Gründung 1995, 30 Jahre
Cisco Schweiz: Für den IT-Riesen ein hervorragender Anlass, um in Zürich Vertriebspartner und Fachpresse im Rahmen eines Roundtable-Formats an einen Tisch zu bringen, um zusammen über zentrale Entwicklungen der IT-Branche und den Status quo im Channel zu sprechen. Immerhin sei Cisco stets eine partnerzentrierte Firma gewesen, vertreibe global zu 90 Prozent indirekt, wie Christopher Tighe, General Manager von Cisco Switzerland, zum Start der Diskussionsrunde berichtet. Umso wichtiger ist der kontinuierliche Austausch, um gemeinsam Hürden zu bewältigen und Zukunftspotenziale auszuloten. Dabei haben sich – nicht nur für Cisco und Partner – zuletzt zwei zentrale Themen hervorgetan: Cybersecurity und Künstliche Intelligenz. Es handelt sich um Bereiche, die der US-amerikanische Hersteller über die vergangenen Jahre hinweg mit Nachdruck ausgebaut und somit das Kerngeschäft rund um Netzwerk und Infrastruktur um weitere Facetten ergänzt hat. Eine Reise, auf die aber auch der eigene Vertriebskanal mitgenommen werden musste. «Cisco hat alles getan, um die Partner zu incentivieren, damit sie mitmachen. Und das hat Cisco recht konsequent gemacht», blickt Edgar Lehrmann, CFO von IT-Dienstleister
SPIE Schweiz, zurück. "Es war nur für uns als Partner nicht immer ganz einfach zu folgen." Aber eine so gross angelegte Transformation brauche nun einmal Zeit und viel Kommunikation, das sei ganz normal.
Dass Cisco im Channel nicht mehr nur als Netzwerk-Riese, sondern mittlerweile auch als wichtiger Security-Anbieter gesehen wird, bestätigt Svetlana Sorokina, Managing Director von
Ingram Micro Switzerland. Und das nicht nur im Bereich Netzwerk-Security, sondern beispielsweise auch bei Endpoint Security, Mobile Security oder Cyber Security Assessment Management. "Cisco hat mittlerweile ein sehr gutes Portfolio", erklärt Sorokina, und decke nahezu alle Security-Bereiche ab. Daher plant der Distributor aktuell auch, die Partnerschaft mit dem Hersteller weltweit auszubauen. Im Channel gibt es hingegen noch Handlungsbedarf beziehungsweise Lücken. Viele IT-Dienstleister würden im Security-Bereich mit fehlenden Ressourcen und Fachkräften kämpfen. Ein Punkt, an dem Ingram Micro aber mit entsprechenden Services in die Bresche springen möchte, wie die Managing Director untermauert.
Nadine Amrein, Channel Leader 2-Tier/Distribution bei Cisco Switzerland, unterstreicht wiederum, dass es in den vergangenen Jahren auch im Vertriebsnetzwerk eine sehr positive Entwicklung gegeben habe. "Man hat immer gemerkt: die Schweiz hängt ein bisschen hinterher, auch mit Cybersecurity. Man hat immer gemerkt, dass sich auch viele Kunden nicht um das Thema gekümmert haben." Das habe sich aber mittlerweile geändert und zahlreiche Unternehmen würden heute investieren. Unterstützt werden sie dabei von Cisco selbst. Der Hersteller habe das Security-Team ausgebaut, das Portfolio weiterentwickelt und unterstütze Kunden zusammen mit den Partnern aktiv, wie Amrein betont. "Heute können wir sagen, dass wir das perfekte Security-Portfolio haben."
Eine positive Entwicklung, die auch Reto Lu, Chief Operating Officer von
Netcloud Switzerland, aus Partnerperspektive widerspiegelt. "Natürlich, wir haben von Anfang an Security gemacht. Aber das Thema ist viel wichtiger geworden über die Jahre." Seit einigen Jahren betreibt Netcloud beispielsweise auch ein eigenes Cyber Defense Center, um Kunden rund um die Uhr schützen zu können. Grundsätzlich sei Cisco für den IT-Dienstleister ein extrem wichtiger Partner, auch über Cybersecurity. Immerhin basieren rund 80 Prozent des Netcloud-Geschäftes auf den Produkten des Herstellers.
