Seitens der Schweizer Firmen werden immer grössere und anspruchsvollere Web-Auftritte projektiert und in etwa 35% der Fälle an so genannte Internet-Agenturen vergeben. Die Schweizer Wirtschaft hat 1999 über eine viertel Milliarde in Web-Dienstleistungen investiert, dies entspricht einer Steigerung von 70% gegenüber dem Vorjahr. Nach den Milleniumswirren wird der eigentliche Web-Boom in der Schweiz auf Frühjahr/Sommer 2000 erwartet, und ein Auftragsvolumen von einer halben Milliarde für das laufende Jahr ist realistisch. Etwa 200 Webdesign-Agenturen teilen sich diesen Kuchen.
Der Umsatz pro Mitarbeiter(in) liegt im Durchschnitt bei 172’000 Franken, die Wertschöpfung bei 141’000 Franken (Quelle: IWI). Der Frauenanteil liegt bei 22 Prozent. Im Management der Agenturen und im Verkaufsbereich sind dagegen fast aussliesslich Männer vertreten, da die Branche trotz allem als «EDV-Branche» funktioniert und gegen aussen hin auch so kommuniziert sein will. Die Altersgruppe fängt bei etwa 18 Jahren an und ist bei den Chefs grösserer Agenturen typischerweise 35-45. Etwa 20 Prozent der Agenturen beschäftigen Lehrlinge. Im Durchschnitt werden ca. 6,5% des Umsatzes für Werbung eingesetzt.
Die Agenturen leben meist nicht ausschliesslich vom Webdesign sondern betreiben nebenbei Schulung und sind mit eigenem Webserver als Hosting- oder Access-Provider tätig. Die Firmen verfolgen nebenbei ihre eigenen Projekte und bauen Web-Plattformen, Portale, Applikationen und Mainstream-Angebote auf, mit denen sie Werbeeinnahmen und zusätzliche Bekanntheit erzielen.
Gut bezahlte Grossprojekte
Die Preise gehen von wenigen tausend Franken für kleine (5-20 Seiten) Homepages bis über eine Million für Grossbanken, Grosskonzerne und Städteplattformen. Grossprojekte werden ähnlich einem Architekturwettbewerb gleichzeitig bei 3-10 Agenturen unterbreitet.
Preisangaben erfolgen entweder auf Anfrage, oder es werden Beispielpakete angegeben bzw. ein Stundensatz (Durchschnitt Fr. 150.– pro Stunde). Meist wird mit Anzahlungen von 30% gearbeitet. Vorkonzepte (Offerte) werden entweder als Alternativvorschläge erstellt und mit Screenshots illustriert oder gleich zur Ansicht auf das Web gestellt. Oft werden bei erfolgreicher Auftragserteilung die Offertenkosten von den Gesamtkosten wieder abgezogen.
Die grösseren Agenturen realisieren meistens umfangreichere Projekte – hunderte von Seiten mit integrierten Lösungen. Erst im direkten Preisvergleich mit solchen Grossprojekten wären die realen Preisniveaus ersichtlich, aber darüber wird nicht gerne Auskunft gegeben
Bei den Referenzen wird gerne etwas geschummelt. Viele geben zum Beispiel eine bekannte Grossbank an, bei welcher lediglich Teilarbeiten im Intranet oder in der Schulung gemacht wurden. Jede Firma bemüht sich, die begehrtesten Referenzen irgendwie auf die eigene Liste zu bringen. Viele Grossprojekte sind nur noch mit Expertenstaffeln von über 20 Web-Experten zu bewältigen, und die geforderten Zeiten zur Fertigstellung sinken ständig. Bei eigentlichen Grossprojekten sind oft bis zu drei Agenturen in abgegrenzten Arbeitsbereichen tätig, während eine davon als «Lead-Agentur» fungiert.
Über 200 Agenturen codieren und stylen das Schweizer Web
Die grösseren der Schweizer Agenturen sind typischerweise seit 4 Jahren aktiv, stark expandierend, in der Mehrzahl bereits als AG oder noch als GmbH tätig. Geographisch bestehen primäre Konzentrationen im Raum Basel-Bern, im Raum Zürich-Winterthur und in der Westschweiz, sekundär im Raum Aarau und St. Gallen. Die kleineren Agenturen haben etwa 7 Mitarbeiter, die grössere Kategorie etwa 20-60. Bei einigen der «Big Players» unter den Schweizer Internet-Agenturen sehen wir eine jährliche Vervierfachung von Umsatz und Personal. Die erfolgreichsten unter ihnen expandieren so bald als möglich international, d.h. sie bauen Zweigstellen in Deutschland und USA auf, um so der Kundschaft eine bessere Vernetzung zu bieten, wie dies im Rahmen der zunehmenden Globalisierung von Marketingkampagnen auch bei traditionellen Werbeagenturen der Fall ist.
Die grossen Multis kommen
Die ausländischen Agenturen liegen ihrerseits auf der Lauer, und beobachten den investitionsfreudigen Schweizer Markt aufmerksam. Nach den kürzlich erfolgten schweizerischen Markteintritten von «Super Agencies» wie der amerikanischen USWeb/CKS (weltweit 4‘000 Mitarbeiter) und der führenden deutschen Newmedia-Agentur Pixelpark (weltweit 400 Mitarbeiter) ist die Atmosphäre bei schweizerischen Branchenleadern gespannt. Es wird erwartet, dass ein Teil der schweizerischen Web-Grossprojekte von international tätigen, strategisch geschickt operierenden Agenturen übernommen wird.
Im neuen Jahr stehen weitere Fusionen und Übernahmen durch ausländische Agenturen und Medienunternehmen am Horizont. Momentan interessieren sich neben den grösseren amerikanischen Internet-Agenturen vor allem die börsenkotierten deutschen (Kabel New Media, ID-Gruppe) und nordischen (Icon Medialab, Framtidsfabriken) Internet-Dienstleister für den Schweizer Markt. Verschiedene Bestrebungen zur Bildung eines Dachverbandes (in Zusammenarbeit mit der SIMA) sind im Gange. Viele der rund 200 Schweizer Internet-Dienstleister werden nur durch strategische Zusammenschlüsse überleben können, um so die weltberühmte «Swiss Quality» auch auf dem Web zu verkaufen.
Intakte Chancen für Newcomer
Unter diesen Gegebenheiten bildet sich Webdesign in der Schweiz zu einem hart umkämpften Wachstumsmarkt zwischen Informatik, Werbung und Telekommunikation, welcher viele neue Jobs und Berufsbilder erzeugt. Die Möglichkeiten zur Selbständigkeit und Firmengründung in diesem Bereich sind intakt und vielversprechend, es wird jedoch einige Jahre dauern bis sich einheitliche Rahmenbedingungen und funktionierende Konkurrenzmechanismen gebildet haben.
Es bleibt spannend in den helvetischen «Webereien». (G. Lemmenmeier)
Der Autor Greg Lemmenmeier (www.greg.ch) ist Geschäftsführer der Internet-Agentur GL DESIGN in Zürich und ein typischer «Quereinsteiger» im Webdesign-Business. Nach einer Management-Karriere bei internationalen Brokerfirmen und Banken wechselte er nach 16 Jahren vom Chefhändler zum Internet-Entwickler und machte damit seine Leidenschaft zum Beruf. Greg arbeitet als selbständiger Entwickler und Projektberater im Web- Multimedia- und E-Commerce-Bereich. E-Mail: look@greg.ch