Mit Speichern dick im Geschäft

Das Interesse der KMU an Speicher-Lösungen steigt. Doch die Hersteller verkaufen immer direkter, und die Margen sinken vor allem im Hardware-Bereich gegen Null. Das bereitet dem Channel Kopfzerbrechen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/09

     

Die Verfügbarkeit von Daten für alle Arten von Geschäftsprozessen ist überlebenswichtig geworden – immer mehr Daten werden von den Unternehmen generiert und müssen gesichert und aufbewahrt werden. Das sind sicherlich die zentralsten Gründe dafür, dass die Speicherindustrie in den letzten Jahren im Vergleich mit anderen Bereichen der IT ein höchst bemerkenswertes Wachstum an den Tag legen konnte.
Laut Gartner Dataquest werden im europäischen Raum jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro in Speicherlösungen investiert. Offenbar hat jetzt nach den Grossunternehmen auch der Mittelstand die Notwendigkeit von Speicher- und Backup-Lösungen erkannt – und investiert munter drauflos.
IT Reseller hat sich den Schweizer Storage-Channel näher angeschaut: Zwar geht es den meisten Channel-Partnern der grossen Speicherhersteller wie EMC, IBM und HP alles andere als schlecht. Aber es wird auch geklagt: über verschwindende Margen und darüber, dass die Hersteller selber immer direkter verkaufen und mit Tiefpreisen Projekte für sich gewinnen.

Bewegung im Markt

«Generell spüren wir wieder eine vermehrte Investitionstätigkeit im Markt», sagt Michael Heegewald, Geschäftsführer von Hirt Informatik. Einen ähnlichen Eindruck vermittelt auch Stephan Schneider, Geschäftsführer des neben Hirt zweiten EMC-Direct-Partners Proact-IT: «Von der KMU-Seite her bemerken wir grundsätzlich einen positiven Trend.»
Allerdings merke man gleichzeitig auch, dass das Interesse der Hersteller am Direktverkauf von Gerätschaften und Dienstleistungen zugenommen habe: «Vor allem IBM, HP und Dell sind momentan sehr aktiv», meint Schneider. «Vor allem bei Ausschreibungen von Grosskunden stehen dadurch alle Anbieter unter einem enormen Preisdruck», fügt er an.
«Wenn ein Kunde wie etwa eine Grossbank hundert Terrabyte Datenspeicher benötigt, ist dies ein klarer Fall für die Hersteller», ergänzt Heegewald. Allerdings hätten diese schon immer direkt an ihre wichtigen Kunden verkauft.
Schwierige Beziehungen zum angestammten Hersteller können denn auch einmal zu einem Wechsel führen: Seit der letztjährigen Orbit segelt etwa Dicom Security nicht mehr unter der EMC-Flagge, sondern hat sich zu IBM ins Boot gesetzt.
Ausschlaggebend dafür sei vor allem gewesen, dass EMC die grossen Symetrix-Speichersysteme direkt verkauft und die kleineren Clariion-Modelle zu einem Grossteil über Dell: «Als Channel-Partner war es für uns unbefriedigend und nicht mehr businessorientiert, in Projekten teilweise gegen EMC und Dell zu offerieren», sagt Ralf Damerau, Geschäftsführer von Dicom Security.
Seit letzterer mit IBM geschäftet und sich Schneiders Proact-IT offenbar vermehrt für die Produkte von Network Appliances zu interessieren beginnt, sieht sich mindestens Heegewald von Hirt Informatik in seiner Bindung zu EMC bestärkt.

Schlagwörter verwirren die Kunden

Wie kaum ein anderer Zweig der Computerindustrie versteht es die Speicherfraktion immer wieder, ihre Kunden mit neuen Schlagwörtern und Konzepten zu verwirren: Information Lifecycle Management (ILM), iSCSI und Virtualisierung sind nur einige Beispiele. Was kaufen die mittelständischen Kunden denn heute wirklich? «ILM wird viel langsamer zum Thema, als man sich das erhofft hatte», sagt Schneider von Proact-IT.
Allerdings sei das Interesse von KMU-Seite an iSCSI bemerkenswert. Anders sieht das Damerau von Dicom Security: «Die KMU kaufen momentan eher das traditionelle SAN». Und gerade mit diesen Boxen ist für die Integratoren kein grosses Geld mehr zu machen: «Die Margen haben sich derart verschlechtert, dass selbst im KMU-Bereich heute rund drei Viertel der Abschlüsse über Special Bids laufen, und auch der Preisdruck bei den Dienstleistungen nimmt zu», sagt Hansjörg Rietmann, Product Manager Storage des HP-Partners Delec.
«Wenn man nur noch im SAN-Bereich arbeitet ist das eine reine Commodity mit entsprechend winziger Marge», bestätigt Damerau. Darum würde sein Unternehmen bewusst Kunden mit komplexeren Umgebungen suchen, die eine intensive Beratung benötigen.

