Schwierige Zeiten für Telco-Ausrüster

Eine Studie der Strategieberatung Arthur D. Little zeichnet ein düsteres Bild für die Ausrüster von Telekommunikationsunternehmen. Stagnation und asiatische Konkurrenz machen Nortel und Co. vermehrt das Leben schwer.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/02

     

Die Strategieberatung Arthur D. Little hat sich erstmals in einer grösseren Studie mit den Herausforderungen beschäftigt, denen die Zulieferer von Telekom-Ausrüstung ausgesetzt sind. Dazu wurden zwischen Mai und Juli 2008 zehn Telco-Zulieferer, die 59 Prozent des weltweiten Umsatzes in diesem Bereich erzielen, im Hinblick auf 20 technologische Aspekte betrachtet. Anschliessend befragte man 100 CTOs von Festnetz- und Mobilfunkanbietern sowie diverse Organisationen der Branche.

Als zentrales Ergebnis der ersten Untersuchung zeichnet sich dabei ab, dass sich diese ­Unternehmen in einer zunehmend schwierigen Situation befinden. Ein Grund dafür ist die wachsende Bedeutung der Konkurrenz aus Asien, die zunehmend als innovativ und qualitativ beständig wahrgenommen wird. Der chinesische Anbieter Huawei hat beispielsweise bereits einen weltweiten Marktanteil von zehn Prozent erreicht. Erst kürzlich hat Swisscom dem Hersteller den Auftrag erteilt, mit der neuen optischen Transportplattform das Kernstück des künftigen All-IP-Netzes zu liefern. Verschiedene europäische Telekommunikationsanbieter setzen die Technologie von Huawei ebenfalls bereits ein. Die Chinesen haben sich im Swisscom-Ausschreibeverfahren gegen zahlreiche namhafte Konkurrenten aus Europa und Asien durchgesetzt.


Vergangenen September hatte der chinesische Anbieter zudem 400 Millionen Dollar für die Metro-Ethernet- Sparte von Nortel geboten. Der Verkauf kam vor allem deshalb nicht zustande, weil die Befürchtung im Raum stand, dass das chinesische Regime Hintertüren in die Geräte einbaue und so vor allem amerikanische Kunden wie den Geheimdienst verängstigen könnte. Auch die geplante Minderheitsbeteiligung am Netzwerkausrüs­ter 3Com vor einem Jahr scheiterte wegen Sicherheitsbedenken seitens der US-Behörden.

Stagnation, Margendruck, Übernahme
Doch nicht nur die erstarkte asiatische Konkurrenz bereitet den alteingesessenen Playern wie Ericsson, Nokia Siemens Networks, Alcatel-Lucent, Nortel oder Motorola Kopfzerbrechen. Gleichzeitig stagnieren die Netzinves­titionen in Industrieländern in den kommenden Jahren voraussichtlich bei niedrigen einstelligen Wachstumsraten - sowohl bei Fest- als auch bei Mobilfunk-Komponenten. In den letzten Jahren war das Wachstum jeweils im zweistelligen Bereich angesiedelt.

Für diese Entwicklung gibt es drei Hauptgründe: Erstens ist die Konsolidierung der nationalen und internationalen Telekommunikationsunternehmen ist noch nicht abgeschlossen. Jede weitere Konsolidierung führt einerseits zu Sys­temvereinheitlichungen und andererseits zu jeweils grösserer Einkaufsmacht. Auch gehörten laut einer anderen Studie von Ovum zumindest die europäischen Mobiltelefonie-Anbieter zu den Verlierern der Finanzkrise: Im dritten Quartal 2008 brach das Finanzergebnis der grössten europäischen Anbieter spürbar und aussergewöhnlich stark ein. Erst gerade gab die BT Group ausserordentliche Abschreibungen in der Höhe von 340 Millionen englischen Pfund bekannt. Zweitens sind die asiatischen Anbieter bezüglich Lohnkosten immer noch massiv im Vorteil, sie produzieren und entwickeln massiv günstiger als die Konkurrenz. Drittens kommt erhöhter Druck von dem Teil der IT-Lieferanten, die mit Ausrüstung für Telefonie die Märkte erobern. Dazu trägt wesentlich die schrittweise Umstellung der Telefonie-Netze auf IP-Netze bei. Sie wird laut den Marktforschern von Arthur D. Little den Sektor nochmals kräftig durcheinanderwirbeln.

Neue Überlebensstrategien sind nötig

Laut den Studienautoren bleibt den Unternehmen zu ihrer Rettung nur die Flucht nach vorn. Innovation werde das erfolgsentscheidende Krite­rium zwischen neuen und etablierten Markt-Teilnehmern werden. «Doch einfach wird das nicht», sagt Dr. Karim Taga, Direktor bei Arthur D. Little und Leiter des Technology Economics Competence Center: «Die Situation wird dadurch komplexer, dass sich Anbieter wie Cisco ausserhalb ihrer bisherigen Geschäftsfelder umsehen.» Die Studienautoren haben aus diesem Grund weltweit 100 Manager in Technologie- und Einkaufsabteilungen befragt, um die Position der Telco-Lieferanten in verschiedenen Technologiefeldern zu bestimmen.

Unterschiedliche Bewertungen

Die Studie kommt zum Ergebnis, dass die vier grossen Anbieter Ericsson, Huawei, Alcatel-Lucent und Nokia Siemens Networks noch immer als Technologieführer wahrgenommen werden. Nortel und auch Motorola werden hingegen eher als Nachzügler eingeschätzt. Auch hier hat Huawei einen bemerkenswert schnellen Aufstieg hingelegt, obwohl die Branchen-Grossgewichte mit aggressiver Preispolitik ihre Marktanteile verteidigen und Netzbetreiber den Lieferantenwechsel aufgrund der bereits installierten, meist milliardenschweren Infrastruktur mehrfach überdenken. Huawei punktet offenbar vor allem durch hohe Investitionen in Innovation, tiefere Preise und auf den Kunden angepasste Sonderlösungen. Darüber hinaus hätten einige traditionelle Lieferanten immer noch mit der Integration ihrer Akquisitionen und der Konsolidierung von Strukturen zu kämpfen. Nicht wenige Befragungsteilnehmer haben deshalb bekannten Namen einen Rückstand bezüglich Innovation und Technologiepositionierung attes­tiert. Alcatel Lucent und Motorola wer­den als besonders stark in Wimax wahr­genommen, während Ericsson und Huawei als stark in 3G und LTE gelten, Cisco glänzt nach wie vor im IP-Routing.


Dr. Karim Taga zieht für die Branche folgendes Fazit: «Das Tempo auf dem Markt steigt. Die Unternehmen müssen sich auf weitere Übernahmen und Fusionen einstellen und sich mit PMI-Management vertraut machen.» (Claudio De Boni)


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