'Zuerst standardisieren, dann automatisieren'
Quelle: Uniqconsulting

"Zuerst standardisieren, dann automatisieren"

Michael Tobler, Head of Business Operations bei Uniqconsulting, berichtet im Interview von ­seinen Erfahrungen mit Standardisierung und Automatisierung im Managed-Services-Bereich.

Artikel erschienen in IT Reseller 2025/10

   

«IT Reseller»: Herr Tobler, mit Uniqconsulting haben Sie bereits den Wandel vom klassischen Projektgeschäft hin zu Managed Services durchlaufen beziehungsweise durchlaufen ihn weiter. Wie verändern sich damit Ihre internen Prozesse?
Michael Tobler:
Vor allem benötigen wir Standardisierung. Das ist wahrscheinlich die grösste Herausforderung, denn das setzt auch bei den Mitarbeitenden ein Umdenken voraus, angefangen im Vertrieb bis hin zum Engineer. Als klassischer Systemintegrator waren wir es gewöhnt, möglichst genau auf die Kundenbedürfnisse einzugehen und für jeden Kunden etwas Einzigartiges zu bauen. Und das funktioniert natürlich im Managed-Service-Geschäft nicht. Da benötigen wir Standards, damit wir effizient arbeiten können. Und somit auch nur so viel Customization, wie sinnvoll ist. Natürlich müssen wir nach wie vor auf die Kundenbedürfnisse eingehen können. Aber das sollte sich in einem Rahmen bewegen, der bei uns nicht zu einem zu grossen Aufwand führt.

Wie verläuft dieser Prozess hin zu Managed Services bei Ihnen aktuell?
Das Thema Modern Workplace ist das erste, das wir heute wirklich als Service anbieten können. Also nicht nur im Sinne von Outtasking, sondern als vollumfänglicher Managed Service. Zu diesem werden in Zukunft weitere Services hinzukommen. Das Service-Provider-Geschäft gibt es bei uns schon seit mehreren Jahren, aber wirklich konsumierbare Services, die skalierbar und nicht explizit auf den Kunden zugeschnitten sind, das ist tatsächlich relativ neu.


Und wie geht man diesen Wandel aus Ihrer Sicht am besten an? Schritt für Schritt oder so schnell wie möglich?
Wenn Sie einen Service von Grund auf aufbauen wollen, dann arbeiten Sie sicher ein bis zwei Jahre daran, bis Sie den Service perfekt auf den Markt bringen können. Aber dann ist es meiner Meinung nach schon zu spät. Daher ist es eher eine Evolution. Es muss nicht alles von Anfang an funktionieren, auch was Standardisierung, Automatisierung und Effizienz angeht. Das war auch für uns ein wichtiges Learning. Im ersten Schritt gilt es zu standardisieren, und später kann man dann automatisieren, sobald eine grössere Masse an Services vorhanden ist. Zu Beginn gibt es also noch etwas mehr personellen Aufwand, bis wir dann nach und nach Prozesse automatisieren werden. Von Anfang an alles vom Onboarding über das ganze Reporting und die Dokumentation zu automatisieren, das ist wiederum nicht möglich. Zuallererst müssen wir den Service auf den Markt bringen und verkaufen, dann kommt die Automatisierung.
Automatisierung ist also immer auch eine Frage der Kosten?
Ja, natürlich. Wir müssen Schnittstellen zwischen dem ERP-System, dem IT-Service-Management-Tool und dem Remote-Management-Tool bauen. Das ist gerade im Fall des ERP sehr aufwendig und damit immer auch ein Kostenpunkt.

Und was waren Ihre bisherigen Learnings im Automatisierungsprozess? Wo ergibt sich mit Blick auf Kosten/Nutzen der grösste Mehrwert?
Das ist aus meiner Sicht das Zusammenspiel aus ­Remote-Management- und IT-Service-Management-­Tool. So können wir die Configuration Management Database automatisiert führen und wissen, in welchem Zustand Geräte sind, wie lange sie noch Service erhalten und über das ERP auch die finanziellen Daten abrufen. Wann geht die Rechnung raus? Wann muss das Gerät erneuert werden? In welchem Zustand ist es? Welchem Benutzer ist es zugeordnet? So müssen wir nie Grundlagenforschung betreiben.


