Neue Microsoft-Partnerverträge: Partner müssen Kunden verpfeifen

Microsoft-Händlern stösst sauer auf, dass sie gemäss neuen Vertragsklauseln Endkunden, die nicht ausreichend lizenziert sind, sofort verpfeifen müssen. Der Software-Gigant behält sich ausserdem das Recht vor, jederzeit Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Händler zu nehmen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/02

     

Microsoft hat im Rahmen des neuen Partnerprogramms auf Anfang Jahr die Verträge mit den Channel-Partnern neu definiert. Der Hersteller benützt dabei immer rigorosere Mittel, um die illegale Verwendung von Software zu unterbinden. Seit neuestem müssen laut Vertrag die Reseller Microsoft (Zitat) «unverzüglich informieren, sowie Sie wissen oder vermuten, dass ein Kunde nicht die notwendige Anzahl an Microsoft-Lizenzen besitzt». Doch damit nicht genug: Microsoft behält sich ausserdem vertraglich das Recht vor, nach einer schriftlichen Ankündigung von 48 Stunden bei den Händlern Prüfungen der Geschäftsunterlagen, Bücher und betrieblichen Abläufe durchzuführen. Und dies während der Laufzeit des Vertrages und drei Jahre darüber hinaus.
Wie eine Umfrage von IT Reseller bei rund 200 Schweizer Gold- und Certified-Partnern ergab, haben viele Händler die neuen Klauseln gar nicht bemerkt. «Wir haben dem Inhalt leider zu wenig Beachtung geschenkt. Eine Riesenschweinerei, dass man quasi zum Spionieren verpflichtet wird», lautet eine der erbosten Äusserungen eines anonym bleiben wollenden Partners. Ein anderer meint: «Dass solche Bestimmungen ohne Ankündigung geändert werden, finde ich skandalös!» Fast die Hälfte der Befragten findet denn auch diese Verpflichtung fragwürdig und 31% halten sie für unhaltbar. Nur 7% finden die Sache in Ordnung. So erstaunt es denn auch nicht, dass viele nicht Gewehr bei Fuss stehen werden: Ein Viertel der Befragten gab an, man werde seine Kunden nicht verpfeifen. 28% sagten, sie würden es tun und 41% haben sich noch nicht entschieden.

Microsoft weist Vorwürfe zurück

Bei Microsoft Schweiz weist man den Vowurf, man degradiere seine Partner zu Spitzeln, vehement zurück: «Die weltweit standardisierte Vereinbarung im Rahmen des Microsoft-Partnerprogramms enthält eine Klausel zum Schutz des geistigen Eigentums, wie sie nicht nur in der Software-Branche üblich ist. Diese gibt unseren Kunden die Sicherheit, dass sie von den Microsoft-Partnern, über die sämtliche Produkte von Microsoft vertrieben werden, ausschliesslich legale und sauber lizenzierte Software erhalten», sagt dazu Microsoft-Sprecher Holger Rungwerth. Dies liege auch im Interesse der Partner, deren Geschäftsgrundlage auf dem Verkauf, der Implementierung und dem Support von legal erworbenen und korrekt lizenzierten Microsoft-Produkten beruhe.
Das sieht auch Ueli Tritten, Geschäftsleitungsmitglied bei MTF Thörishaus, so: «Die neuen Verträge sind nur die konsequente Durchsetzung der Produktnutzungsrechte.» Als schweizweiter Large Account Resseller (LAR) bietet MTF seinen Kunden einen Lizenzmanagement-Service an.

Angst um Aufträge

Trotzdem, LARs mit vollumfänglichem Software-Lizenzmanagement im Angebot gibt es bekanntlich in der Schweiz nur eine Handvoll, und so erstaunte es auch nicht, dass die von IT Reseller Befragten grösstenteils ganz und gar anderer Ansicht sind. Auf den Punkt bringt es Bertrand Roth, Inhaber Consensus Informatik: «Das würde ich via Anwalt und Gericht verhindern! Meine Buchhaltung und sonstige geschäftliche Sachen gehen die gar nichts an!» Doch nicht nur die vertraglichen Fesseln findet das Gros der Befragten unerhört, viele machen sich auch Sorgen, dass die Spitzel-Politik negative Folgen für ihr Unternehmen haben könnte. Fast die Hälfte (49%) fürchtet, sie könnte Aufträge verlieren, wenn sie ihren Kunden sagt, sie würden sie im Zweifelsfall an Microsoft verpfeifen. Immerhin 39% glauben nicht, dass ein solcher Schritt negative Folgen haben könnte, und 10% haben keine Meinung dazu. In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache zu sehen, dass bloss 46% der Befragten angeben, sie werden ihre Kunden darüber informieren, was Microsoft von ihnen verlangt. Ein Drittel will seinen Kunden gar nicht erst davon erzählen, dass sie «under cover» für Microsoft arbeiten müssen, und 18% haben keine Meinung dazu.

Die Faust im Sack

Hingegen wird es Microsoft freuen zu hören, dass die Händler durchaus in ihrem Sinne zu handeln gedenken, wenn auch auf ihre Art: Praktisch ausnahmslos (95%) beteuern die Befragten, alles daranzusetzen, dass sich ihre Kunden korrekt und ausreichend lizenzieren. Und sie halten gemäss unserer Umfrage – wenn auch vermutlich nicht aus freien Stücken - grösstenteils zu Microsoft. Bereits 80% haben die neuen Verträge unterschrieben. Von denen, die noch nicht unterzeichnet haben (18%), gibt bloss ein Partner die neuen Bestimmungen als Grund dafür an, Microsoft in Zukunft den Rücken zu kehren. Ein weiterer Partner, der nicht genannt sein möchte, gibt zu bedenken, dass Kundenwünsche und -anforderungen von Microsoft nicht entgegengenommen werden. Ein anderer meint: «Microsoft nutzt seine Monopolstellung gnadenlos aus. Man hat als kleiner Microsoft-Partner gar keine andere Wahl, als die Faust im Sack zu machen!» (mh)

DAS DENKEN MICROSOFT-PARTNER

Was halten Sie davon, dass Microsoft nach einer Ankündigung innerhalb von 48 Stunden volle Einsicht in Ihre Geschäftsunterlagen nehmen kann?

Finde ich unhaltbar 87%
Finde ich in Ordnung 10%
Keine Angabe 3%

Quelle: IT Reseller (n = 39)

Was halten Sie grundsätzlich davon, dass Sie Microsoft informieren müssen, wenn Sie wissen oder vermuten, dass ein Kunde nicht korrekt lizenziert ist?

Finde ich unhaltbar 31%
Finde ich fragwürdig 49%
Finde ich in Ordnung 18%
Keine Angabe 2%


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