Enormer Preiszerfall

«Zwar sind die KMU generell offener geworden gegenüber Storage, aber bei so kleinen Margen muss man extreme Volumen erreichen», fügt Rietmann an. Im übrigen sei der Preiszerfall enorm: 40 Prozent habe er allein in den letzten zwölf Monaten betragen.
«Der Markt ist härter geworden als noch vor zwei Jahren, weil die Kunden damals auf technische Features abgefahren sind. Heute aber darf der Techno-Freak nicht mehr auf Einkaufstour gehen», so Rietmann. «Nur grosse KMU und kleine Grossunternehmen orientieren sich beim Kauf einer Lösung noch an der Technologie», meint Damerau.
Ungebrochen – so meinen die Channel-Leute unisono – ist das Interesse an den beratungsintensiven und deshalb bei den Integratoren beliebten Backup-Lösungen, während neue Produkte wie E-Mail-Archivierung langsam aber sicher ihren Weg auf den Radar der mittelständischen IT-Leiter finden. Dort ist die Verwirrung aber bisweilen gross: «Viele IT-Leiter in den KMU sind stark verunsichert und überfordert», meint Rietmann. Gerade deshalb sei es wichtig, dass der Channel hier Vertrauen aufbaue.

Hersteller immer direkter

Im Gespräch mit dem Channel wird aber auch schnell klar: Die grossen Hersteller gehen immer direkter an den Markt und offerieren selber für Projekte – und das offenbar auch im Mittelstand. «Man merkt klar, dass die Hardware-Hersteller inzwischen selber aggressiv am Markt sind. Vor allem HP kauft sich Anteile über extem niedrige Preise», sagt Erhard Grosser, Geschäftsführer von Itris Informatik.
«Die Hersteller gehen bei immer mehr Projekten selber rein», meint auch Emir Buljina, Verkaufsleiter Storage von RedIT. Problematisch werde dies, wenn in einem Projekt «ganze 15 Integratoren plus die Hersteller selber» offerieren würden, ergänzt er. «HP hat in den letzten sechs Monaten das KMU-Segment regelrecht attackiert», meint auch Rietmann von Delec.
Das Problem sei die Zweiteilung der Organisation in Verkaufs- und Marketing- sowie Service-Mitarbeitende: Mit den ersteren arbeite man «gut und loyal» zusammen, während die letzteren immer öfter zum «Problem» würden: «HP hat 800 Mitarbeiter im Service-Bereich, die sie ja irgendwie auch auslasten müssen», meint Rietmann.
Diese Vorwürfe lässt Andrej Golob, General Manager der Personal Systems Group von HP Schweiz, nicht gelten: «Ich bin sicher, dass es sich hierbei um ein Missverständnis handelt. Es trifft zwar zu, dass wir eine Hunter-Gruppe im SMB-Segment auf Neukundensuche geschickt haben. Die Realisierung der akquirierten Projekte erfolgt dann aber über dedizierte Partner.» Allerdings stellt Golob nicht in Abrede, dass das Storage-Geschäft ‹von HP getrieben› werden muss: «Im Channel fehlen oft Know-how und vor allem Kapazität.»
Ralf Damerau scheint in dieser Hinsicht ein paar Sorgen weniger zu haben: «Dieses Problem haben wir mit IBM nicht, im Gegenteil, wir sind sogar in Accounts hineingekommen, die uns als relativ kleinem Integrator verwehrt geblieben wären», sagt er. Mit dem Dienstleistungsarm Global Services des blauen Riesen sei sogar eine weitergehende Zusammenarbeit geplant, die gegenwärtig vertraglich fixiert werde, sagt der Dicom-Security-Geschäftsführer zu IT Reseller.