Der Idealzustand wäre also für die Zukunft, alles über ein Dashboard anzeigen zu können?
Das ist sogar essenziell, um unseren Mitarbeitenden jederzeit die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen zu können und sie nicht individuell zusammensuchen zu müssen. Aber bisher ist das zumindest mit verfügbaren RMM-Tools nicht möglich gewesen, es hat immer etwas gefehlt. Wir haben das also mit Servicenow gelöst. Wir bringen die Informationen zentral in unser IT-Service-Management-Tool ein und konsolidieren sie dort. Manuellen Aufwand gibt es wiederum noch beim Onboarding und Offboarding von neuen Kunden. Wenn hingegen neue Devices hinzukommen, ist das mittlerweile weitestgehend automatisiert.

Wenn wir noch mal einen Schritt zurückgehen: Warum ist diese Prozessautomatisierung und -optimierung so dringend notwendig?
Ich könnte den Service wahrscheinlich auch ohne ­Automatisierung ein Stück weit aufrechterhalten. Allerdings ist dann keine Skalierung möglich und auch die Qualität leidet. Denn ich habe zum Beispiel zu lange Antwortzeiten, wenn ich meine Informationen erst zusammensuchen muss. Und wir wollen natürlich Fehler vermeiden. Das ist bei menschlichen Fehlern über Automatisierung möglich. Mitarbeitende müssen sich zudem nicht mit Routineaufgaben beschäftigen, sondern können sich um interessante Themen kümmern. Das steigert wiederum die Motivation. In Summe macht es uns einfach schneller, wenn wir nicht alles manuell machen müssen. Beispielsweise, wenn ich jeden Monat die Informationen zusammensuchen muss, um eine Rechnung für den Kunden zu erstellen, dann ist das zeitaufwendig, demotivierend und jeden Monat dasselbe. Das Schöne ist, neue Kunden können wir hier sehr schnell implementieren. Schwieriger ist es wiederum, wie wir mit bestehenden Kunden umgehen, die diese Standardisierung vielleicht noch nicht in dieser Form erlebt hatten.
Das Gespräch mit Kunden und auch Mitarbeitern ist also manchmal aufwendiger als die Technik?
Ja, ich denke, das unterschätzt man gerne. Das war auch ein Learning bei uns: Tools und Schnittstellen, das ist alles ok, das bekommen wir hin. Aber wir müssen auch wissen damit umzugehen und die Mitarbeitenden entsprechend sensibilisieren.

Und beim Kunden ist auch ein Umdenken notwendig?
Es benötigt tatsächlich ein Umdenken beim Kunden, gerade bei Managed Services im Datacenter-Bereich. Da gibt es ja auch viele persönliche Präferenzen: «Ich arbeite lieber mit dem Hersteller und dann kommst du als Service Provider und sagst, ja, es spielt gar keine Rolle, welche Technologie da darunter steht.» Daher ist es für uns wichtig, dass wir mit den richtigen Personen im Unternehmen sprechen. Nicht mehr zwingend mit dem System Engineer des Kunden, sondern eher mit dem IT-Manager oder wenn möglich mit Leuten, die sehr nah am Business sind.


Wie wichtig sind bei diesem Wandel allgemein die richtigen Tools? Können diese unterstützen?
Absolut, vor allem, wenn sie die Tools richtig einsetzen. Wir mussten wie erwähnt auch erst lernen, richtig mit dem Remote Monitoring & Management umzugehen und haben einiges dazugelernt, was möglich ist, wo wir Fehler machen oder wo wir das Produkt noch zu wenig verstehen. Daher ist es wichtig, die Tools wirklich gut zu kennen und sich damit zu befassen. Das darf man nicht unterschätzen.

Haben Sie da Unterstützung von Herstellerseite erhalten?
Wir arbeiten mit N-central von N-able und sie bieten wirklich sehr viele Videotrainings- und -sessions, in die man sich einklinken kann. Auch um Erfahrungen auszutauschen oder Fragen zu stellen. Das hilft. Beispielsweise auch bei Use Cases im Automatisierungsbereich, die aufzeigen, welche Möglichkeiten, Tricks und Kniffe es gibt. Und dann geht es darum, dieses Wissen in die Breite zu bringen und das Know-how im Unternehmen zu verteilen, damit es nicht bei einem einzelnen Mitarbeiter hängen bleibt.
Haben Sie hier eine Lösung gefunden?
Sicherlich sind Knowledge-Datenbanken mit Beiträgen hilfreich. Aber der Schlüssel ist wirklich die direkte Kommunikation unter den Mitarbeitenden. Dafür muss man die passenden Plattformen schaffen, damit dieser Austausch stattfindet. Um ihn aktiv zu fördern. Das hat bei uns mehr Erfolg gebracht als zu versuchen, das Know-how schriftlich festzuhalten. Und man muss sagen, dass uns KI dabei in Zukunft noch helfen kann.

