Das technische Rückgrat des Managed-Service-Business
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Das technische Rückgrat des Managed-Service-Business

Wer sein Managed-Services-Portfolio strategisch angehen will, muss Prozesse optimieren und standardisieren, um letztlich ­erfolgreich skalieren zu können. Die richtigen Werkzeuge wie RMM-Lösungen spielen dabei eine zentrale Rolle – müssen aber auch konsequent eingesetzt und möglichst tief in andere ­Systeme integriert werden. Denn auch Silos können entstehen, Komplexität und Kosten mit mehreren isoliert eingesetzten Tools sogar steigen. Doch gerade in Kombination mit ­Künstlicher Intelligenz wird ihr Potenzial nochmals deutlich ­steigen und die Automatisierung bei MSPs vorantreiben.

Artikel erschienen in IT Reseller 2025/10

   

Mit dem Umstieg auf das Managed-Services-­Geschäft steigt für IT-Dienstleister – gerade zu ­Beginn – auch die Komplexität, wenn es darum geht, ein erstes Angebot auf die Strasse zu bringen und langfristig die Verfügbarkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Dabei spielen auch allgemeine Marktentwicklungen eine bedeutende Rolle. Denn MSPs stehen aktuell vor mehreren Herausforderungen: dem Fachkräftemangel, steigenden Sicherheitsanforderungen und der Cloud-Transformation, fasst Tobias Schmidt, Director Channel & Alliances EMEA Sales bei Teamviewer, zusammen. Viele Organisationen arbeiten heute mit einem Mix aus On-Premises-Systemen, Private- und Public-Cloud-Diensten. Hinzu kommen Home-Office-Arbeitsplätze, mobile Endgeräte sowie IoT-Komponenten, die ebenfalls integriert und abgesichert werden müssen. Sprich: Die Komplexität nimmt kontinuierlich zu und für MSPs ergibt sich je nach Serviceumfang oder nach Kundenstamm ein enorm breites Spektrum. Hinzu kommt das Thema Ressourcen, die auch bei IT-Dienstleistern knapp bemessen sind. «Für MSPs wird es immer schwieriger, die wachsende Zahl der Endgeräte ihrer Kunden im Blick zu behalten und effektiv zu verwalten, während sie gleichzeitig Sicherheits- und Compliance-Anforderungen wie NIS2 und DORA erfüllen und das Wachstum ihrer Kunden unterstützen müssen», so auch Andre Schindler, GM EMEA und SVP Global Sales bei Ninja One. «Insgesamt stehen MSPs ständig vor der Herausforderung, mit weniger mehr zu erreichen.»

Umso entscheidender ist die Rolle von technischen Werkzeugen, die MSPs ihre Arbeit erleichtern können und sollen. «Wenn Teams knappe Ressourcen über mehrere Rollen hinweg abdecken müssen, hilft Automatisierung dabei, Routineaufgaben zu reduzieren und den Fokus auf komplexere Tätigkeiten zu legen», so Schmidt. Gleichzeitig seien Sicherheit und Compliance ohne Funktionen wie Zero Trust, granular gesteuerte Zugriffsrechte oder proaktive Überwachung kaum noch zu gewährleisten.


Im Fokus: Remote Monitoring und Management, RMM-Lösungen. «Da die meisten Kernaufgaben – Patching, Backups, Überwachung, Ticketing – remote und automatisch erledigt werden, reduzieren MSPs die Notwendigkeit häufiger Vor-Ort-Besuche und können einen effizienteren Service bieten», unterstreicht Schindler. RMM-Lösungen dienen heute aber längst nicht mehr nur als Werkzeuge für Fernwartung, sondern können überwachen, essenzielle Informationen bündeln und so das primäre Dashboard des Managed-Services-Teams bilden. «Remote Management und Monitoring ist ein zentrales Element, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von MSPs zu sichern. Um sowohl proaktiv als auch reaktiv agieren zu können, müssen MSPs jederzeit den Überblick über die IT-Umgebungen ihrer Kunden behalten», so Markus Bauer, Senior Technology Evangelist EMEA bei Acronis. «MSPs müssen heute mehr Kunden mit weniger Personal betreuen, während auch weniger Personal in den IT-Teams der Unternehmen vorhanden ist.»

