Hat die EU-Kommission wichtige Warnsignale bei der Übernahme von
Vmware durch Broadcom ignoriert? Das kritisiert zumindest der Verband Cloud Infrastructure Services Providers in Europe (CISPE). Der CISPE betont in einem Schreiben an das EU-Gericht, dass der Broadcom-CEO vor dem Deal wirtschaftliche Versprechungen zur Steigerung des VMware-Gewinns gemacht habe, die nur über eine "aggressive Monetarisierung des gebundenen Kundenstamms" durch drastische Preiserhöhungen und erzwungene Produktbündelungen erreicht werden könnten.
Zudem weist der Verband auf die Finanzierungsstruktur der Übernahme hin. So habe Broadcom in diesem Zuge 28,4 Milliarden US-Dollar an neuen Schulden aufgenommen und rund 8 Milliarden US-Dollar der bestehenden Schulden von VMware übernommen. Auch das soll ein Anreiz für den Chip-Konzern gewesen sein, um so schnell wie möglich Gewinn aus der installierten VMware-Basis zu ziehen.
Trotz Warnungen von Kunden und Branchenverbänden sowie der öffentlichen Erklärungen des Broadcom-Managements habe die Kommission laut CISPE aber weder das Risiko geprüft noch erwähnt, dass Broadcom die marktbeherrschende Stellung von VMware nutzen könnte, um erhebliche Preiserhöhungen durchzusetzen und die vertragliche Bindung zu verschärfen. Nun seien die befürchteten Preissteigerungen, Mehrjahresabonnements und Produktbündelungen eingetreten.
"Die Kommission hat diese Fusion mit halb geschlossenen Augen betrachtet und für unbedenklich erklärt. Mit der Genehmigung des Deals hat Brüssel Broadcom einen Blankoscheck ausgestellt, um Preise zu erhöhen, Kunden zu binden und unter Druck zu setzen", kritisiert Francisco Mingorence, Generalsekretär des CISPE. "Wie zu erwarten war, hat Broadcom diesen Scheck mit Zinsen eingelöst. Dies war ein Versagen der Aufsichtsbehörde, das für den europäischen Cloud-Sektor und alle davon abhängigen Unternehmen mit realen Kosten verbunden ist."
Aktuell prüft das Gericht der Europäischen Union die Entscheidung der Europäischen Kommission. Sollte das Gericht die Genehmigung der Kommission aufheben, hätte das laut dem Verband weitreichende Auswirkungen auf die 61-Milliarden-Dollar-Investition von
Broadcom. Die Kommission müsste die Transaktion unter Berücksichtigung der aktuellen Marktbedingungen erneut prüfen, wodurch erhebliche Rechtsunsicherheit für Aktionäre, Gläubiger, Kunden, Lieferanten und Investoren von Broadcom entstehen würde.
(sta)