Hickhack um Software-Patente in der EU

Mit dem Entscheid, die Patentierung von Software einzuführen, zieht der EU-Wettbewerbsrat die Kritik von mittelständischen Software-Entwicklungsfirmen und der Open-Source-Szene auf sich.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/10

     

Der EU-Wettbewerbsrat hat letzte Woche entschieden, dass Software in der Europäischen Union künftig zum Patent angemeldet werden kann. Die entsprechende Änderung im EU-Patentrecht muss noch vom Europäischen Parlament abgesegnet werden.
Bis jetzt kann Software im EU-Raum zwar urheberrechtlich geschützt werden. Damit lässt sich aber nur der programmierte Source-Code schützen. Die eigentliche Logik, die Idee und das Verfahren einer Anwendung, kann so ohne weiteres von Dritten nachgeahmt werden.
In den USA können hingegen auch die Geschäftsprozesse zum Patent angemeldet werden, die in einer Software umgesetzt sind. Durch diesen Unterschied in der Gesetzgebung kam Europa zusehends in Zugzwang.
Bei der EU-Gesetzesänderung findet seit geraumer Zeit eine heftige Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Interessenvertretern statt. Das Seilziehen in den Verhandlungen führte dazu, dass mittlerweile 21 Änderungen in den ursprünglichen Vorschlag eingeflossen sind. Damit sollten insbesondere die Entwickler von Open-Source-Software geschützt werden.
Diese Änderungen legen fest, dass Software nur im Zusammenhang mit einer Anwendung auf einem bestimmten Gerät patentiert werden kann wie etwa eine Applikation, die den Stromverbrauch auf einem mobilen Device optimiert. Reine Applikationen oder Geschäftsmethoden an sich lassen sich nicht mit einem Patent schützen.
Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass damit ermöglicht wird, Innovationen mit Substanz zu patentieren und die jeweiligen Erfinder für ihre Leistung zu entlöhnen. Zudem soll mit den Ergänzungen verhindert werden, dass mit Patenten für Anwendungen, die keine technischen Neuerungen beinhalten, der Entwicklungsprozess gebremst oder blockiert wird.
Ganz unbeeindruckt von diesen Zugeständnissen zeigte sich der Föderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII, www.ffii.org), der europaweit organisiert ist. Der Verband stösst sich daran, dass zuwenig klar definiert sei, was ein technischer Beitrag (a technical contribution) sei.
Wie eingangs erwähnt, muss die Gesetzesänderung nun noch durch das Parlament geschickt werden. Dieses wird im Juni zuerst einmal neu gewählt. Erst danach wird es über die Gesetzesänderung befinden. (map)


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