RMM-Anbieter wie Acronis, Ninja One und Teamviewer, N-able, GoTo, Kaseya, Connectwise und Atera haben diese Marktveränderungen verstanden. Sie rüsten ihre Lösungen auf und integrieren immer mehr Funktionen, um einheitliche IT-Management-Plattformen anbieten zu können, die neben dem reinen Fernzugriff beispielsweise auch Audit/Dokumentation, Ticketing und Abrechnung mit an Bord holen. Das kann Vorteile für die IT-Umgebung der MSPs bieten. Denn in den vergangenen Jahren habe sich im Markt eine heterogene Tool-Landschaft entwickelt, berichtet Markus Bauer. «Viele MSPs arbeiten mit einer Vielzahl unterschiedlicher Lösungen, die kaum miteinander integriert sind. Das verhindert effiziente Automatisierung.» Effizienz sei aber gerade vor dem Hintergrund der Ressourcenknappheit ein entscheidender Erfolgsfaktor. «Anstatt zusätzliche Komplexität zu schaffen, sollten Tools den Betrieb vereinfachen und unterstützen – idealerweise in Form nativ integrierter Lösungen, die ein ganzheitliches, lösungsorientiertes Management ermöglichen.»

Prozesse anpassen, Tools integrieren

Das setzt aber nicht nur die Wahl der richtigen Software, sondern auch Know-how seitens der Managed Service Provider voraus. Diese müssen sich intensiv mit den RMM-Lösungen und ihren Funktionen auseinandersetzen, um gegebenenfalls auch die eigenen Prozesse anzupassen oder neue Fähigkeiten im Team aufzubauen. Denn um RMM als strategisches Asset einzusetzen, reiche technisches Know-how allein nicht mehr aus, ist Tobias Schmidt von Teamviewer überzeugt. «MSPs sollten ihre Kompetenzen vor allem in vier Bereichen ausbauen: Erstens rückt der Fokus weg von klassischen Service Level Agreements hin zu Experience Level Agreements, die die tatsächliche Nutzer­erfahrung messen – ein entscheidender Faktor für Kundenbindung und Differenzierung. Zweitens braucht es Datenkompetenz: Nur wer die aus RMM gewonnenen Informationen richtig analysiert, kann Trends, Produktivität und Zufriedenheit ableiten. Drittens ist ein tiefes Verständnis der Geschäftsprozesse der Kunden notwendig, damit RMM nicht isoliert im IT-Silo bleibt, sondern echten Business-Mehrwert liefert.» Und viertens gewinne die zunehmende Automatisierung an Bedeutung: proaktive, selbstheilende Mechanismen steigern laut Schmidt nicht nur die Effizienz, sondern auch das Nutzererlebnis.

Das grösste Potenzial geht jedoch verloren, wenn die RMM-Tools beim Dienstleister isoliert betrachtet werden. «Es ist ein wichtiger Baustein, aber nur einer von vielen. Strategisch entscheidend ist die Integration in eine umfassende Plattform», bekräftigt Markus Bauer von Acronis. «Dazu gehören Automatisierung, Self-Healing, Patch-Management, Security-by-Design, aber auch Funktionen wie Remote Desktop, EDR/XDR, Backup & Recovery sowie Compliance- und Kapazitätsberichte. MSPs sollten Kompetenzen entwickeln, die es ihnen ermöglichen, all diese Bereiche orchestriert zu nutzen. Nur dann wird RMM zu einem echten strategischen Asset.»


In Folge bilden die Lösungen die technische Grundlage, um Prozesse im Rahmen des Managed-Services-Angebots zunehmend standardisieren und letztlich auch automatisieren zu können. Denn nur wer nicht jede Kundenrechnung per Hand zusammentragen, jedes neue Gerät manuell erfassen muss, entwickelt sich tatsächlich weg von den klassischen, meist hochindividuellen Ansätzen des Projektgeschäfts hin zum Managed-Services-Anbieter. «RMM verschiebt die Beziehung zwischen MSPs und ihren Kunden von reaktiver Problemlösung hin zu proaktiver Betreuung», erklärt Schmidt. Viele Aufgaben, die früher Vor-Ort-Einsätze erfordert haben, werden heute remote erledigt – oft noch, bevor der Kunde selbst eine Störung bemerkt. Das verändert auch die Kommunikation: Statt den Feuerwehreinsatz in den Mittelpunkt zu stellen, rücken Transparenz, regelmässige Abstimmungen und nachvollziehbare Reports in den Vordergrund.» So entstehe eine partnerschaftliche Beziehung, die auf Vertrauen und kontinuierlicher Betreuung basiere – auch wenn der persönliche Kontakt seltener werde.

