Nachhaltigkeit in der Schweizer Software-Branche

Die Schweizer Software-Industrie steht an einem Wendepunkt: Nachhaltigkeit ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch eine strategische Chance. Doch trotz des Potenzials zögern viele Unternehmen noch.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2023/12

     

In der digitalen Ära der Schweiz hat sich die Software-Industrie als dynamisches Feld etabliert, das fortwährend nach Innovation strebt. Eine der jüngsten Herausforderungen dieser Branche ist Nachhaltigkeit, ein Thema, das nicht nur aus moralischer Verantwortung, sondern auch aus wirtschaftlicher Weitsicht zunehmend an Bedeutung gewinnt. Software hat das Potenzial, Prozesse zu optimieren und Emissionen einzusparen. Doch deren Entwicklung und Betrieb erfordern immer grössere Ressourcen. Hier steht die Industrie an einem Wendepunkt: Wie kann sie ihre Kraft für eine nachhaltigere Zukunft einsetzen?

Nachhaltigkeit als strategische Priorität

Der Swiss Software Industry Survey (SSIS) 2023 legt offen, dass die Schweizer Software-Unternehmen eine kritische Phase durchlaufen. Mehr als die Hälfte unterstützen Nachhaltigkeitsmassnahmen und sehen die strategischen Chancen der Nachhaltigkeit. Allerdings sieht nur rund ein Drittel der Schweizer Software-Unternehmen Nachhaltigkeit als strategische Priorität an. Es mangelt nicht an Bewusstsein, sondern an der Umsetzung in die Praxis.

Nachhaltige Beschaffung

Nachhaltigkeit wird auch in der öffentlichen Beschaffung zunehmend wichtiger. Gerade darum sind im Beschaffungswesen klare und praktikable Richtlinien essenziell. Bewertung und Gestaltung dieser Anforderungen sind entscheidend, besonders bei technischen Spezifikationen sowie bei Zuschlags- und Eignungskriterien. Es ist auch wichtig, dass kleinere Schweizer Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen nicht durch zu komplexe Kriterien benachteiligt werden. Die Bewertung dieser Kriterien während und nach dem Ausschreibungsprozess wird kritisch betrachtet. Aspekte wie beispielsweise Arbeitsschutzbestimmungen sollten regelmässig und zielgerichtet entlang der gesamten Lieferkette überwacht werden.

Herausforderungen bei der Messung von Nachhaltigkeit

Die Marktmechanismen treiben die Industrie zwar an – Kundennachfrage und Zertifikate werden immer wichtiger –, aber es fehlen klare Messgrössen, um Erfolg oder Misserfolg von Nachhaltigkeitsinitiativen transparent zu verfolgen.

Unternehmen stehen vor dem klassischen Innovationsdilemma: Wie kann man das Bestehende erhalten und gleichzeitig das Neue fördern? Hier entsteht oft eine Zeitverzögerung zwischen dem Erkennen eines Bedarfs und der Implementierung von Lösungen. Während einige Pioniere voranschreiten, ringen viele Firmen noch mit den Herausforderungen von Kosten, Zeit und technischer Komplexität.


Trotz der Hindernisse sind die Zeichen klar: Die Software-Industrie muss handeln. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein ökologisches oder soziales Anliegen, sondern eine strategische Notwendigkeit. Es geht nicht darum, ob man es sich leisten kann, in nachhaltige Praktiken zu investieren, sondern ob man es sich leisten kann, es nicht zu tun. Die Unternehmen, die jetzt in Nachhaltigkeit investieren, setzen nicht nur Prioritäten für die Zukunft, sondern positionieren sich auch als Vorreiter in einem immer wettbewerbsintensiveren Markt.

Swicos Ansatz zur Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit steht auf der Agenda vieler Swico-­Mitglieder. Sie berichten von einer Vielzahl von Bemühungen und Massnahmen. Insgesamt gibt es aber kein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit.

Unternehmen engagieren sich derzeit in den folgenden Bereichen:
1. Sie entwickeln Software-Lösungen, die die Nachhaltigkeit ihrer Kundschaft verbessern.

2. Sie setzen Massnahmen um, um ihr eigenes Unternehmen nachhaltiger zu gestalten. Dazu gehören Massnahmen wie Umweltverträglichkeit und soziale Verantwortung in den eigenen Geschäftspraktiken.

3. Sie gestalten und betreiben Software auf nachhaltige Weise, zum Beispiel durch den Einsatz von grünem Strom für ihre Server und die Wiederverwendung von Code, um die Nachhaltigkeit in der IT zu fördern.

Der Auftrag, nachhaltig zu handeln, kommt aktuell von den grossen Unternehmen. Sie stehen unter Druck und geben diesen an die KMU weiter. In Diskussionen wird ersichtlich, dass grössere Unternehmen ganze Abteilungen bezüglich Nachhaltigkeit unterhalten. KMU können diese Fülle an Ressourcen nicht aufbringen. Hier ist Swico im Austausch mit den Mitgliedern, um Lösungen zu finden, wie der Verband unterstützen kann. Eines der ersten konkreten Angebote seitens Swico ist der Dialog über ein Sustainable IT Framework. Dieses Framework hilft Unternehmen, nachhaltige IT-Praktiken zu etablieren. Es geht um einen Konsens und messbare Praktiken für eine bessere IT. Swico strebt ein umfassendes Verständnis von nachhaltiger IT an, welches über die übliche energie- und effizienzgetriebene Diskussion um Green IT hinausgeht und einen klaren Nutzen aufzeigt.

Der Autor

Quelle: Swico
Jakob Knauf, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand der Universität St. Gallen, hat sich intensiv mit Klimaschutzlösungen und erneuerbaren Energien befasst. Seit März 2023 ist er bei Swico verantwortlich für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.


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