Ramco vor der Bewährungsprobe

Seit Jahren propagiert der indische ERP-Hersteller Ramco die automatische Produktion von Software-Code. Nun treten die Inder in die entscheidende Phase.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/12

     

Letzte Woche lancierte der indische ERP-Hersteller Ramco, der in der Schweiz sehr aktiv ist, in Zürich den Code-Generator Virtualworks. Ramco-CEO Venketrama Raja (Bild) sagte vor Kunden, Partnern und Presse sehr selbstbewusst: «Eine Plattform wie unser Virtualworks ist in der Zukunft für jeden Software-Hersteller ein Must.» Bereits im Winter 2002 sagte Raja in einem Gespräch mit IT Reseller ganz unbescheiden, seine Firma werde
eine Revolution in der Software-Welt auslösen.

Zeichne Dein ERP-System

Der Ansatz, wie Ramco komplexe ERP-Systeme bauen und implementieren will, ist tatsächlich revolutionär. In einem ersten Schritt werden Prozesse in einem Unternehmen (z.B. Bestellungseingang) mit einem Zeichnungstool wie Visio oder Aris erfasst. Im zweiten Schritt erfasst man, ohne dass bis dahin auch nur eine Zeile codiert worden wäre, die Prozesse in bestehende oder neu gebaute Komponenten. Aus diesen Komponenten wird dann ein sogenannter «Blueprint» erstellt, mittels dessen der Kunde sein künftiges ERP-System testen und beurteilen kann. Erst dann wird die eigentliche Programmierung im indischen Chennai «automatisch» erledigt. «Automatisch » heisst in diesem Fall, dass die indischen Ingenieure SQL-Abfragen
schreiben, die dann von Virtual Works in Code übersetzt werden, wie uns Raja erklärte. Aufgrund der vollständigen Trennung von Logik und Code propagiert Ramco den vollständigen Verzicht auf aufwändige Releasewechsel. In Zukunft sollen Anpassungen an neue Prozesse oder Gesetze in kürzester Zeit in der Software umgesetzt werden können.

Entscheidende Phase

In den nächsten Monaten muss Ramco nun aber den Beweis für die kühnen Aussagen erbringen. So wird etwa das grosse ERP-Projekt beim Uhrwerk- und -Komponentenhersteller ETA in den nächsten Monaten konkret, sprich die «Blaupausen» der kommenden Business-Software müssen in Chinnai in Code gegossen werden.
ETA-CIO Dr. Klaus Dietrich Maier ist aber auch im Gespräch unter vier Augen durchaus zuversichtlich. Ein wichtiger Faktor sei, so Maier,
dass Ramco im bisherigen Verlauf des Projektes sich als überaus verlässlicher und gradliniger Partner gezeigt habe.

Die Zukunft der Branche

Der im Vergleich zu SAP, Peoplesoft oder Oracle doch kleine indische Software-Hersteller ist bei weitem nicht der einzige ERP-Hersteller, der die «ERP II»-Revolution (ein Gartner-Schlagwort) propagiert. Ähnliche Absichten verfolgen etwa auch Bison oder der deutsche Hersteller C.I.S. Sie alle versprechen den Kunden tiefere Kosten und höhere Flexibilität. Doch die Auswirkungen auf die IT-Industrie werden wesentlich grösser sein, denn das Berufsbild des Software-Ingenieurs wird sich völlig verändern. Die zukünftigen IT-Professionals werden sich von technikverliebten «Hackern» zu Betriebswirtschaftern wandeln müssen. Veränderungsprozesse in Unternehmen zu strukturieren und zu überwachen wird zu ihren Kernkompetenzen gehören. Denn die Tatsache, dass neue Prozesse leichter in Software-Systemen abgebildet werden können, erhöht die Ansprüche an die Kundenunternehmen, herauszufinden, welche neuen Prozesse denn tatsächlich auch sinnvoll sind. Oder wie es Maier von ETA formuliert: «Die Argumente ‘zu teuer, zu kompliziert’ fallen schon mal weg.» (hc)


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