UE-Distribution in der Poleposition

Anbieter der Unterhaltungselektronik versuchen die traditionellen Vertriebswege so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Trotzdem strecken die UE-Distis die Fühler in Richtung IT-Channel immer weiter aus.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/15

     

Die Fronten zwischen UE und IT sind nicht so verhärtet, wie man vielleicht im ersten Moment vermuten könnte. Die meisten Distis, Generalvertretungen und Niederlassungen namhafter Hersteller nehmen das Eindringen des IT-Handels in die UE-Domäne mehr oder weniger gelassen. Eins ist allerdings klar: Es gibt Bemühungen von Seiten UE (Unterhaltungselektronik), die traditionellen Vertriebswege so lange wie möglich beizubehalten – mindestens offiziell! Der Fachhandel soll es richten, wie das schon über Jahrzehnte üblich ist. Doch unser Blick hinter die Kulissen zeigt, dass es in der Branche eigentlich wie bei einem Autorennen zu und her geht. UE-Distis warten geduldig hinter der Startlinie, bis die Flagge geschwenkt und der Start freigegeben wird, um neue Vertriebswege anzugehen. Dann wird einer der Erste sein und alle anderen versuchen krampfhaft, den Konkurrenten einzuholen und sich auch ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Mit andern Worten: Es traut sich noch niemand so richtig zuzugeben, dass nicht nur der klassische Radio- und TV-Händler, sondern auch andere Vertriebswege sehr lukrativ sein könnten.

Kein Kampf gegen IT-Distributoren

Wohin führt uns die aktuelle Situation UE zu IT und IT zu UE? Die Meinungen betroffener Unternehmen könnten unterschiedlicher nicht sein. Für Dicom Sedico, die Schweizer Generalvertretung von Samsung, stellt das kein Problem dar. Samsung bewegt sich so oder so in beiden Kanälen, sowohl IT als auch UE. «Wir sehen vorerst keinen Anlass, etwas an unserer Strategie zu ändern», sagt Natalie Villiger, Product Manager CE Products.
Was aber geschieht mit Firmen, die sich fast ausschliesslich auf Unterhaltungselektronik spezialisiert haben? