CSC hofiert die Schweizer Banken

Steve Mitchener, President Financial Services der Region EMEA beim Outsourcing-Giganten CSC, im grossen IT-Reseller-Interview. Zusammen mit John McKee, Business Development Director, und Markus Gröninger, Länderchef von CSC Schweiz, nimmt er Stellung zu den mässigen Erfolgen des Unternehmens mit der Swiss Banking Platform bei Schweizer Finanzinstituten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/19

     

IT Reseller: Was können Sie über die Entwicklung von Outsourcing in der Finanzindustrie sagen?

Steve Mitchener: Mit Outsourcing kann jedes global tätige Unternehmen seine Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Gerade grosse, globale Banken und Versicherungen befinden sich unter einem wahnsinnig hohen Wettbewerbsdruck. Für diese Firmen wird es immer schwieriger, eine Strategie ohne selektives Outsourcing zu fahren, denn dieses bringt ihnen die Vorteile von erprobten Best Practices und steigert ihre Flexibilität.


John McKee: Es gibt viele Beispiele von grossen Outsourcing-Projekten in der Finanzindustrie, etwa bei der Deutschen Bank und der Dresdner Bank. Das ist alles in den letzten zwei Jahren passiert.

Wie wird der typische Finanzdienstleister in zehn Jahren aussehen?

Steve Mitchener: Der Unterschied zum Finanzdienstleister von vor zehn Jahren wird gewaltig sein. Damals gab es klare Grenzen zwischen den verschiedenen Anbietern. Man war entweder ein Versicherer, eine Retail-Bank, ein Lebensversicherer oder eine lokale Sparkasse. Und jede Firma hat auch die ganze Verarbeitung selber gemacht. Künftig werden diese Grenzen verschwinden. Eine Firma, die beispielsweise sehr stark im Bereich Lebensversicherungen ist, wird ihr Produkt auch anderen anbieten können. Es wird möglich, dass kleine und lokale Anbieter wie etwa die Schweizer Kantonalbanken sich einen ganzen Angebots-Strauss zusammenstellen können, der aus den Produkten anderer Finanzinstitute besteht. Alles, was die Kantonalbank dann noch selber mitbringt, wäre ihr eingesessener und loyaler Kundenstamm. Mit einer modernen IT-Architektur wird es möglich, Services einzubinden, die von woanders stammen und auch an einem anderen Ort verarbeitet werden. So kann das Produktportfolio erweitert werden. Die Folge davon für den Konsumenten ist, dass er alle möglichen Finanzdienstleistungen über einen einzigen Ansprechpartner bekommen kann.


John McKee: Solche Modelle findet man heute schon in grösserer Zahl in England. In einem Supermarkt kann man beispielsweise Autoleasing-Verträge oder Haustier-Versicherungen kaufen, neben Brot und Zucker. Natürlich macht der Supermarkt das nicht selber, wie übrigens das Brot und den Zucker ja auch nicht. So wird es künftig also möglich sein, unter dem Dach einer Bank verschiedene Finanzdienstleistungen zu kaufen.

Ist die Finanzindustrie langsamer als andere Industrien, wenn es darum geht, einen technischen Wandel zu vollziehen?

Steve Mitchener: Das heutige Problem der Banken ist, dass sie sehr früh mit Computern angefangen haben, nämlich vor 30 bis 40 Jahren. Sie haben damals gewaltige Investitionen getätigt – und müssen diese heute teilweise immer noch schützen. Der Unterhalt dieser Legacy-Systeme verschlingt eine Menge Geld. Gleichzeitig sollen die Banken in neue Technologien investieren. Ihre IT-Budgets sind immer noch exorbitant hoch, weit höher als jene anderer Industrien. Aber ein Grossteil davon fliesst in den Unterhalt der alten Systeme. Jetzt erlauben den Finanzdienstleistern aber Konzepte wie Outsourcing und BPO, ihre Geschäftsmodelle zu ändern, damit sie die Zwänge der alten Systeme weniger spüren.

Warum ist die Swiss Banking Platform von einer solchen strategischen Wichtigkeit für CSC?

