Vor chinesischer PC-Schwemme

IBMs PC-Sparte wächst mit der chinesischen Lenovo zusammen. Mehr Partnerschaft als Übernahme sei der Deal, heisst es. Die Konkurrenz freut’s, die Partner fragen sich, wie es nach der Übergangsphase weitergeht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/22

     

Es ist zwar schon Anfang Dezember, doch immerhin hat die Computerbranche jetzt doch noch eine kleine Sensation hervorgebracht: Das PC-Geschäft von IBM (PC, Notebooks mitsamt der dazugehörigen Forschung und Entwicklung) geht für 1,25 Milliarden Dollar an den chinesischen PC-Hersteller Lenovo. Im Gegenzug erhält IBM rund 19 Prozent der Lenovo-Aktien und wird somit zum zweitgrössten Aktionär des im Westen noch völlig unbekannten PC-Giganten. Überschneidungen scheint es keine zu geben: IBM produziert im Highend-Bereich, während Lenovo bislang Consumer-PC für den chinesischen Massenmarkt fertigte. Der Kauf, der eigentlich ein Joint-venture ist, stellt die bisher grösste transkontinentale Akquisition eines chinesischen Technologieunternehmens dar. Künftig wird Lenovo jedes Jahr 11,9 Millionen Einheiten produzieren. Damit rückt das Unternehmen in der weltweiten PC-Hitparade auf den dritten Platz vor – hinter Marktführer Dell und Hewlett-Packard.
IBM verspricht sich vom Deal, einen Fuss in den stark wachsenden und entwicklungsfähigen chinesischen Markt zu bekommen. Lenovo seinerseits sieht für seine Produkte Potential im Westen. In Europa werden laut Susan Orozco, Mediensprecherin von IBM Schweiz, rund 1500 Mitarbeitende zu Lenovo wechseln. Sie alle sind im Vertrieb, Verkauf oder Marketing tätig. IBM unterhält in Europa seit geraumer Zeit schon keine PC- und Notebook-Produktionslinien mehr.

Konkurrenz optimistisch

Die IBM-Produkte im PC- und vor allem im Notebook-Bereich sind fast durchwegs im Highend-Segment angesiedelt. Bei HP und Fujitsu Siemens, den wohl härtesten Konkurrenten des blauen Riesen im lukrativen Geschäft mit portablen Computern, wird der Lenovo-Deal begrüsst: «Wir sehen diese Übernahme für uns ganz klar als Chance, einen Teil der bestehenden installierten IBM-Basis abzuschneiden», so Andrej Golob, General Manager der Personal Systems Group bei HP Schweiz. Gerade die bisherigen Grosskunden von IBM im Notebook-Bereich würden ein gewisses Image erwarten, so Golob zu IT Reseller: «Ob Lenovo dieses Image wird vermitteln können, ist fraglich. Mit unserer Corporate-Notebook-Linie sind wir am nahesten bei der jetzigen IBM positioniert.»
Bei Fujitsu Siemens regiert die Skepsis: «Durch diese Zusammenarbeit entsteht ein Riesengebilde. Es wird einige Monate dauern, bis dieses in die Schweiz eindringt», so Martin Nussbaumer, Division Manager Consumer Products. Für die Branche sei es aber insofern eine interessante Geschichte, weil Lenovo in einem anderen Preissegment als IBM operiere: «Ich gehe davon aus, dass das bisherige PC- und Notebook-Sortiment von IBM vom Highend herunterrutschen wird», so Nussbaumer zu IT Reseller.
Auch Marktführer Dell scheint in der jetzigen Situation Morgenluft zu wittern: Die vergangene Woche angekündigten Preissenkungen (s. Kasten) sollen allerdings schon vor dem Bekanntwerden des IBM-Lenovo-Deals beschlossene Sache gewesen sein.

Konsequenzen für Partner und Handel?

Viele IBM-Partner sind derzeit damit beschäftigt, einen 10-seitigen «FAQ» zu studieren, den ihnen IBM betreffend der anstehenden Veränderungen hat zukommen lassen. Dementsprechend gross ist vielerorten die Verunsicherung darüber, was die Zukunft bringen wird. Wie Patrick Roettger, Chef der Schweizer PC-Abteilung, zu IT Reseller sagte, wird Lenovo in die IBM-Partnerworld integriert. «Für die Handelspartner wird sich nichts ändern, da Umsätze, die mit Lenovo gemacht werden, zum Volumen bei Premier- und Advanced-Partnern hinzugezählt werden». Auch das Topseller-Programm soll weiterhin bestehen und wird mit den gleichen Marketingmitteln wie bislang bei IBM beworben werden. Die Channel-Partner werden bei Lenovo dieselben Ansprechpartner haben wie bisher, und auch Roettger wird als Chef der Schweizer Niederlassung zu Lenovo wechseln. Nach Abschluss der Übergabe des PC-Geschäfts an Lenovo werden mit grosser Wahrscheinlichkeit auch die Consumer-PCs und Notebooks der Chinesen in der Schweiz erhältlich sein.
Für Markus Wullschleger, Geschäftsführer der Oltener MTF-Gruppe, ist der Deal sowohl Chance als auch Risiko: «Für mich ist noch völlig unklar, ob und in welcher Form diese Lenovo-Produkte künftig in Europa vertrieben werden sollen», sagt er zu IT Reseller: «Wenn IBM diese Produkte schlüssig in ihr Gesamtsortiment einbindet, sehen wir diese Partnerschaft als Chance.» (bor)

Dell: Auch Schweizer Preise purzeln

Dell hat massive Preissenkungen für PCs, Workstations, Server und Notebooks angekündigt. Auch Schweizer Kunden können sich über das eine oder andere Schnäppchen freuen, wie Christian Hunziker, Leiter Kommunikation bei Dell Schweiz, gegenüber IT Reseller bestätigte.
Workstations (Precision) sollen hierzulande bis zu fünf Prozent günstiger zu haben sein. Die Preise für Flachbildschirme werden um 10 bis 25 Prozent schrumpfen. Server sollen gar bis zu 35 Prozent billiger über den Ladentisch gehen. Notebooks im Geschäftskunden-Segment, konkret die Modelle X300, D400, D600 und D800 der «Lattitude»-Reihe, sind bis 17. Dezember über Online-Bestellungen um 200 Franken reduziert. Zwar handelt es sich bei den Lattitute-Notebooks um Pendants zu Big Blues-Thinkpad-Linie, doch hätten die Preissenkungen nichts mit IBMs Verkauf der PC-Sparte zu tun, betont Hunziker gegenüber IT Reseller. Die Preissenkungen habe Dell bereits vor dem IBM-Announcement beschlossen. (sk)


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