler», bilanziert Markus Gröninger, CEO von CSC Switzerland, die jüngste Entwicklung im Markt.

Viele abgeschlossene Deals

Die grossen Outsourcer vermelden für den Zeitraum der letzten zwölf Monate einige bemerkenswerte Vertragsabschlüsse oder Vertragsverlängerungen. Besonders hervorgetan hat sich – zumindest mit der Kommunikation von Outsourcing-Deals – Swisscom IT Services: Die Informatik-Tochter der Swisscom vermeldete mit Tamedia, Credit Suisse, verschiedenen Krankenkassen, den Esprit-Regionalbanken, Swiss und dem kürzlich erfolgten Zuschlag der SBB Abschlüsse, die branchenweit für hitzige Diskussionen sorgten. Nach Auskunft von Többen sind zudem mit Swisscom-Gruppengesellschaften und einigen Kantonalbanken Verträge verlängert worden. HP Schweiz meldet Neuabschlüsse mit DHL und Möbel Pfister. Unisys profitiert von einem globalen Desktop-Services-Projekt, das zusammen mit dem PC-Hersteller Dell bei der Grossbank UBS für 35’000 PC abgeschlossen wurde. Der Dienstleister will ausserdem in Kürze den Win eines Managed-Services-Vertrags bei einem grossen Schweizer Kanton kommunizieren. EDS nennt Sultex und Stürm als bedeutendste Schweizer Neukunden. Zudem habe EDS sämtliche Vertragserneuerungen – unter anderem mit Agie Charmilles – «trotz erbittertem Wettbewerb» erfolgreich bestanden. Als Neukunden meldet
T-Systems Schweiz die Graubündner Kantonalbank, Kuoni, Le Temps,
F. Hoffmann-La Roche und Charles Vögele. Bestehende Verträge wurden bei IGS, Amway, Agfa, Visana, Bosch, beim Inselspital Bern, den SBB, der Mobiliar und Clariant verlängert. Über mehr als 20 Abschlüsse mit einem Total Contract Value von 700 bis 800 Millionen Franken kann sich Werner Hoppler, Director Global Services bei IBM Schweiz, freuen. Darunter finden sich illustre Namen wie Nokia, Pfizer, Dow Chemicals, GE Capital, Novartis oder die Bank für internationalen Zahlungsausgleich. Relevant für die Schweiz ist laut Hoppler auch ein Full-Outsourcing-Deal mit der niederländischen Bank ABN Amro. Deren Private-Banking-Anwendung Olympique soll fortan in einem Rechenzentrum von IBM im Tessin betrieben werden. «Keine grossen Deals» hat dieses Jahr CSC-Chef Gröninger zu vermelden: «Als ein auf Europa und weltweit ausgerichteter Anbieter fokussieren wir unsere Aktivitäten primär auf grosse und globale Deals mit einem Volumen von mindestens 50 Millionen Franken pro Jahr. Ich konkurriere nicht gerne bei einem lokalen Geschäft gegen einen kleinen Anbieter. Das würde sich für uns nicht rechnen», sagt er zu IT Reseller.

