Intels Vorstoss ins traute Heim

Mit der Viiv-Plattform drängt Intel ins digitale Heim. IT Reseller sprach mit dem Schweizer Intel-Chef Martin Hagger (Bild) über Marktchancen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/15

     

Intel gebärdet sich in letzter Zeit gerne als Digital-Home-Evangelist – kaum eine Verlautbarung, die sich nicht um das digitale Heim dreht. «Der PC ist nicht tot», erklärt denn auch Intels Schweizer Country Manager Martin Hagger, «er übernimmt nur neue Aufgaben.» Für die Jungen ist das längst klar. Für sie ist der PC nicht so sehr Arbeitsinstrument als Spielkonsole und Vermittlungsstelle für Informationen, Filme und Musik. Bedeutet das die Wiederkehr des Home-PCs? In gewissem Sinne ja, meint Hagger, aber nicht als Spielzeug für Freaks wie in der Pionierzeit, sondern als Commodity. Er schätzt, dass im letzten halben Jahr in der Schweiz rund 15’000 dedizierte Home-Computing-Betriebssysteme verkauft wurden: «Angesichts eines bisher eher mageren Marketings ist das keine schlechte Zahl und spricht für ein Bedürfnis beim Konsumenten.»

Viiv-Technologie

Mit der Viiv-Technologie hat Intel eine eigene Plattform für das digitale Heim entwickelt. Das sonderbare Kunstwort – ausgesprochen «weif» – umschreibt eine Reihe von Komponenten, die den Umgang mit Geräten der Unterhaltungselektronik und die Nutzung digitaler Inhalte koordinieren und vereinfachen soll.
Das Moor’sche Gesetz, nach dem sich die Anzahl Transistoren auf einem Chip regelmässig verdoppelt, gilt, wie Intel nicht müde wird zu betonen, nach wie vor. Doch damit wird vor allem die Integration neuer Funktionen gefördert, während Dual-Core-Prozessoren die notwendige Leistung erbringen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass weniger der einzelne Prozessor als die ganze, auf bestimmte Aufgaben ausgerichtete Plattform für die Performance verantwortlich ist. Das ist der Kern der Viiv-Botschaft.
Hagger: «Centrino hat uns gelehrt, dass es grundsätzlich Sinn macht, Plattformen zu etablieren. Die Benutzer interessieren sich kaum noch für Megahertz-Wettbewerbe unter den Prozessor-Herstellern. Im Vordergrund stehen heute die auf dem Chip integrierten Funktionen.» Die Viiv-Kampagne soll im Bereich der Unterhaltungselektronik eine ähnliche Botschaft etablieren, wie seinerzeit «Intel inside» und «Centrino inside» für PC und Mobile Computing: Die optimale Zusammenarbeit der verschiedenen Komponenten.

Marktbedürfnisse

Eine neue Untersuchung von Accenture ergab allerdings, dass die Konsumenten in Sachen Digital Home noch zurückhaltend reagieren. Insbesondere sind ihnen die Kosten zu hoch. Nur gerade vier Prozent der Befragten meinten, dass sie sich diese Technologie leisten können. Für eine Marktverbreiterung – und damit für günstigere Geräte – sieht Hagger vier Voraussetzungen: Breitbandanschlüsse, genügend Content, fancy gestylte Apparate und vor allem allgemein akzeptierte Standards. «Intel stellt Drittherstellern die Technologien zur Verfügung. Daher sind wir an Standards sowohl für die Verlinkung von Geräten und Technologien wie auch für die Heim-Netzwerke interessiert und arbeiten intensiv in den entsprechenden Gremien mit.»
Gleichzeitig sei man daran, ein «Eco-System» mit Herstellern und Intel-Partnern aufzubauen. Dahinter steht wiederum die Centrino-Erfahrung. Die WLAN-Funktionalität auf dem Chip war zwar wichtig, doch ohne Hot-Spots in Bahnhöfen, Flugplätzen und Hotels wäre Mobile Computing nicht populär geworden. «Eine Marketing-Aufgabe, die wir nur gemeinsam mit Swisscom bewältigen konnten.» Der Markt für das digitale Heim, so Hagger, reife nach einem ähnlichen Muster: «Mein erster Kassetten-Recorder schien mir eine Sensation. Doch in kürzester Zeit enthielten die Geräte dann zusätzlich einen Tuner und ein CD-Laufwerk und jeder fand das selbstverständlich. Genauso wird sich das digitale Heim mit seinen vielseitigen Möglichkeiten schnell im Bewusstsein der Konsumenten verankern, sobald die Technologie erschwinglich und einfach genug zu bedienen ist.»

Channel-Partner

Noch sind normierte Lösungen allerdings keine Selbstverständlichkeit. «Deshalb», so Hagger, «spielen in unserem Eco-System unsere lokalen Assemblierer eine wesentliche Rolle.» Sie hätten die Hälfte aller bisher verkauften Digital-Home-Installationen unter die Leute gebracht. Sie seien innovativ und flexibel genug, um rasch auf Bedürfnisse zu reagieren und entsprechende Geräte zu assemblieren, beim Kunden zu installieren, abzustimmen und zu personalisieren. «Das wird auch noch lange so sein», meint er. Trotz Universal Plug and Play sei nicht jeder Konsument willens und fähig, die Installation vorzunehmen.
Ins Geschäft würden aber auch Carrier und Contentanbieter einsteigen und das ihre zur Verbreitung der neuen Technologie beitragen. Hier entstehe, so Hagger, ein kreatives Umfeld für ganz neue Angebote: «Wir können natürlich nicht wissen, was alles kommt. Sicher ist nur, dass die Leute mehr Freizeit haben und Fun und Unterhaltung einen grossen Stellenwert in ihrem Leben einnehmen. Das spricht für den Digital-Home-Markt.» (fis)

IT Reseller meint

Das digitale Heim ist auf dem Weg, selbst wenn die Schätzung der bisher verkauften Systeme durch Intel-Schweiz-Chef Hagger eher optimistisch anmutet. Die Lizenz-Anbieter von Microsoft bis Pinnacle halten sich mit eigenen Zahlen zurück. Noch scheinen die Marketing-Argumente die Konsumenten nicht restlos zu überzeugen. Bis das Digital Home Mainstream wird, könnte es daher doch noch etwas länger dauern, als Intels Zweckoptimismus glauben machen will. (fis)


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