Schweizer IT-Medien im Wandel der Zeit

Mit ihren beiden Fachverlagen IDG Communications und Compress Information Group waren Gebhard Osterwalder und Michael von Babo Pioniere in der Schweizer Fachmedien-Landschaft. Die beiden Verleger haben den Schweizer IT-Zeitschriftenmarktüber Jahre geprägt. Heute sind beide im Vorruhestand.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/16

     

Die Neuzeit des Schweizer IT-Journalismus begann 1985. Damals präsentierte Gebhard Osterwalder auf der Swissdata die Nullnummer der «Computerworld Schweiz». Für die Schweiz war vieles daran neu: das wöchentliche Erscheinen, das Zeitungsformat und eine Fachredaktion, die nach journalistischen Prinzipien zu arbeiten versprach. Bis dahin hatten die meisten Publikationen IT-Themen nur nebenbei behandelt, wenn sie nicht reine PR-Medien waren, die mit einem Minimum an redaktioneller Eigenleistung Herstellermeldungen verbreiteten. Osterwalder: «Es war die richtige Zeit für uns. Wenn man einmal von dem seit einigen Jahren im Monatsrhythmus erscheinenden 'Output' der Fachpresse Goldach absah, hatten wir kaum Konkurrenz.»


Das sollte allerdings nicht lange so bleiben. Bei der Computerworld standen damals noch Mainframes im Zentrum. Doch das PC-Zeitalter kündigte sich an. Ein junger Journalist, Michael von Babo, der als Freelancer an den ersten Nummern der Computerworld mitgearbeitet hatte, erkannte die Möglichkeiten der neuen Laserdrucker und Desktop-Publishing-Programme und gestaltete noch im gleichen Jahr einen Newsletter, den er «Software Trend» nannte, und mit dem er schnell und aktuell über neue Produkte auf dem Schweizer Markt informierte. Die­se neue Form der Information wurde vor allem bei den immer zahlreicher werdenden PC-Nutzern und -Händlern gut aufgenommen. Die Schweizer Software-Szene war damals noch weit breiter als heute. Es bot sich daher an, den Newsletter mit dem «Software-Katalog Schweiz» und einem Shareware-Vertrieb zu ergänzen. Wie erfolgreich «Software Trend» war, zeigt sich daran, dass er sechs Jahre lang erschien, bevor ihn von Babo zu Beginn der 90er Jahre an den Output-Herausgeber, Werber und Messeveranstalter Franz Schnyder verkaufte, der damals gerade auf Einkaufstour war und bereits den «Organisator» samt dem Informatik-Special «Orgamatik» von Victor Bataillard und das Magazin «Online» des Huber-Verlags übernommen hatte. Doch der rührige von Babo hatte bereits neue Pläne.

Windows und Netzwerke

Mit Windows 3.0 hatte Microsoft, wenn auch mit einiger Verspätung auf Apple, ein Betriebssystem mit grafischer Oberfläche und Mausbedienung auf den Markt gebracht, das von den Anwendern akzeptiert wurde. Von Babo hatte den richtigen Riecher. Flugs kreierte er in Zürich die Winworld-Messe, der ein neuer Newsletter folgte, der «Windows Guide», den er schon bald zu einem Magazin ausbaute und ein paar Jahre später in «PC Guide» umbenannte. «Mit dem Erfolg von Windows hatte Microsoft alles, was diesen Namen trug, für sich beansprucht», erklärt er. «Unserem Erfolg tat die Umbenennung jedoch keinen Abbruch.»

Das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts brachte auch schnellere Netzwerke und eine neue Architektur: Mit dem Client/Server-Konzept wurden die dummen Terminals durch PCs ersetzt, und die Mainframes traten zunehmend zugunsten günstigerer Servermaschinen in den Hintergrund. Client/Server-Systeme waren flexi­bler, billiger zu realisieren und somit auch für kleinere Betriebe erschwinglich. Gleichzeitig standen immer mehr PCs in privaten Schweizer Wohnun­gen, und die Hersteller stürzten sich auf den Soho-(Small Office/Home Office) Markt.


Diese Entwicklungen spiegelten sich auch in der IT-Medienlandschaft. «Computerworld» und «PC Guide» nah­men sich der neuen Themen und Märkte an. Daneben entstanden neue Publikationen, die sich direkt an die entsprechenden Käuferschichten wand­ten. Viele davon machten sich die neuen Techniken selber zunutze. Die DTP- und Grafik-Programme hatten sich weiterentwickelt und waren nun daran, Werbeagenturen und Verlage zu erobern. Noch bevor sich die grossen Druckereien darauf einstellten, entstanden auf die neue Technik ausgerichtete Prepress-Unternehmen, mit denen sich das Berufsbild von Grafikern, Typographen und Lithographen veränderte. «Macworld Schweiz» aus dem IDG-Verlag war 1995 die erste vierfarbige Monatspublikation, die vollständig auf dem Mac­intosh produziert wurde.

