Grosse Klappe und nichts dahinter


Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2012/07

     

Paul P. ist nun schon seit 15 Jahren im IT-Verkauf tätig. Wie viele seiner Kollegen ist er dabei eher zufällig im Vertrieb gelandet. Nach einer erfolgreich bestandenen Kochlehre hatte er es satt, spät abends müde und ausgelaugt nach Hause zu kommen. Und das für einen Lohn von gerade mal 4000 Franken brutto pro Monat. Er bewarb sich darum als 22-Jähriger auf ein Inserat, in welchem ein IT-Unternehmen einen kommunikativen Innendienstmitarbeiter suchte. Zu seiner eigenen Überraschung bekam er die Stelle. In diesem Umfeld lernte er dann auch zum ersten Mal richtige Aussendienstmitarbeiter kennen. Diese imponierten Paul P. dank ihres selbstbewussten Auftretens sowie ihres guten Gehaltes gewaltig. Und es dauerte darum nicht lange, bis auch er in den Verkauf wechselte. «Ich möchte richtig viel Kohle verdienen.» Dies war einer seiner Lieblingssätze, mit denen sich Paul P. unter seinen Verkaufskollegen nicht nur Freunde machte. Zwar wollte Paul P. gerne fett absahnen. Sich dafür jedoch überdurchschnittlich einzusetzen, entsprach nicht unbedingt seinem Charakter. «Work Life Balance ist für mich einfach das A und O. Ich gehöre eben einer Generation an, die erkannt hat, dass arbeiten allein nicht glücklich macht», pflegte er jeweils zu sagen. Wer nun glaubt, dass man sich mit dieser Einstellung in einem so kompetitiven Markt wie der IT-Branche im Verkauf nicht halten könne, der irrt sich leider.

Frechheit siegt

Immerhin hat es unser Protagonist bis zum Senior Account Manager eines globalen IT-Anbieters gebracht. Seit seinem Einstieg in den IT-Verkauf hat er durchschnittlich alle eineinhalb Jahre die Stelle gewechselt und dabei jedes Mal eine Lohnerhöhung von gut 15 Prozent herausgeschlagen. Heute verdient er gut 200'000 Franken. Davon wird ihm monatlich die Hälfte als Fixum ausbezahlt. Und darüber hinaus erhält er noch eine monatliche Autopauschale von etwa 1000 Franken. Das heisst: Dieses Salär erhielt Paul P. bis vor wenigen Wochen. Denn mittlerweile wurde er auf Grund des rückläufigen Geschäftsganges der Firma von einem Tag auf den anderen entlassen. Seit diesem Zeitpunkt ist Paul P. nun auf Stellensuche. Seinem Grundsatz, nämlich möglichst viel Kohle zu verdienen, ist er treu geblieben. Und so ist es denn auch unter seiner Würde, sich bei Firmen vorzustellen, die ihm nicht wenigstens ein Gehalt von 180'000 Franken im Jahr bezahlen. Aber auch in diesem Fall müsste dann der Fixanteil bei mindestens 120'000 Franken liegen. Schliesslich hat er ja ein Eigenheim gekauft und seine Frau bekommt in den nächsten Monaten das zweite Kind. Doch obwohl sich Paul P. für einen gottbegnadeten Verkäufer hält, harzt die Stellensuche. Trotz seines Charmes und seinen Schmeicheleien gelingt es ihm nicht wirklich zu erklären, warum in den letzten beiden Zeugnissen steht, dass das Arbeitsverhältnis mit ihm im «gegenseitigen Einvernehmen beendet wurde», was im Klartext heisst, dass ihm gekündigt wurde. Ein mittelständisches IT-Unternehmen hat ihm zwar neulich ein Job-Angebot gemacht. Offeriert hätten sie ihm jedoch «nur» 140'000 Franken, und das bei einem Fixgehalt von gerade mal 90'000 Franken. «Zuviel zum Sterben und zu wenig zum Überleben,» meinte er achselzuckend zu seiner Frau, als er ihr davon erzählte und selbstverständlich die Stelle nicht annahm.
In meiner Tätigkeit als Personalberater treffe ich immer wieder auf Verkäufer vom Schlage von Paul P. Sie haben sich in den letzten Jahren von einem Verkaufsjob zum nächsten gemogelt. In den ersten Monaten haben sie ein Fixum garniert, das bis zu 100 Prozent des Zielgehaltes ausmachte. Und wenn sie dann ab dem fünften Monat ihre Verkaufsskills hätten unter Beweis stellen sollen, dann ging es meist nicht lange, bis sie entweder gefeuert wurden oder von sich aus die Segel streckten, um so einer drohenden Entlassung zu entgehen.

Geld ohne Gegenleistung

In Interviews mit diesen Verkäufern spürt man oft sehr bald, dass sie einzig und allein daran interessiert sind, möglichst viel Geld zu verdienen. Sich dafür aber den Hintern aufzureissen, das möchten sie nicht. Sie sind der Meinung, dass ihnen quasi «Gott gewollt» ein hohes Salär zusteht. Schliesslich verdienen ihre Kollegen ja auch so viel. Dazu kann ich nur sagen: Was für eine Arroganz und Unverschämtheit! Persönlich fällt es mir schwer nachzuvollziehen, wie solche Verkäufer es immer wieder schaffen, auch bei etablierten und guten IT-Unternehmen eine Stelle zu ergattern. Ich frage mich in einem solchen Fall dann schon, ob es wohl nicht besser wäre, sich mehr Zeit bei der Rekrutierung der geeigneten Verkäufer zu lassen, als einfach einmal aufs Geratewohl ein paar Sales einzustellen, um sich dann von den Low-Performern wieder zu trennen, sobald sich die Wirtschaftslage etwas verschlechtert oder der Mitarbeiter nach neun Monaten ausser leeren Versprechungen immer noch nichts abgeliefert hat. Zum Glück gibt es im IT-Vertrieb aber nach wie vor auch hungrige Vollblutverkäufer, für die verkaufen mehr ist als ein blosser Job. Meine Erfahrung ist, dass eine solche Einstellung oft gar nichts mit dem Alter zu tun hat, sondern mit der Leidenschaft und der Freude, mit der solche Mitarbeiter ihre Tätigkeit ausfüllen. Selbstredend ist, dass diese auch überdurchschnittlich erfolgreich sind. Solchen Verkäufern sei es vergönnt, wenn sie für ihre Mühen mit einem Spitzensalär entschädigt werden. Und diese Verkäufer – da bin ich mir sicher – werden auch in Zukunft sehr gut verdienen können. Für alle anderen aber sehe ich schwarz. Denn in einem so gesättigten Markt wie der IT-Industrie können und wollen es sich Firmen immer weniger leisten, unrealistische Gehälter an Low-Performer zu bezahlen. Und das ist auch richtig so. (ms)


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