«Eigentlich eine Immobilienfirma»

Im europäischen Markt für Datencenter gibt es ein klares Überangebot. Nicht für reines «Facility»-Management, sagt der Branchenveteran Paolo Sutter von Digiplex.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/06

     

«Ja, man könnte uns als spezialisierte Immobilienfirma bezeichnen», sagt Paolo Sutter (Bild) von Digiplex. Sutter kennt die Schweizer IT-Szene in- und auswendig. Wie der Tessiner, der heute europaweit für Geschäftsentwicklung und Partnerschaften bei Digiplex zuständig ist, zur erweiterten Immobilienbranche kam, ist eine längere Geschichte. Sutter war 10 Jahre bei DEC, dann bei NCR, wo er den Unix-Channel betreute.
Als NCR von AT&T geschluckt wurde, war er zusammen mit Marcel Casserini, dem heutigen Leiter von Psinet Schweiz, beim Disti Comdisco, der alsdann von Computer 2000 übernommen wurde.
Darauf gründete er im Tessin eine eigene Firma, den Systemintegratoren STC und betrieb seit 1994 einen eigenen POP in Manno. Da war die Verbindung zum Ex-Arbeitskollegen Casserini bei Psinet vorgespurt. Im Sommer 99 wechselte Sutter zu Psinet als Verantwortlicher für Allianzen, die Aktivitäten seiner eigenen Firma gingen an die Badener Copyrex.
Der sprachgewandte Manager packte zu, als sich ihm bei Digiplex die Chance bot, europaweit und mit direktem Draht zum CEO Verantwortung zu übernehmen. Er pendelt nun zwischen dem Tessin und den sechs Standorten des Konzerns und baut das Geschäft des Hosters auf.

Sicherheit, Sicherheit

Die Schwierigkeiten der Hosting/Housing-Branche (Psinet in den USA unter Gläubigerschutz, Global Crossing gecrasht, Energis Schweiz steht zum Verkauf) macht es nicht gerade leicht, potentiellen Kunden Vertrauen einzuflössen. Was nützen doppelt geführte Dieselgeneratoren im Keller, die einen Stromausfall überbrücken können, wenn ein Siegel des Konkursverwalters darauf klebt?
So betont Sutter, dass Digiplex mit einem soliden finanziellen Polster ausgerüstet sei und die dahinter stehenden Investoren Carlyle Group und Providence langfristig denken.
Digiplex ist reiner Anbieter von Infrastruktur. Man vermietet mit langfristigen Verträgen individuell ausbaubare, grosse Flächen und sorgt für Sicherheit, Stromversorgung, Gebäudemanagement und Anschluss an die Datennetze mehrerer, grosser Carrier.
Wenn Sutter über die Sicherheitsvorkehrungen in den Digiplex-Centern spricht, kommen leichte Erinnerungen an «1984» von Georg Orwell auf: Die Wächter sind bewaffnet, jeder Winkel wird von automatischen Kameras und Bewegungssensoren überwacht und alles steckt hinter 2,5 m hohen Zäunen. In Oslo hat man gleich das ehemalige Gebäude des Geheimdienstes übernommen, an Überwachung dürfte es dort wohl nicht fehlen...
Selbstverständlich sind Stromversorgung und Kühlung redundant und jedes der riesigen Gebäude in Genf, Frankfurt, Mailand, London, München und Oslo an mindestens zwei Carrier angebunden.
Ausserdem vermietet Digiplex nicht nur Raum für Server, Switches etc., sondern auch Büroräume für die Mitarbeitenden der Mieter.

Der Outsourcer der Outsourcer sourct out

Sutter schwebt eine komplexe Welt von Outsourcern und Unter-Outsourcern vor. Seine potentiellen Kunden, etwa eine EDS oder IBM sollen Kauf, Engineering und Bau der Immobilien Digiplex überlassen und sich auf ihr Kerngeschäft, Bau und Wartung der IT-Infrastruktur der Kunden konzentrieren. Digiplex scheut sich nicht, selbst zusätzliches Know-how beizuziehen. So wird etwa Bau und Wartung von Stromversorgung und Klimaanlagen zu ABB vergeben. Digiplex ist in diesem Sinn auch Finanzdienstleister. Denn die Firma kauft nach Bedarf für einen Kunden auch Gebäude und baut sie Datencenter-gerecht um.
Interessante Aussichten für eine Zusammenarbeit gibt es für grosse Systemintegratoren. So vermarktet Digiplex zusammen mit dem deutschen Systemintegratoren Arago «schlüsselfertige» Pakete bestehend aus Datencenter und gemanagten Pizzabox-Servern. Der Systemintegrator ist für Betrieb und Wartung der eigentlichen IT verantwortlich, Digiplex stellt alle gebäudenahen Dienste.

Wie lange gibt es Digiplex noch?

Angesichts der Überkapazitäten bei den Datencentern, die in der .Com-Euphorie wie Pilze aus dem Boden schossen, steht die Frage nach dem Überleben von Digiplex natürlich im Raum. Sutter: «Wenn nur schon ein Drittel unseres Forecasts eintrifft, haben wir sehr gute Zeiten vor uns. Die Center in München und London sind ausgebucht, in London werden wir sogar zukaufen. An anderen Orten gibt es ein grosses Überangebot.
So haben wir das Center in Amsterdam geschlossen. Grundsätzlich bauen wir unsere Center erst kundenspezifisch aus, wenn ein Vertrag abgeschlossen worden ist. So könnten wir sogar ohne einen einzigen vermieteten zusätzlichen Quadratmeter noch zwei Jahre überleben.» (hc)


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