Etwas später verantworteten IDG und der «Tagesanzeiger» gemeinsam den «PC-Tip» (damals noch mit einem P). Er erschien als Beilage zum «Tagi» und war vor allem auf die Heimanwender-Szene ausgerichtet. Die «PC-Online Zeitung» versuchte sich mit einem Boulevard-Layout. Osterwalder dagegen reagierte auf die Entwicklung mit einem gestylten Magazin, das er «PC & Workstation» nannte, das sich aber nicht wirklich etablieren konnte. «Wir liessen uns wohl zu sehr von den neuen Netzwerktechnologien faszinieren. Das Konzept war stark auf Theorie und Technologie ausgerichtet. Der Praxisnutzen kam dabei zu kurz», gibt er heute zu.

Ein Blatt fürs Business

Ende der 90er Jahre boomte das Geschäft von Händlern und Herstellern dank der Panik um das Versagen der Computer mit dem Jahrtausendwechsel. Es wundert daher nicht, dass sich beide führenden Schweizer IT-Verlage mit dem Gedanken trugen, ein Businessblatt für den IT-Handel zu konzipieren. Die Nase vorn hatte wieder einmal von Bobo: 1998 lancierte er den «IT Reseller»: «Das Konzept einer 'Controlled Circulation' für Entscheidungsträger aus der Branche wurde von Anfang an gut verstanden», sagt er. «Wir hatten bei Compress zudem den Vorteil, dass es eine klare Unterscheidung zum 'PC Guide' gab, der die Anwenderinteressen und die technische Seite abdeckte. IDG hätte mit einem IT-Business-Magazin ihre eigene 'Computerworld', die sich bereits an ein ähnliches Publikum richtete, wohl stärker konkurrenziert.» Osterwalder mag das so nicht stehenlassen: «Ich denke eher, dass wir zu lange geplant und gerechnet und zu wenig gewagt haben. Dann war der Markt fürs Erste besetzt, und wir hatten unsere Chance verpasst.»


Für Compress erwies sich dies als Glücksfall. Christoph Hugenschmidt, mit dem IDG lange verhandelt hatte, wechselte nach dem Scheitern des Projekts die Seiten und kam ein halbes Jahr nach der Lancierung des Blatts als Chefredaktor zum IT Reseller. Erst 2001 versuchte der Fraktal-Verlag mit «IT Business» ein ähnliches Zielpublikum anzusprechen.

Globalisierung und Konsolidierung

Schwieriger wurde es für die klassischen PC-Magazine. Einerseits hatte bei den Distributoren eine Marktbereinigung stattgefunden. Anderseits sahen die US-Anbieter die Schweiz im Zug der Globalisierung als Teil einer Region Europas. Besonders deutlich wurde dies bei Apple, wo die Schweiz zuerst von Deutschland, später immer straffer von Apple Europe in Paris aus betreut wurde. Der Marktanteil - die Schweiz war einst ein echtes Apple-Land - schrumpfte. «Macworld Schweiz» wurde von IDG in die deutsche «Macwelt» integriert. Das gelang jedoch so wenig wie bei «Output», das, nachdem es vom deutschen Vogel-Verlag gekauft worden war, in «Chip» integriert werden sollte. Beide Titel verschwanden spurlos.
Noch merkten die etablierten IT-Zeitschriften dank der Millennium-Hysterie nicht allzu viel davon, dass ihnen überdies eine weitere Konkurrenz entstand. Die Tageszeitungen drängten immer stärker ins Geschäft. Die IT war nicht mehr nur eine Sache der Spezialisten. Es gab kaum mehr Arbeitsplätze ohne PC. Hersteller wie IBM, HP oder SAP merkten, dass sie zwar bei IT-Spezialisten bekannte Grössen waren, nicht aber bei Anwendern und Management. Und diese beeinflussten die Wahl bei Investitionen immer stärker. Um auch in diesen Kreisen besser ins Gespräch zu kommen, wurden aufwendige Image-Kampagnen abseits der Fachpresse gestartet. Die Tageszeitungen begannen, die Fachmagazine mit eigenen IT-Seiten und Computer-Beilagen zu konkurrenzieren. Der «Tages-Anzeiger» etwa mit einem eigenen Bund für Computer-Themen. Den bisher als gemeinsame Beilage herausgegebenen «PC-Tip» führte IDG in der Folge allein und mit Erfolg als Kioskmagazin weiter.