Es geht um mehr als um die Kosten

Welche Faktoren sind es denn, die heute in den Ausschreibungen zum Projektgewinn verhelfen? Was verlangen die Kunden? Geht es immer noch mehrheitlich um die Kosten? In diesem Punkt gehen die meisten Anbieter einig: Die Kosten sind zwar eine notwendige Voraussetzung für den Gewinn des Deals, aber bei weitem nicht mehr die einzige. «Ausschlaggebend ist heute ein Netz aus Kosten, Flexibilität, Transformation, Governance und Komplexitätsreduktion», erklärt Gröninger. Bei T-Systems beobachtet Bieri eine zunehmende Nachfrage nach Angeboten im Bereich Dynamic Computing: «Mit diesem Modell bezahlen Kunden nur die effektiv bezogenen Leistungen. So werden die Informatikkosten transparent gemacht und in eine proportionale Beziehung zu den anstehenden Geschäftsvolumina gebracht. Das ist heutzutage wichtiger als reine Kosteneinsparungen», erzählt er. Ähnliche Einsichten auch bei EDS: «Wir beobachten immer wieder Fälle, in denen es um viel mehr geht als ums Geld: Messbare Qualität steht dort im Vordergrund. Zudem wollen Kunden Flexibilität dazugewinnen. Sie suchen Dienstleister, die eine technologische Plattform zur Verfügung stellen, auf der neue Geschäftsprozesse rasch und unkompliziert abbildbar sind», sagt Mediensprecher Mark Saxer. Neben einem professionellen Service verlangen die Kunden von Swisscom IT Services heute auch eine Variabilisierung der Dienste je nach Geschäftsentwicklung und gelebte Innovation: «Aufgrund dieser Kundenbedürfnisse gehen wir davon aus, dass künftig ein hohes Wachstum bei sogenannten Verticals wie etwa Krankenkassen erzielt wird», so Többen.
Für Hoppler sind für unterschiedliche Entscheidungsträger im Unternehmen auch unterschiedliche Faktoren relevant: «CEO und CFO hoffen, dass wir als Outsourcer ihnen helfen, die Probleme, die sie in ihrer Industrie haben, in den Griff zu bekommen. Den CIO interessiert dagegen eher, wo er sich differenzieren kann und wo die IT nur noch Commodity ist.» Es gehe beim Outsourcing heute also vereinfacht gesagt um den Fokus auf das Kerngeschäft, die Kosten sowie die Reduktion der Abhängigkeit von der eigenen IT-Abteilung: «Denn es wird für die Unternehmen wieder schwieriger, wirklich gute Informatiker im Markt zu finden», so Hoppler.

Immer höhere Erwartungen an die Anbieter

Natürlich sollen die Kosten sinken – doch inzwischen erwarten die Kunden noch viel mehr von ihren Outsourcing-Partnern: «Neben einem professionellen Service, kurzfristiger Lieferbereitschaft und Variabilisierung beobachten wir heute auch einen Innovationsanspruch», meint etwa Többen. Eine immer proaktivere Rolle des Anbieters nimmt auch Gröninger wahr: «Die Lernkurven sind auf Anbieter- und auf Kundenseite durchlaufen worden. Heute erwartet der Kunde primär, dass man die Zusammenarbeit individuell gestalten kann und dass der Anbieter proaktiv auf ihn zugeht, wenn er irgendwo Verbesserungspotential sieht.» Ähnliche Erwartungen hat Bieri auch bei den Kunden von T-Systems ausgemacht: «Man erwartet von uns, dass wir das Business des Kunden verstehen und innovative Lösungen bereitstellen, mit denen sich die internen Abläufe flexibler gestalten und Wettbewerbsvorteile erreichen lassen.» Immer mehr Branchenkenntnisse werden laut Berchtold von HP verlangt – und dies bemerkenswerterweise auch dann, wenn der Anbieter nur auf der Ebene der Infrastruktur anbieten soll. Eine zentrale Erwartung auf Kundenseite ist laut HP und IBM aber auch immer häufiger die Variabilisierung von Fixkosten – oder anders ausgedrückt die Umschichtung von fixen Kapitalkosten zu variablen operativen Kosten. Dies bringe eine höhere Transparenz mit sich, wodurch erst die Möglichkeit entstünde, verschiedene Abteilungen in gerechter Weise verteilt an den Kosten beteiligen zu können, meint Berchtold. Immer höhere Erwartungen würden die Kunden zudem an die Gewährleistung der Ausfallsicherheit stellen, beobachtet Hoppler: «Two-Center-Lösungen mit Automatic Fail Overs sind heute von strategischer Bedeutung.»