Markus Bauer sieht in diesem Kontext wiederum den grossen Vorteil für Kunden darin, nicht zwangsläufig auf den räumlich nächsten IT-Dienstleister zurückgreifen zu müssen, sondern zumindest theoretisch die freie Wahl zu haben. «Kunden sind nicht mehr auf einen Dienstleister um die Ecke angewiesen, sondern können gezielt nach einem MSP suchen, der ihre spezifischen Anforderungen versteht. Ein Partner mit Branchenerfahrung – etwa im Gesundheitswesen oder im Finanzsektor – bietet deutlich mehr Mehrwert als reine physische Nähe.» Expertise schlage dabei Präsenz: Denn das Vertrauensverhältnis basiere zunehmend auf Fachwissen, weniger auf räumlicher Verfügbarkeit.

KI als nächster Schritt

Und mit Künstlicher Intelligenz steht bereits der nächste Entwicklungsschritt im RMM-Bereich vor der Tür – oder hat diese längst durchschritten. Denn es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, was intelligente Mechanismen leisten können, um IT-Teams beispielsweise bei Routineaufgaben zu entlasten, Tickets zu bearbeiten, Wissen zu aggregieren, Wartungsprozesse zu optimieren oder auch Sicherheitsvorfälle weitestgehend selbstständig zu bewerten. «KI wird RMM neu definieren, indem sie komplexe Workflows dynamisch orchestriert, Anomalien frühzeitig erkennt und Probleme automatisch behebt. Dies wird das Ticketvolumen und die durchschnittliche Lösungszeit reduzieren, sodass Techniker mehr Endpunkte ohne zusätzliches Personal verwalten können», erklärt Andre Schindler von Ninja One. Und auch Bauer sagt: «Das Potenzial ist enorm. Allerdings wird KI derzeit oft pauschal betrachtet. Gerade im RMM-Umfeld geht es stark um Machine Learning und Machine Intelligence. Systeme müssen lernen, wie Workloads üblicherweise genutzt werden, und daraus eigenständig Anomalien ableiten. Das gilt auch für den Bereich Security.» Wenn eine Lösung die üblichen Software- und Nutzungsmuster eines Kunden kenne, liessen sich False Positives deutlich reduzieren. «Auf dieser Basis lassen sich Automatisierungen etablieren – etwa durch intelligente Skripte, die von Partnern oder durch KI erstellt und vom System überwacht werden. Die grösste Stärke liegt in der Geschwindigkeit: Auf Ressourcenengpässe oder Cyberangriffe kann KI weit schneller reagieren als Menschen. Wichtig bleibt aber, genau hinzusehen: Nicht jedes KI-Label am Markt bedeutet tatsächlich intelligent», mahnt Bauer.

Dennoch zeigen erste Anwendungen laut Tobias Schmidt schon heute, wohin die Reise geht. Und das nicht nur im Monitoring-Umfeld, sondern ganz aktiv auch im Supportbereich und somit im direkten Kunden- oder Mitarbeiterkontakt. «KI-gestützte Assistenten unterstützen Techniker während einer Support-Session mit Lösungsvorschlägen oder erstellen automatisch Zusammenfassungen, die die Dokumentation vereinfachen.» Der nächste Schritt sei dann, dass RMM-Systeme Routineprobleme weitgehend selbstständig identifizieren und beheben – und den Technikern gleichzeitig Handlungsempfehlungen für komplexere Fälle liefern. «Damit verschiebt sich die Rolle der MSP-Teams: weniger manuelle Routinearbeit, mehr Fokus auf strategische Aufgaben und Kundenerfahrungen.»


