Innovation ist wie ein veganer Burger: Alle behaupten, ihn zu mögen – aber kaum einer weiss, was drin ist. Politiker fordern Innovation wie Teenager WLAN, Unternehmen werfen das Wort in jede zweite Präsentation und Start-ups schreiben es sich gross auf die Fahne – und aufs Kaffeetassen-Branding. Doch wehe, jemand soll diese Innovation auch wirklich kaufen. Dann ist plötzlich niemand mehr zu sprechen. «Erstmal schauen, ob das funktioniert», heisst es dann. Klar, einer muss den Pionier spielen. Nur will’s eben keiner sein.
So beginnt der typische Produktlebenszyklus oft als Kurzgeschichte: ganz viel «Wow!» in der ersten Zeile und dann – nichts. Es gibt keine Nachfrage, keine Early Adopters, keine Marktbewegung, kein Wachstum und kein Geld für weitere Investitionen. Der Motor stottert schon beim Anlassen, weil niemand den Zündschlüssel drehen will. Die Idee ist da, der Pitch war grossartig, die Demo hat funktioniert, aber der Kunde sagt: «Klingt spannend. Wir beobachten das mal.» «Beobachten!» Das ist der Innovations-Todesstoss im Business-Kauderwelsch.
Das Paradoxe daran ist: Alle lieben Innovationen. Solange sie nur bei jemand anderem stattfinden. Am liebsten in einem Pilotprojekt in Island oder bei einem Konzern, der sich das Risiko leisten kann. Hauptsache nicht selbst. Und so schieben sich alle gegenseitig die Verantwortung zu. Investoren sagen: «Zeig mal Traktion.» Kunden sagen: «Macht mal den ersten Schritt.» Händler sagen: «Meldet euch, wenn ihr Referenzen habt.» Und die Referenzen sagen: «Wir warten mal ab, was der Markt macht.»
Dabei ist der Bedarf da. Prozesse sind ineffizient, Tools veraltet und der Wettbewerb macht Druck. Und trotzdem entscheiden sich viele lieber für das Gewohnte. Sicher ist sicher. Hauptsache, man macht keinen Fehler. Denn nichts fürchtet der Mensch mehr als das eigene Scheitern – abgesehen vielleicht von einem Innovationsbudget ohne ROI-Garantie.
So steht die Innovation wie ein Raumgleiter auf der Startrampe und wartet auf Freigabe. Die Technik ist bereit. Die Crew ist motiviert. Aber der Tower ruft nicht zurück. Stattdessen wird weiter analysiert, bewertet und verglichen. Vielleicht gibt es im nächsten Quartal ein besseres Angebot. Vielleicht macht der Mitbewerber den Anfang. Vielleicht regelt der Markt das von selbst. (Spoiler: Tut er nicht.)
Die Wahrheit ist: Innovation ist nichts für Warmduscher. Sie braucht Mut, Lust auf Neues und ein bisschen Risikobereitschaft. Nicht diejenigen, die alles perfekt brauchen, sind Early Adopters, sondern diejenigen, die bereit sind, mitzugestalten. Doch davon gibt es immer weniger. Der Pioniergeist weicht dem Perfektionismus. Man wartet lieber auf Version 5.0 mit fünf Sternen bei Trustpilot. Dass es diese nur gibt, wenn vorher jemand Version 1.0 ausprobiert hat, spielt keine Rolle.
So gerät der grosse Fortschrittsmotor ins Stottern. Und niemand ist schuld. Es gibt keine Schuldigen, nur Zauderer, Zweifler und Zögerer. Alle wollen die Zukunft, aber bitte mit Rückgaberecht, Geld-zurück-Garantie und Risikozuschlag bei Nichtgefallen. Was bleibt, ist die Gegenwart. Sicher. Verlässlich. Mittelmass Deluxe.
Für Innovation braucht es keine Zuschauertribüne, sondern eine Startelf. Keine Likes, sondern Kaufentscheidungen. Wer immer nur wartet, dass andere vorangehen, wird nie selbst vorne sein. Und während wir uns noch fragen, ob das neue Ding wirklich funktioniert, hat die Kundschaft längst beim Wettbewerb bestellt. Der hat es einfach ausprobiert. Ohne Netz. Aber mit Wirkung.