In welcher Form?
Die Informationen für Mitarbeitende direkt in passender Form darzustellen, passend zum Case oder der Problemstellung, an der ich aktuell arbeite.


Kommt KI auch schon an anderer Stelle zur Optimierung der Prozesse zum Einsatz? Beispielsweise Customer-facing im Service Management?
Customer-facing fehlen uns tatsächlich noch die strukturierten Daten in der notwendigen Qualität, um hier mit Chatbots arbeiten zu können. Dafür ist unser Portfolio zu breit mit zu vielen verschiedenen Daten, die anfallen.

Gibt es noch nichts Passendes von der Stange?
Nein, KI-Modelle mit einer geeigneten Datengrundlage kann ich schlicht nicht standardisiert einkaufen. Das ist dann zu spezifisch. Und die Herausforderung für uns als Systemintegrator und Manged Service Provider ist, dass wir in einem Service zahlreiche Komponenten von verschiedenen Herstellern haben. Und gerade diese individuelle Kombination der Tools macht etwaige Probleme entsprechend kompliziert.

Und im Monitoring-Bereich? Gibt es hier schon KI-Praxiseinsatz?
Hier haben wir noch keine KI im Einsatz, aber das ist sicherlich eine spannende Entwicklung. Was uns aber bereits hilft, sind Tools, die abbilden, wie sich ein Service wirklich zusammensetzt und welchen Impact es auf den gesamten Service hat, wenn eine Komponente ausfällt. Das ist nicht ganz einfach, erfordert viel Pflege. Aber so können wir einiges an Ressourcen einsparen, weil wir entscheiden können, auf welches Event wir sofort reagieren müssen, weil es negative Auswirkungen auf den Kunden hätte. Das ist jetzt noch nicht wirklich KI, aber bereits eine logische, verknüpfte Darstellung des Service.
Muss man also die Erwartungen an KI im ­Managed-Services-Umfeld noch etwas zurückschrauben?
Es braucht auf jeden Fall eine gute Datenbasis und eine gewissen Grösse. Sprich, ich muss Massen an Daten haben, um wirklich relevante Resultate aus der KI herausziehen zu können. Da sind wir noch etwas zu klein im Moment. Aber in einem eng geschnittenen, standardisierten Angebot wie Workplace as a Service sehen wir hier durchaus schon Vorteile. Hier können wir sicher bald vorwärtskommen, auch wenn die ­Implementation aufwendig ist. Aber wir kommen nicht darum herum, daher befassen wir uns auch schon sehr intensiv damit.

Was steht über KI hinaus bei Uniqconsulting als nächstes an, wenn man die beiden Punkte Automatisierung und Optimierung der internen Prozesse betrachtet?
Wichtig ist eine Schnittstelle zu den Hardware-Lieferanten, damit wir die Pflege unseres Angebots im Self-Service-Portal automatisieren können. Das ist sicher ein Punkt. Und dann geht es darum, unsere Services etwas breiter aufzustellen und weitere Brands hinzuzunehmen. Im Moment sind wir hier noch sehr fokussiert, das wollen wir aber ausweiten, um die Präferenzen der Kunden besser abbilden zu können.


Haben Sie darüber hinaus noch eine abschlies­sende Empfehlung auf Basis Ihrer bisherigen Erfahrungen?
Aus meiner Erfahrung ist es enorm wichtig, von ­Anfang an genau zu wissen, wie die Leistung aussehen soll. Denn wenn ich später eine Änderung am Angebot vornehme, schlägt das ziemlich hart durch die ganze Systemlandschaft durch und ich muss Automatisierung und Standardisierung nochmals neu anpassen. Ich sollte alles von Anfang an möglichst klar definieren, um grössere Änderungen zu vermeiden. Der Service muss nicht von Anfang an perfekt sein, er muss auch nicht von Anfang an alles abdecken können. Aber ich muss wissen, wie ich weiterkomme und wie er in drei Monaten oder in einem Jahr aussehen soll.

Wie lange hat denn die Planungsphase bis zum fertigen Service bei Ihnen gedauert?
Doppelt so lange wie wir gedacht hatten. Eigentlich wollten wir von der Idee bis zur Umsetzung alles in neun Monaten schaffen, den ersten Service mit 500 Clients. Am Ende hat es 18 Monate gedauert. Wir haben die Komplexität unterschätzt. Daher gilt es immer, lieber ein bisschen mehr Zeit einzuplanen. (sta)


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