Palms Rückeroberungspläne

Mit Verkaufserfolgen in den USA im Rücken will Palm One seine Position in Europa wieder stärken. IT Reseller sprach mit Vesey Crichton, Palm Vice President EMEA, über Smartphones, verlorene Marktanteile und deren Rückeroberung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/18

     

IT Reseller: Palm scheint im Zeitalter des Smartphones und vermehrter Handheld-Konkurrenz nicht mehr ganz so Markt-dominierend. Wo steht Palm One heute?

Vesey Crichton: Den Marktforschern zufolge haben wir bei den Handhelds weltweit immer noch einen Anteil von 38 Prozent und sind damit Marktführer. Im sehr kompetitiven Schweizer Markt haben wir einen Marktanteil von 55 Prozent gegenüber HP mit 24 Prozent und Sony mit 12 Prozent. Der Vorsprung gegenüber den Konkurrenten ist geschrumpft. Nachdem wir aber im ersten Quartal dieses Geschäftsjahres wie schon im Vorquartal Gewinne erzielten, können wir nun daran gehen, verlorene Anteile zurückzuerobern.

Mit dem neuen Tungsten T5 bringt Palm One einen weiteren Handheld auf den Markt – ist Smartphone trotz dem neuen OS 6 für Palm kein Thema?

Es gibt noch keine OS 6-basierenden Geräte und ich erwarte das auch kaum vor einem Jahr. OS 6 ist in Bezug auf Ihre Frage auch nicht entscheidend. Das Smartphone Treo 600 und andere basieren auf OS 5 und wurden in den USA öfter verkauft, als alle Geräte auf Symbian-Basis.

Und in Europa?

Man muss sehen, dass der Smartphone-Markt anders funktioniert als der Handheld-Markt. Handhelds werden über die üblichen Kanäle verkauft. Bei den Smartphones sind wir auf die Betreiber angewiesen, welche die Geräte zertifizieren. Deshalb haben wir uns vorerst auf den US-Markt konzentriert.

Ist das dort anders?

Nein, aber der US-Markt ist mit fünf Betreibern und einer einzigen Sprache vergleichsweise übersichtlich. Nachdem wir uns dort durchgesetzt haben und wieder profitabel sind, können wird auch den europäischen Markt verstärkt angehen. Hier gibt es 77 verschiedene Betreiber und unterschiedliche Sprachen. Das bedeutet, dass wir die Geräte x-mal zertifizieren müssen. Wir haben damit begonnen und sind bereit, weitere Investitionen zu machen. Wir haben zu diesem Zweck extra ein Zentrum in Genf geschaffen.

Die Nachfrage nach Smartphones scheint, abgesehen von ein paar jugendlichen Gamern, noch nicht überwältigend zu sein.

Dieses Jahr werden voraussichtlich weltweit 600 Millionen Handys verkauft. Davon werden 100 Millionen Smartphones sein. Gemäss Befragungen nutzen 86 Prozent der Handybesitzer ihr Gerät ausschliesslich zum Telefonieren und für SMS. Viele von ihnen fühlen sich mit zwei verschiedenen Geräten – einem Mobiltelefon für Voice- und SMS und einem Handheld für alles Übrige – durchaus wohl. Im Gegensatz zum Handheld-Markt jedoch, wo die Marktforscher für die kommenden Jahre noch von 8 bis 10 Prozent Wachstum sprechen, gehen sie bei den Smartphones von bis zu 100 Prozent Wachstum in Stückzahlen und 80 Prozent beim Umsatz aus.

Und Palm mutiert dabei zur Unterhaltungsplattform?

Für einen Teil – meist, aber nicht nur, jüngere Leute – steht tatsächlich die Unterhaltung im Vordergrund. Es gibt aber auch Anwender, die vor allem Wert auf Zugang zu E-Mails und zu Informationen legen. Wir möchten mit unseren Geräten beide Segmente ansprechen.

Wie wollen Sie das zusammenbringen?

Indem wir genügend Flash-Speicher einbauen, mit dem die Daten auch bei leeren Akkus nicht verloren gehen. Das dient dem Speichern von E-Mails und Dokumenten wie auch von MP3-Files, Fotos, Videos und Games. Zudem erleichtern wir die Synchronisation mit PC und Firmenserver. Wir sehen unser Core-Kundensegment beim «Prosumer», dem professionellen Konsumenten.

Was heisst das?

Viele der ursprünglich für private Zwecke gekauften Geräte werden früher oder später auch für professionelle Belange eingesetzt. Heute haben 95 Prozent aller Erwachsenen am Arbeitsplatz Zugang zu E-Mail und Internet. Mobil ist dies nur bei knapp zwei Prozent der Fall. In den nächsten drei Jahren dürfte dieser Anteil auf 50 Prozent steigen. Um einen sicheren Zugang zu den Mailsystemen der Unternehmen zu ermöglichen, sind hier allerdings auch VARs und Integratoren gefordert. Im Grunde ist der Smartphone-Markt einfacher, als man denkt. Was die Leute wollen, sind E-Mail, umfassenden Zugang zu Informationen und einfache Synchronisation. Bisher leisten das nur wenige Geräte. Hier liegt unsere Chance.
(Interview: fis)

Stichworte zum neuen Tungsten T5

Der Tungsten T5 zeigt, anders als der Vorgänger, die volle Fläche des 480x320 Pixel-Displays bei 16 Bit Farbtiefe. Erstmals verwendet Palm One ausschliesslich Flash-Speicher, der den Inhalt auch bei leerem Akku behält. 256 MB sind mehr, als die Konkurrenz momentan bietet. Ausserdem gibt es einen Slot für DS-Speicherkarten.

Mit dem Datei-Browser lassen sich alle Files einzeln ansehen, löschen, kopieren oder Programmen zuordnen. Der Bildschirminhalt lässt sich um 90 Grad drehen, so dass der Handheld etwa für Spreadsheets auch quer genutzt werden kann. Schliesst man den T5 per USB an einen Desktop-Rechner an, meldet er sich auf Wunsch als USB-Laufwerk an, in das man Dateien direkt kopieren kann. Eine Abgleich-Software ist dazu nicht mehr nötig.


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