Feuerwerk zum Ende des Booms

In der Nacht der Jahrtausendwende krachte rund um den Erdball das Feuerwerk. Doch kein wichtiger Computer versagte seinen Dienst. Die Patches und Updates hatten offenbar gewirkt. Damit waren aber auch die Marketingbudgets der Anbieter aufgebraucht. Der Anzeigenmarkt brach zusammen. Doch noch gab es Hoffnung: Der Internet-Boom stieg in dieser Zeit auf den Siedepunkt. Das Geld schien auf der Strasse zu liegen. Man musste nur darauf reagieren. In Basel erschien die «Netzwoche». IDG lancierte den «Internet Standard». Osterwalder: «Der Internet-Boom hatte einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Der Erfolg von 'Computerworld' gründete nicht zuletzt auf dem IDG-eigenen Netzwerk, das uns Zugriff auf die amerikanischen Schwesterzeitungen gab. Damit waren wir oft schneller gewesen als selbst die Herstellermitteilungen. Nun gab es über Internet-Suchmaschinen plötzlich jede Menge News gratis, während Tests und kritische Berichterstattung den Herstellern schon immer ein Dorn im Auge waren. Diese Entwicklungen versuchten wir mit dem 'Internet Standard' aufzufangen.» Von Babo seinerseits baute sein Flaggschiff «PC-Guide» ziemlich radikal zum 14-täglich erscheinenden «Infoweek» um.


Als die Internet-Blase kurz darauf platzte, waren die Aktien der hochgejubelten Start-ups über Nacht kaum noch das Papier wert, auf das sie gedruckt waren. Innert Jahresfrist verschwanden hunderte von Unternehmen. Die «Netzwoche» überstand das Down längerfristig dank einem geschickten Themenmix. Der seinerzeit als «Zeitschrift der Zukunft» gepriesene «Internet Standard» nicht. «Infoweek» überlebt, doch von Babo gibt zu, dass es eine schwierige Zeit war und man den Zusammenbruch des Internet-Marktes zu spüren bekam: «Zudem war die Umgestaltung vom 'PC-Guide' zu 'Infoweek' wohl doch etwas gar heftig ausgefallen. Heute würde ich nicht mehr Name, Format und Erscheinungsform gleichzeitig ändern. Aber damals waren wir eben noch von der Dotcom-Euphorie geprägt.»

Vorwärts ins Online-Zeitalter

Die Goldgräber- und Aufbruchzeiten waren vorbei. Nun beherrschten über lange Zeit Kosteneinsparungen und Effizienz die Diskussion, selbst dort, wo es um neue Themen wie Mobile Computing, Netzwerksicherheit oder die Unterhaltungselektronik ging. Viele der während des Booms gehypten Technologien haben allerdings Eingang in die Wirtschaft gefunden. Internet-Standards und Online-Portale sind allgegenwärtig. Auch bei den ­Medien ist eine Gewichtsverlagerung vom Printprodukt zum Online-Angebot und zum elektronischen Newsletter zu beobachten. Der Online-Dienst «InsideIT.ch» etwa verzichtet gänzlich auf eine Printausgabe. Von Babo: «Auch für uns war das Internet von Anfang an wichtig, aber ich bin mir nicht sicher, ob 'online only' für die Zukunft das Richtige ist. 'InsideIT' ist gut gemacht, aber wie nachhaltig das Businessmodell ist, weiss ich nicht. Interessanter scheinen mir Web-Fach-Communities, wie etwa die Erfagruppe von Reto Hartinger. Bei Sachinfos hat Print dagegen nach wie vor einige exklusive Nutzenaspekte. Und vermutlich», fügt er hinzu, «auch mehr Prestige.»

Osterwalder hält dem allerdings entgegen, dass heute in den USA bereits 60 Prozent aller B2B-Werbegelder ins Netz gingen. Dabei gehe es primär um die Lead-Generierung: «Ich bin überzeugt, dass Print-Erzeugnisse nur noch im Zusammenspiel mit Events und Online-Angebot erfolgreich sein können. Der ‹PC-Tipp› machte bei uns den Anfang. Heute haben wir für jeden dieser drei Bereiche eine eigene Abteilung geschaffen, wobei für alle unsere Produkte gilt: Online first. Für das Printprodukt werden die Texte dann später umgeschrieben.»


Der IT-Medienmarkt stellt sich heute immer mehr darauf ein, dass die Hersteller vor allem «Response» suchen und von den Medien eher die Generierung von Leads als die Erklärung von Technologien erwarten. Von Babo: «Zurzeit stehen alle Fachverlage unter Druck und versuchen daher, mit Online-Targeting bestimmte Interessentensegmente direkter anzusprechen. Allerdings steht die Bewährungsprobe für diese Politik noch aus.» Der Veranstalter so erfolgreicher Messen wie Winworld, Client/Server und Internet Expo ist überdies überzeugt, dass neben themen- und herstellerbezogenen Events auch Publikumsmessen wieder eine Chance bekommen könnten, wenn sie nur zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Themen aufgreifen: «Es gibt immer wieder Aufbruchphasen, wo man mitsurfen kann und soll. Zurzeit stehen Perfektion und Design im Vordergrund, aber was 'the next big thing' sein wird, weiss niemand. Damit könnte sich schnell wieder vieles ändern.»

Die Entwicklung bleibt abzuwarten. Zurzeit haben sowohl von Babo wie Osterwalder das aktive Mediengeschäft an den Nagel gehängt. Von Babo verkaufte Compress Media letztes Jahr an Vogel Media. Osterwalder zog sich dieses Jahr altershalber aus IDG Communications zurück. (Andreas Fischer)


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