Steve Mitchener: Nun, wir glauben, dass wir damit unsere Präsenz im Schweizer Markt signifikant ausbauen können. Wir haben Marktmöglichkeiten ausgemacht und deshalb vor einigen Jahren beschlossen, in die Entwicklung einer Bankenplattform zu investieren. Die Plattform läuft bei der Zuger Kantonalbank und wir befinden uns in Gesprächen mit der Bündner Kantonalbank sowie den vier grossen AGI-Banken. Es wäre wichtig für uns, in der Schweiz noch präsenter zu sein.

Aber die Swiss Banking Platform haben Sie zusammen mit der Zuger Kantonalbank entwickelt. Dabei handelt es sich um eine extrem lokale Lösung. Ausserdem ist es Ihnen seit mehr als zwei Jahren nicht gelungen, einen weiteren Kunden dafür zu gewinnen.

John McKee: Das ist ganz einfach. Es gab in dieser Zeit keine Ausschreibungen von anderen Banken in unserem Zielmarkt.

Halt, es hat sehr wohl Privatbanken gegeben, die sich in diesem Zeitraum für eine Standardlösung von Avaloq entschieden haben.

John McKee: Aber Avaloq ist ein System, das speziell für Privatbanken entwickelt wurde. Das ist ihr Kernmarkt. Unsere Lösung ist auf Retail-Banken ausgerichtet und zielt auf diesen Markt. Das heisst nicht, dass wir nicht langfristig in andere Zielmärkte vorstossen werden, aber wir wollen uns nicht auf einen Markt zubewegen, bevor wir reif dafür sind. Das würde ein zu hohes Risiko bedeuten. Man braucht Referenzen, bevor man beim nächsten Kunden anklopfen kann.

Und genau diese Referenzen haben Sie ja nicht. Könnte es sein, dass es für Schweizer Banken ein Problem darstellt, mit einem globalen Unternehmen wie CSC zu arbeiten, das in gewissen Bereichen sehr eng mit dem US-Militär zusammenarbeitet?

John McKee: Nun, sagen wir es so, manchmal stellen wir fest, dass es für Schweizer Unternehmen ein Problem darstellen kann, wenn man eine grosse Firma ist, die von ausserhalb der Schweiz geführt wird. Wahrscheinlich hat SAP hier ein ähnliches Problem. Aber es gibt auch einen Vorteil: Sie haben es mit einer Organisation zu tun, die sicherlich morgen noch hier ist und einen extrem starken finanziellen Hintergrund hat. In diesem Sinne sind wir sozusagen «bombensicher». Hinzu kommt auch, dass wir den Schweizer Banken eine Lösung anbieten können, ohne dass diese dafür die gleich hohen Investitionen tätigen müssen wie wir und SAP das getan haben. Es ist also Vorteil und Nachteil zugleich, dass wir keine Schweizer sind.


Swisscom IT Services hat jetzt sein Modell gewechselt. Weil die AGI-Plattform nicht mehr erfolgreich ist, will sich der Dienstleister fortan als Betreiber für andere Lösungen wie Avaloq und Finnova anbieten und wird plattformunabhängig. Sie hingegen hängen an Ihrer zusammen mit SAP entwickelten Plattform und bringen diese nicht los…

...bringen diese nicht los...

Steve Mitchener: Innerhalb von CSC gibt es eine ganze Reihe von Applikationen, die für die Finanzindustrie bestimmt sind, etwa Anwendungen für Versicherungen und Retail-Banken. Genau so wie wir die Implementierung unserer eigenen Produkte unterstützen, genau so arbeiten wir auch mit anderen Firmen und deren Produkten. Unser Ethos sagt, dass wir nicht nur mit eigenen Produkten arbeiten, sondern auch mit denen von Dritten. Nun, für die Swiss Banking Platform sind wir eine Partnerschaft mit SAP eingegangen und haben entsprechende Investitionen getätigt. Darum legen wir jetzt auch unser Augenmerk darauf, einen Return auf diese Investition zu erzielen und wir wollen die Plattform im Markt weiter verkaufen. Wenn ich jetzt aus Ihrer Frage heraushöre, dass die Applikation von Swisscom IT Services vom Markt nicht mehr länger verlangt wird, dann haben die ja keine andere Wahl als die Strategie zu ändern. Wer ein Produkt hat, das niemand mehr will, der hat offensichtlich ein Problem.

