Nach Swisskey die Sintflut (?)

Nachdem die Zertifizierungsstelle Swisskey im Mai mir nichts dir nichts geschlossen wurde, tauchte kurz darauf mit Swisscert ein vermeintlicher Nachfolger auf. Ist Swisscert ein seriöser und ernstzunehmender neuer Dienst oder doch nur ein Werbegag?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/15

     

Im Mai machte Swisskey, die Zertifizierungsstelle für digitale Identitäten, dicht. Die Nation war erschüttert und Bundespräsident Leuenberger sinnierte öffentlich darüber, in Zukunft die Vergabe digitaler Unterschriften sowie den Aufbau von PKI (Public-Key-Infrastrukturen) unter die Fittiche des Bundes zu nehmen.
Nachdem der Bund diese Frage mit einem deutlichen Nein beantwortet und beschlossen hatte, dass es auch künftig privatrechtlich organisierte digitale Zertifizierungsstellen geben soll, betrat ein potentieller Nachfolger von Swisskey das schlüpfrige Zertifizierungs-Parkett: Swisscert was born!

Schneller, weiter, höher - aber wohin?

Swisscert, am 30. Juni gegründet, ist ein Spin-off der Rümlanger IT-Secure.com und will ab Q1/02 einen öffentlichen Zertifizierungsdienst anbieten, der technisch wesentlich besser und dazu noch wirtschaftlicher als sein Vorgänger daherkommen soll. Im Unterschied zu Swisskey, die die digitalen Signaturen softwarebasierend betrieben hat, beruht die Swisscert-Lösung auf biometrischen Techniken.
Laut eigenen Aussagen will man ein neues Zertifizierungsverfahren entwickelt haben, das auf dem menschlichen Fingerabdruck basiert. Mit demselben Zertifikat soll es möglich sein, standardmässig private E-Mails zu signieren und zu verschlüsseln, sowie internetbasierte Dienste wie E-Banking oder E-Shopping verschiedener Banken und Shops abzusichern. Der Zugang zu den internetbasierten Diensten soll vereinfacht werden, da Benutzernummer, Passwort und Streichlisten beispielsweise wegfallen. Der Schlüssel soll ab Ende November für rund 30 Franken am Kiosk erhältlich sein.

Swisscert quo vadis?

Fachkreise sind skeptisch, ob es im limitierten Schweizer Markt überhaupt möglich ist, einen Zertifizierungsdienst gewinnbringend anzubieten. Swisskey hat seinen Dienst seinerzeit eingestellt, weil er sich angeblich nicht kostendeckend habe betreiben lassen. Was ist nun dran am gross angekündigten «Swisscert-Wunder»? Auf der noch bestehenden Swisskey-Website ist zumindest unter der Überschrift «Alternativen zu den Swisskey-Zertifikaten» die Adresse von Swisscert (noch) nicht aufgeführt.
Die Webseite von Swisscert verspricht viel, macht aber letztlich zu Themen wie Kunden, Markt oder Mitarbeitern nur Nullaussagen, sprich, der interessierte Leser weiss soviel wie vorher, nämlich nichts. Was oder ob überhaupt etwas hinter den Schlagwörtern Mission und Vision steckt, ist schwer auszumachen. Auf die Frage an die ehemalige Swisskey, was diese denn nun von ihrem Nachfolger halte, schweigt man sich dort gekonnt diskret aus.
Auch auf die Teilnahme an der kommenden Orbit/Comdex, die eine ideale Plattform zur Vorstellung des neuen Verfahrens wäre, verzichtet man bei Swisscert. Man wolle nicht Geld und vor allem Energie für irgendwelche Messen verschleudern, meint Swisscert-Verwaltungsrat Daniel Büttiker, sondern ziehe es vor, am Produkt zu schaffen, um die Technologie bald bereitstellen zu können. Momentan wolle man gar nicht an die Öffentlichkeit, Publicity hätte man genug gehabt, die grosse Glocke werde wieder geläutet, wenn es etwas handfestes zu zeigen gibt. Demnach bastelt man an einem Produkt, von dem man noch gar nicht weiss, ob es wirklich funktioniert?
Swisscert stellt sich derzeit laut eigener Aussage im Rahmen von Roadshows bei diversen Grosskunden vor und stosse auf recht grosses Interesse. Wer die potentiellen Kunden sind, war natürlich nicht in Erfahrung zu bringen. Swisskey-Zertifikate werden per 31. Dezember 2001 definitiv gesperrt, wenn Swisscert bis dahin nichts brauchbares liefert, dürften eine Menge Kunden im Regen stehen oder gezwungen sein, auf ausländische Zertifikatsanbieter wie TC Trustcenter (Deutschland), Verisign (USA) oder Thawte (Südafrika) zurückzugreifen. Doch lassen wir uns vom Gegenteil überzeugen und seien wir optimistisch. Wunder gibt es immer wieder! (sk)


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