Allerdings: Trotz der Versprechen der Hersteller ist die Erschliessung auch dieses Potenzials alles andere als ein Selbstläufer. MSPs benötigen nicht nur das nötige Know-how, sondern vor allem auch eine umfangreiche, individuelle Datenbasis, mit der sich die intelligenten Werkzeuge trainieren lassen. Lösungen von der Stange gibt es kaum, wie Michael Tobler von Uniqconsulting im Interview (ab Seite 33) erklärt. Aber auch er bekräftigt die Chance, die sich aus der Kombination RMM und KI ergibt.
Aber wie nahezu in jedem Bereich ist auch der Einsatz von RMM-Lösungen mit Risiken verbunden. Die grossen Supply-Chain-Angriffe der letzten Jahre auf Solarwinds oder Kaseya haben eindrücklich aufgezeigt, welche Gefahren es bergen kann, wenn die IT-Fäden mehrerer Unternehmen an einer Stelle zusammenlaufen. «Die Skepsis ist nachvollziehbar, schliesslich nutzen Cyberkriminelle häufig unsichere Fernzugriffslösungen als Einfallstor», gibt auch Tobias Schmidt zu bedenken. Moderne RMM-Plattformen würden jedoch an diesem Punkt ansetzen und seien so konzipiert, dass Sicherheit nicht nachträglich aufgesetzt, sondern integraler Bestandteil ist. «Zero-Trust-Architektur und Mikro-Segmentierung stellen sicher, dass Techniker nur auf die Systeme zugreifen können, die sie tatsächlich betreuen dürfen. Zugriffe lassen sich granular steuern und zusätzlich mit Multi-Faktor-Authentifizierung oder manuellen Freigaben absichern. Transparente Protokollierung sorgt ausserdem dafür, dass jede Aktion nachvollziehbar bleibt.» So könnten MSPs zeigen, dass Remote Access nicht zum Risiko werde, sondern im Gegenteil die Sicherheit erhöhe. Markus Bauer erklärt ebenfalls: «Die Lösung liegt in integrierten Plattformen, die RMM eng mit Cybersecurity, Backup und Disaster Recovery verknüpfen. Nur wenn die einzelnen Module miteinander kommunizieren, entsteht ein wirkungsvolles Schutznetz. Ein Beispiel: Erkennt RMM eine Anomalie, wird automatisch das EDR-Modul eingebunden, das die Bedrohung überprüft und erste Gegenmassnahmen einleitet.»

Ohne Automatisierung keine Skalierung

In Summe gilt für IT-Dienstleister, dass Standardisierung, Zentralisierung und Prozessoptimierung – gerade auch mithilfe entsprechender Tools – zentrale Anforderungen sind, um ein Angebot nicht nur im Sinne des Outtasking aufzubauen, sondern ein tatsächliches Managed-Services-Geschäft mit grösstmöglicher Skalierbarkeit. Hier können RMM-Lösungen einen wichtigen Beitrag leisten: «Das grösste Potenzial liegt darin, Automatisierung nicht nur zur Systemüberwachung einzusetzen, sondern aktiv die digitale Mitarbeitererfahrung zu verbessern – also die Art und Weise, wie Anwender ihre täglichen Tools und Prozesse erleben, von Performance und Verfügbarkeit bis hin zur Benutzerfreundlichkeit. Selbstheilende Mechanismen können viele Probleme beheben, bevor Nutzer sie überhaupt bemerken», so Schmidt. Gleichzeitig würden entsprechende Plattformen kontinuierliches Feedback zur Zufriedenheit der Anwender liefern. Das sei ein wichtiger Hebel, um die Qualität von IT-Services messbar zu machen. «Auch im Service-Management eröffnet Automatisierung grosse Chancen: Intelligente Ticket- und Workflow-Systeme reduzieren manuelle Eingriffe und beschleunigen Reaktionszeiten erheblich. Entscheidend ist dabei, dass Automatisierung nicht nur auf technische Kennzahlen ausgerichtet wird, sondern auf Experience-Ziele wie Geschwindigkeit, Verfügbarkeit und Nutzerfreundlichkeit.» (sta)


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