KI: Noch in den Kinderschuhen
Wesentlich weniger euphorisch fällt die Einschätzung der Runde zum Thema Künstliche Intelligenz aus. Dieses stecke im Channel schlicht noch in den Kinderschuhen, erklärt Edgar Lehmann von
SPIE Schweiz. "Keiner weiss so recht, wie er damit Geld verdienen soll." Denn den Kunden könne man nichts verkaufen, was keinen Mehrwert verspricht. Daher seien die Umsätze mit KI-Services heute noch sehr gering. Svetlana Sorokina von
Ingram Micro stimmt zu: "Ich sehe KI gleichzeitig als Chance und Herausforderung." Zwar spreche nahezu jeder Hersteller über das Thema und biete entsprechende Programme. "Aber wenn es darum geht, wie es sich in tatsächliches Geschäft übersetzen lässt, und wie wir als Distributor Partner enablen können, ihnen und den Kunden helfen können, mit KI zu arbeiten, da gibt es für mich immer noch ein grosses Fragezeichen."
Dennoch heisst es für viele IT-Dienstleister, trotz aller Fragezeichen, schon heute erste kleine Schritte in diesem Bereich zu gehen. Potenzial sieht Lehmann von Spie für den Channel unter anderem in der Verknüpfung von Systemen beispielsweise von Microsoft, SAP und Salesforce sowie der individuellen Zuführung von Unternehmensdaten. "ChatGPT und die allgemeine Intelligenz, das ist langweilig. Ich glaube, man muss das verknüpfen mit Unternehmensdaten und vielleicht noch mit spezialisierter Intelligenz", sagt der CFO. Aus diesem Ansatz könnten sich dann letztlich interessante Produkte und Projekte für Partner ergeben. Förderlich sei dabei trotz der offenen Fragen auch der Boom rund um das Thema: "Dadurch kommen die Anfragen und dadurch kommt auch Geschwindigkeit in den Markt", so Lehmann.
Vor allem kundenseitig, gerade im KMU-Umfeld, ist aber noch viel Beratung notwendig, wenn es um das Thema Künstliche Intelligenz geht, wie Nadine Amrein sagt. "Was mir extrem im Markt auffällt, ist, dass sie überhaupt kein Kommunikationskonzept für KI haben oder dass sie gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen." Daraus ergebe sich auch ein potenzielles Sicherheitsrisiko, schlägt Amrein den Bogen zurück zur Cybersecurity. Immerhin würden viele Mitarbeitende ChatGPT und andere Dienste schon heute nutzen – und das oft ohne das Wissen der Unternehmen beziehungsweise ohne entsprechende Richtlinien. Das müsse aktiv angegangenen werden. Das rät die Cisco-Managerin aber auch in Richtung Channel und Künstliche Intelligenz: "Die Personen, die sich heute nicht darum kümmern, die werden auf dieser Reise verlorengehen."
"Business as usual"
Deutlich weniger akuten Handlungsbedarf sehen
Cisco und Vertriebspartner hingegen mit Blick auf die wechselhafte US-amerikanische Politik – und hier vor allem bei angedrohten Zöllen. Cisco beobachte die Situation genau, erklärt Christopher Tighe. Man habe bereits in den eigenen Lieferketten Programme und Prozesse optimiert, um etwaige Effekte abfedern zu können. Verzögerungen beispielsweise in Projekten sieht der General Manager jedoch noch keine. Einen spürbaren Effekt gebe es aber durchaus: einen erhöhten Wunsch nach (Prozess-)Transparenz, vertrauenswürdigen Partnern und somit auch Sicherheit. "Ich merke, das steht immer mehr im Fokus. Das war vor einem oder eineinhalb Jahren überhaupt kein Thema", so Tighe.
Svetlana Sorokina bestätigt gleichzeitig aus Distributionssicht: "Wir spüren bisher noch nichts. Wir sehen weiterhin eine gleichbleibende Nachfrage aus dem Channel und von den Endkunden. Und ich sehe keine abgesagten oder verschobenen Projekte. Es ist gerade ein überraschend stabiles Geschäft", so die Ingram Micro-Managerin: "Business as usual." Sie führt diese Stabilität auch darauf zurück, dass sich aktuell so viel auf einmal in einer so hohen Geschwindigkeit verändert, dass es schwierig sei, stets umgehend individuell zu reagieren. Stattdessen habe sich
Ingram Micro dafür entschieden, die Entwicklung weiter zu beobachten und konstant die passenden Fragen im Markt zu stellen.
Edgar Lehmann wiederum sieht durchaus einen gewissen Attentismus im Markt, viele Unternehmen würden laut dem CFO abwarten, mit entsprechenden, konkret spürbaren Effekten für das Geschäft. "Es dauert länger, bis die RFPs (Requests for Proposal) kommen. Man sieht auch, es werden RFPs gemacht, aber danach geht es länger nicht los", so Lehmann. Zwar sei das in Summe noch lange "kein Drama", eine abwartende Haltung gebe es aber ohne Frage. Der Konsens der Diskussionsrunde vor diesem Hintergrund: Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft bleiben das Gebot der Stunde.
(sta)