Vielfältige, gemeinsam getragene Risiken

Auch in einem gesättigten, reifen Markt gibt es noch eine Vielzahl von Risiken, die bei Outsourcing-Projekten beachtet werden müssen. Darin gehen alle Anbieter einig. «Schwierigkeiten entstehen dann, wenn der Kunde versucht, ungelöste interne Probleme durch ein Outsourcing von sich zu schieben. Es geht für den Dienstleister also darum, zu einer sauberen Lagebeurteilung beizutragen und eine Lösung einschliesslich klarer Aufgabenteilung und Service Levels vorzuschlagen», so Saxer. «Die simple Einhaltung von SLA (Service Level Agreements) ist inzwischen kein Thema mehr», urteilt Gröninger, «das grösste Risiko sehe ich im Aufsetzen und Leben einer guten Governance: Dass der Anbieter die Anforderungen des Kunden wirklich versteht und mit seiner Arbeit hilft, das Geschäft zu unterstützen.» In der kundenseitigen Governance sieht auch Henseleit die grösste Herausforderung: «Besonders Kunden, die zum ersten Mal outsourcen, haben meistens noch nicht die benötigten Management-Ressourcen und -Prozesse implementiert, um mit dem IT-Dienstleister effizient und effektiv zusammenarbeiten zu können.» Für Bieri bringt die vielbeschworene Flexibilität auch Nachteile für die Anbieter: «Dank flexibler Verträge sind die Kunden nicht mehr zwingend an ihren Anbieter gebunden. Das fordert uns jeden Tag aufs neue heraus, die Zufriedenheit zu steigern», sagt er.
Hoppler schliesslich diversifiziert die Projekt-Risiken in die zwei Phasen des Verkaufs und des Betriebs: «In der Verkaufsphase sind oft die Ist-Kosten nicht transparent oder es besteht das Risiko, dass der IT-Chef des Kunden den Outsourcer als Benchmarker gebraucht und sich so mit einer Offerte von IBM die Absolution gegenüber seinem Management einholt.» Die Motivation für das Outsourcing müsse zudem klar auf den Tisch gelegt und durch eine ökonomische Brille betrachtet werden, so Hoppler. Später im Betrieb «gewöhne» sich ein Kunde an den guten Service, vernachlässige das Service-Management oder es mangle an der Unterstützung in der heiklen Transitions- und Transformationsphase: «Es kann auch passieren, dass die ursprünglichen Sponsoren eines Outsourcings wegbefördert oder entlassen werden – womit die Stimmung im Unternehmen wieder umschlagen kann, wenn die Nachfolger das Outsourcing nicht unterstützen», so Hoppler weiter.

Zusammenspiel von Outsourcing und Systemintegration

Im letzten Jahr war zwar noch viel von selektivem Teil-Outsourcing die Rede, dennoch scheinen «All-in-One-Anbieter» heute besser aufgestellt denn je. Insbesondere das Zusammenspiel von Beratungs-, Outsourcing- und Systemintegrations-Dienstleistungen scheint im Markt-Trend zu liegen. In diesem Licht ist wohl auch die Übernahme des Finanz-Integrators Comit durch Swisscom IT Services zu sehen. «Das Zusammenspiel von Outsourcing und Systemintegration wird immer enger», meint etwa Gröninger, «entsprechend braucht ein erfolgreicher IT-Dienstleister Know-how in beiden Bereichen, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Bei einem Anbieter dient dies letztlich auch dazu, den Kanal zum Kunden zu besetzen: Wenn wir für jemanden die ganze Applikationsentwicklung machen, dann schauen unsere Leute schon, dass dort nicht noch irgendein anderer hingeht und ein Projekt macht», sagt er. Für Hoppler muss auch angemerkt werden, dass gar nicht jedes Outsourcing-Projekt mit Outsourcing als solchem beginnt: «Unsere Consultants reden vielleicht am Anfang mit dem Kunden über Automatisierung und Konsolidierung, verkaufen vielleicht auch Hardware, bevor dann an irgend einem Punkt ein Outsourcing – selektiv oder full – überhaupt erst zur Sprache kommt», sagt er. (bor)


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