Herstellerneutralität bald Schnee von gestern

Mehr Konkurrenz durch die Hersteller selber, stark sinkende Margen: Hier stellt sich schon die Frage, ob ein Integrator in diesem verschärften Umfeld überhaupt noch herstellerneutral geschäften kann. In der Tat scheint dies nicht mehr so einfach möglich zu sein: «Der Channel würde sich gerne ein wenig diversifizieren und mehr Produkte im Portfolio haben, was die Hersteller nicht allzu gerne sehen.
Weil aber das Verhältnis zum Hersteller so wichtig ist, macht man schon einiges, um diesen nicht zu verstimmen», sagt der Verkaufsleiter eines Schweizer Integrators. Aus Angst vor Repressalien will er hier nicht namentlich erscheinen. Hinzu komme auch, dass die Ausbildungsgänge der Herstellerfirmen für die Zertifizierung der Mitarbeitenden «Unsummen» kosten würden. «Es ist nicht mehr so wie früher, als man die Fahne dorthin pflanzte, wo der Wind wehte und einmal mit diesem und einmal mit jenem Hersteller mitmarschierte.
Mit den niedrigen Margen wird die Herstellertreue im Kanal wieder grösser, weil man die guten Beziehungen nicht aufs Spiel setzen möchte», sagt auch Itris-Chef Grosser.

Auch bei der Software wird’s enger

Besser – oder noch ein wenig besser – scheinen es die Integratoren aus dem Bereich Infrastruktur- und Speicher-Management zu haben. «Am besten lässt es sich wohl noch im Software-Bereich geschäften, wo die Hersteller den Partner anders behandeln», sagt Grosser.
Doch auch dort wird’s zunehmend eng: «Der Margendruck hat auch im Software-Bereich zugenommen», sagt Urs Tschudin, Geschäftsführer des grössten Schweizer Veritas-Partners SQL. Software sei zur Handelsware geworden, und seine Firma müsse sich demzufolge über Dienstleistungen differenzieren.
Die Tendenz zur «Überdistribution» von Software wie beispielsweise Veritas sei allerdings eine Tatsache. «Hinzu kommt auch, dass es sich bei Speicher-Verwaltungssoftware um ein Automatisierungs-Werkzeug handelt, was den Verkauf von Dienstleistungen ja per se auch nicht einfacher macht», ergänzt Tschudin. Doch Licht am Horizont sieht auch der SQL-Chef: «Partner können die praxisbezogenen Lösungen in vielen Fällen aufgrund ihrer Erfahrung und Branchenkenntnis besser liefern als der Hersteller.
Und die Dienstleistungs-Handbremse ist in jüngster Zeit wieder etwas gelöst worden, weil ja doch viele der IT-Abteilungen in den KMU nach den jüngsten Sparmassnahmen sehr ausgedünnt sind.»

Gute Konkurrenz zwischen den Integratoren

Bei allen Schwierigkeiten gilt immer noch: Der Schweizer Storage-Channel funktioniert gut. «Man kann im Speicher-Umfeld immer noch gute Geschäfte machen, muss aber immer kreativer werden», sagt SQL-Chef Tschudin. «Weil in der Regel über den Preis verkauft wird, muss der Partner einen spezifischen Value-Add bieten», meint Kestenholz von Tristar.
Nach der durchschnittlichen Grösse der von ihnen realisierten Projekte befragt, gaben die Integratoren eine Grössenordnung von zwischen 100’000 bis 500’000 Franken an. Die typische Marge betrage im Hardware-Bereich zwischen vier und sieben Prozent, in kleineren Projekten könne es auch einmal den «Luxus» von über zehn Prozent Marge geben.
Je grösser der Kunde, desto wichtiger werde die Rolle des Herstellers: «Bei grossen Kunden hat der Channel nur eine Chance, wenn er den Lead anreisst und dann so rasch wie möglich den Hersteller ins Boot holt», meint Itris-Chef Grosser.
Das Klima untereinander wird ebenfalls als gut empfunden: «Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Schweizer Integratoren empfinden wir als gesund und belebend», meint etwa Damerau vom IBM-Partner Dicom Security – und fügt dann aber gleich an: «Doch wenn ein Hersteller hinzu kommt, kann es schnell mal primitiv werden». (bor)


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