Tippen ade

Hersteller wie Toshiba, Acer, Hewlett-Packard und Fujitsu-Siemens warteten gespannt auf die Fertigstellung von Microsofts neuem Betriebssystem für Tablet-PCs. Am 7. November war es dann soweit.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/20

     

Vor eineinhalb Wochen präsentierte Microsoft gleichzeitig in 17 Städten auf der ganzen Welt die neue Windows XP Tablet PC Edition, und die Hersteller durften dabei ihre ersten Tablet-PCs zeigen. Wenn es nach Microsoft geht, soll jetzt massenweise «digitale Tinte» fliessen und Papier in den Büros endgültig überflüssig werden. Geschrieben wird direkt auf den Bildschirm.
Seinen Hardware-Partnern macht Microsoft strikte Auflagen bezüglich der Eigenschaften der neuen Geräte. Alle Tablet-PCs müssen etwa über einen Digitizer für die Handschrifterkennung verfügen, der auf den Stift unabhängig vom Druck anspricht. Ausserdem müssen die Geräte innerhalb von fünf Sekunden aus dem Standby-Modus betriebsbereit sein und sich während des Betriebs in eine Dockingstation ein- und ausklinken lassen.
Tablet-PCs gibt es grundsätzlich in zwei verschiedenen Varianten: «Convertible»-Modelle, wie sie Acer und Toshiba zeigten, sind Notebooks, die zum Schreibblock werden, indem der Bildschirm umgeklappt und auf der Tastatur verankert wird. Die «Slate»-Version dagegen ist ein reiner Tablet-PC ohne Tastatur. Solche Modelle bieten zurzeit Fujitsu und HP an.
Der Verzicht auf die Tastatur macht es möglich, dass der Flachcomputer nur noch rund 1,5 Kilogramm wiegt und dennoch über die volle Funktionalität eines Notebooks verfügt.
Auch ein Tablet-PC läuft aber nur solange, wie die Akkus mitmachen. Laut Microsoft tut er dies jedoch im Unterschied zu den meisten Notebooks nicht nur zwei Stunden lang, sondern während eines vollen Arbeitstags. Erkauft wird die lange Laufzeit durch genügsame Prozessoren mit geringerer Leistung. Für den Betrieb gängiger Office-Programme sollten sie jedoch ausreichen.

Stift und Handschrift

Windows XP Tablet PC Edition ist nur als OEM-Version vorgesehen und kommt nicht als eigenständiges Softwarepaket in den Handel. Im Grunde handelt es sich dabei um ein Windows XP Professional, das mit Stiftbedienung, Handschriftenerkennung und einigen Zusatzprogrammen ergänzt wurde. Microsoft hat zwei volle Jahre daran gearbeitet.
Im Gegensatz zu den meisten PDAs hat der Tablet-PC keinen berührungsempfindlichen Bildschirm. Die digitale Tinte kommt aus einem Stift, der elektromagnetische Signale aussendet. Diese werden selbst dann empfangen und umgesetzt, wenn der Stift den Bildschirm nicht berührt und nur darüber bewegt wird.
Die Anwender müssen auch keine spezielle Schrift erlernen wie etwa beim Palm. Die Software wandelt normale, handschriftliche Notizen in Maschinenschrift um. Im Unterschied zu anderen Handschrifterkennungstechnologien enthält das Microsoft-System keine Datenbank mit Pixelbildern, sondern berechnet die Buchstaben auf Grund von Bezier-Kurven. Dafür wurden mehrere Millionen Handschriften aus der ganzen Welt in Englisch, Französisch, Deutsch, Japanisch und Chinesisch gesammelt und analysiert.
Für die Aufzeichnung der Notizen hat Microsoft das neue Dokumentenformat .jnt eingeführt. Es steht für Journalnotiz. Schnelle Ideen lassen sich damit ähnlich wie beim MacOS von Apple in Form von «Sticky Notes» festhalten.

Hardware-Risiken

Seit der Xbox kennt Microsoft die Risiken, die mit Hardware verbunden sind: Erst nach einem deutlichen Preiszerfall zogen die Verkäufe an, und Microsoft rechnet weiterhin mit hohen Kosten, um den Absatz der Spielkonsole in den nächsten Jahren weiter anzukurbeln. Ähnlich hohe Anlaufkosten könnten auch für den Tablet-PC anfallen, um das Konzept in den Markt zu drücken.
Die Preise der Tablet-PCs dürften sich vorläufig rund 15 Prozent über denjenigen der ebenfalls nicht gerade billigen Marken-Notebooks einpendeln. Nach US-Schätzungen kostet die Implementation die Hersteller rund hundert Dollar. Dazu kommt die relativ aufwendige Hardware wie etwa das LCD-Display. Trotzdem könnte sich die Stift-Option durchsetzen und zumindest bei bestimmten Klassen von Notebooks zum Standard werden.
Nach Meinung mancher Experten werden die Tablet-PCs weniger Notebooks und PDAs konkurrenzieren als vielmehr den bereits jetzt strapazierten Markt der normalen PCs. Sollten sich die tragbaren Geräte als zuverlässig erweisen, soll angeblich mancher ganz auf seinen stationären PC verzichten, heisst es.
Nach Gartner Dataquest werden Geräte mit der neuen Windows-Version im nächsten Jahr allerdings kaum mehr als ein Prozent der gesamten Notebook-Verkäufe ausmachen. Gartner argumentiert, die fehlenden Anwendungen (bisher nur Microsoft Office), die eher plumpen Designs und hohe Preise würden die Anwender vom Kauf abhalten. Die Marktforscher von IDC sind etwas optimistischer und rechnen mit knapp acht Prozent Umsatzanteil.
Frühe Designstudien hatten sich noch am Geschmack eines jugendlichen Publikums orientiert. Jetzt jedoch werden die Tablet-PCs in gedeckten Farben ausgeliefert, um diejenigen anzusprechen, welche die Büros dieser Welt bevölkern. Im Geschäftskundensegment entscheidet aber nicht zuletzt die Qualität der Handschrift-Erkennung über Erfolg oder Misserfolg. Microsoft verspricht eine Erkennungsquote von 95 Prozent.
Das klingt gut. Doch entscheidend sind letztlich immer die verbleibenden fünf Prozent, die nicht erkannt werden und entsprechend Ärger bereiten. Die bisher gezeigten Geräte sind zwar gut, tun sich aber mit eigenständigen Schriftbildern immer noch schwer. Und die Software ist nicht lernfähig. Chief Technology Officer John McKinley von Merrill Lynch scherzte daher in einem Interview: «In der Schule bekam ich immer schlechte Noten im Schönschreiben. Seit ich den Tablet-PC benutze, weiss ich warum.» Microsoft-Vertreter wollten, wie der News-Dienst C-net schreibt, diese Geschichte nicht kommentieren. (fis)


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