Markus Gröninger: Wir haben mit anderen Playern im Schweizer Markt Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit geführt, allerdings ohne Resultat. Unsere Strategie bleibt also dabei, dass wir die Swiss Banking Platform in der jetzigen Form bei weiteren Banken implementieren möchten.


John McKee: Als CSC können und wollen wir über andere Unternehmen nicht einfach nur als Konkurrenten denken. Manchmal sind wir Partner, manchmal Konkurrenten. Als Integrator haben wir es schliesslich am Markt mit allen zu tun. Deshalb orientieren wir uns daran, was der Kunde von uns verlangt.

Heisst das, Sie wären bereit, in der Bankenarena mit anderen als mit SAP zusammenzuarbeiten?

Steve Mitchener: Sagen wir es so, wir sind pragmatisch. Wenn ein Angebot am Markt nicht nachgefragt wird, dann muss man das Angebot ändern.

Nehmen wir einmal an, dass Sie keines der Projekte bekommen, in denen Sie jetzt offeriert haben, und alle fünf Kantonalbanken entscheiden sich für einen anderen Partner. Was passiert dann mit der Swiss Banking Platform?

Markus Gröninger: Wir sind jetzt schon in Gesprächen mit Banken und Bankengruppen im deutschen Markt. Die Methodologien und die Architektur, die der Swiss Banking Platform zugrundeliegen, können auch in anderen Märkten eingesetzt werden. Ich glaube zwar nicht, dass wir in der Schweiz keinen Erfolg haben werden, aber es gibt immer Möglichkeiten im Ausland.

Steve Mitchener: Wir bringen ja nicht nur spezifische Funktionen für eine Schweizer Retail-Bank. Viel relevanter sind die Architektur und die Möglichkeit, Services von Drittparteien so einfach einzubinden. Vieles, das in der Swiss Banking Platform verwirklicht wurde, stellt Teil der Investitionen im Rahmen unserer globalen Banking-Strategie dar und diese wird natürlich weiterverfolgt. Es wäre falsch zu glauben, dass diese Investitionen verloren wären, nur weil wir in der Schweiz keine weiteren Banken als Kunden gewinnen könnten.

(Interview: bor)

Swiss Banking Platform braucht dringend Erfolge

Der Engländer Steve Mitchener amtet als President Finanical Services für die Region Europa, Naher Osten und Afrika beim amerikanischen Outsourcing-Giganten CSC, der weltweit einen Umsatz von 14,8 Milliarden Dollar erwirtschaftet. John McKee ist Business Development Director Financial Services in England, Markus Gröninger ist Geschäftsführer von CSC Schweiz. Bei CSC Schweiz arbeiten rund 1000 Personen. Die beiden Engländer befanden sich vor kurzem für Gespräche mit Kunden in der Schweiz, als IT Reseller sie in Glanzenbach am CSC-Hauptsitz zum Gespräch getroffen hat.
Zusammen mit SAP hat CSC Schweiz in den vergangenen Jahren die Swiss Banking Platform entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Kernbanken-Lösung, deren Architektur den Einschub von Modulen oder Geschäftsprozessen von Drittanbietern auf eine einfache Art ermöglichen soll. Die erste Implementierung der Swiss Banking Platform wurde bei der Zuger Kantonalbank durchgeführt, bei der das System seit April 2003 produktiv läuft.
Seither befindet sich CSC auf der Suche nach weiteren Kunden. Diese werden dringend benötigt, um die in die Swiss Banking Platform getätigten Investitionen zu amortisieren. Das Interesse des Marktes ist allerdings bisher gering. In den laufenden Ausschreibungen bei der Bündner Kantonalbank sowie den vier grossen AGI-Banken, die ebenfalls angekündigt haben, den Verbund verlassen zu wollen, ist der Erfolgsdruck für CSC deshalb gross. Brancheninsider munkeln, dass der Fall der Bündner Kantonalbank für die Swiss Banking Platform so etwas wie einen letzten Testfall darstelle, denn diese Bank wäre von der Grösse her für die Plattform geeignet.


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