Kundenzufriedenheit – die unbekannte Grösse

Wie erreicht man Kundenzufriedenheit – oder was ERP-Anbieter von Bahnhöfen lernen können.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/17

     

Kundenzufriedenheit ist eine subjektive Grösse. Dieselbe Feststellung gilt aber auch für das ERP-Geschäft an sich: Der ERP-Markt ist subjektiv. Entscheidungen fallen nach unterschiedlichsten Kriterien. Klassische Leistungsmerkmale von Anbietern, etwa ein grosser Funktionsumfang, ein grosser Kundenstamm oder eine moderne Technologie allein bringen für die Zukunft keine gesicherten Marktanteile. Der ERP-Markt ist ein emotionaler Markt – ein Umstand, den das Marketing des in solchen Dingen klaren Vordenkers SAP schon lange entdeckt hat. Doch auch wenn die Kundenzufriedenheit eine subjektive und emotionale Grösse ist und als solche nur einen Teil des Markterfolgs darstellt, ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, wie Anbieter eine höhere Kundenzufriedenheit und damit zumindest eine bessere Bindung der Bestandkunden erreichen können.

Zufriedenheit benötigt Reflexion

Mit der im Jahr 2003 von der i2s durchgeführten Studie wurde erstmals die Zufriedenheit mit eingesetzten ERP-Systemen aus Sicht der Anwender erfasst. Das Ergebnis war dabei auf erster Ebene eine Bewertung der unterschiedlichen Systeme am Schweizer Markt aus Sicht der Anwender. Auf zweiter Ebene wurde der Begriff «Zufriedenheit» jedoch in mehr als zwanzig verschiedene Einzelaspekte zerlegt. Bei näherer Betrachtung ergibt sich ein weit differenzierteres Bild. Mit Ausnahme der Aspekte «Formulare und Auswertungen», «Schnittstellen» und «Customizing» werden die systembezogenen Aspekte durchwegs relativ positiv bewertet. Untersucht man hier die einzelnen Aspekte noch etwas stärker nach der Frage, in wie weit ein einzelner Aspekt überhaupt «extern», d.h. durch den Implementationspartner oder die Projektorganisation beeinflusst werden kann, differenziert sich das Bild weiter: Kundenzufriedenheit ist eine komplexe Grösse. Eine genaue und reflektierte Betrachtung der einzelnen Aspekte und insbesondere deren Bewertung im Vergleich zu Konkurrenten erlaubt es einem Anbieter, ein Massnahmenprogramm auszuarbeiten, um die Kundenzufriedenheit zu verbessern.

Offener Kundenkontakt

Kundenzufriedenheit setzt einen intensiven und offenen Kontakt zum Kunden voraus. Müsste man sich als Anbieter auf nur eine einzige Massnahme beschränken, stünde eine Verbesserung des Account-Managements, d.h. des Ansprechpartners des Lieferanten beim Kunden, an erster Stelle. Zwar wird in den Studien der i2s das «Account-Management» immer wieder mit guten Noten bewertet, eine Korrelationsanalyse der einzelnen Ergebnisse zeigt jedoch immer wieder, dass gerade das Account-Management den grössten Hebel besitzt, um die allgemeinen Zufriedenheitsaspekte zu beeinflussen. Wie gut das möglich ist, zeigt auch das Ergebnis der diesjährigen Studie im Vergleich zum Vorjahr: einige Anbieter haben sich intensiv mit den Ergebnissen der letztjährigen Studie auseinandergesetzt und diese mit ihren Kunden im Rahmen von Kundenforen oder bilateralen Besprechungen durchgearbeitet und entsprechende Massnahmen eingeleitet. Aus Sicht der Kunden wurde bereits die Bereitschaft zu einer offenen Auseinandersetzung positiv aufgenommen, da die Kunden sich hier ernst genommen fühlen. Hier zeigt sich auch das Dilemma der häufig auf Schlagworte und imaginäre Probleme abgestützten Marketing-Sprache, die viele Anbieter immer wieder bevorzugen: Sie geht in aller Regel am Kunden – insbesondere an den bestehenden Kunden – und deren Bedürfnissen vorbei.

«Bahnhofs-Philosophie»

Die «Selbstversessenheit» vieler Anbieter, die eher dazu neigen, in Bewunderung vor der Schönheit des eigenen System zu erstarren statt sich um die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden zu kümmern, steht einem offenen Kundenkontakt im Wege. Noch immer wird von vielen Anbietern in Systempräsentationen und Workshops das System als «Supermarkt der Möglichkeiten» präsentiert, anstatt die Probleme des (potenziellen) Kunden zu verstehen und Lösungen dafür aufzuzeigen. Ein Anbieter muss eine «Bahnhofs-Philosophie» verfolgen, d.h. man muss die Kunden dort abholen, wo sie stehen. Dazu gehört auch eine geeignete Sprache, die der Kunde und insbesondere die Entscheidungsträger beim Kunden verstehen. Dies gilt insbesondere, da sowohl Auswahlentscheid als auch Einführungsprojekte immer von «Business»-Aspekten geprägt sind und ihren klassischen Informatik-Charakter verlieren.

ERP-Zufriedenheit

Im Jahr 2003 wurden in der Schweiz erstmals Anwenderunternehmen nach der Zufriedenheit mit ihren ERP-Systemen befragt. Zielsetzung war es damals, neben den vorherrschenden auf Funktionalität ausgerichteten Studien und den eher am Börsenmarkt orientierten Aussagen der grossen Analysten einen Blick in das Labor der betrieblichen Praxis zu wagen. Von Anfang an war klar, dass der Begriff «Zufriedenheit» ein hohes Mass an Subjektivität mit sich bringt. Was als Schweizer Idee begann ist innert kürzester Zeit zu einer Initiative für den gesamten deutschsprachigen Raum angewachsen und wird von namhaften Medienpartnern in den einzelnen Ländern unterstützt. Die Initiative setzt dabei auf Konstanz und Unabhängigkeit, so werden die Studien regelmässig wiederholt; ein Sponsoring durch Anbieter ist definitiv ausgeschlossen.

Die Köpfe hinter der Studie

Die Studie wurde von der Zürcher Beratungs- und Research-Firma Intelligent Systems Solutions – kurz i2s genannt – in Zusammenarbeit mit den IT-Fachpublikationen der Compress Information Group erstellt. Die i2s beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Standardsoftwaremarkt und konzentriert sich dabei insbesondere auf den Bereich ERP-Systeme. Die i2s ist Teil des Kompetenznetzwerkes IT-matchmaker.com und führt regelmässig Marktstudien in den Bereichen ERP-Anwendung und Einführung durch. Die Ergebnisse ihrer Research-Arbeit stellt die i2s unter der Knowledge Page www.changebox.info der Öffentlichkeit vor. Hier gibt es jede Menge Informationen zum Download.


Hinter der Studie selbst steckt ein interdisziplinäres Team bestehend aus Beat Ottiger, Diplompsychologe und Web-Enthusiast, Valesko Wild, lic. oec. HSG mit internationaler Projekterfahrung, und Eric Scherer, Dr. sc. techn. ETH und Strategieexperte im ERP-Umfeld.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER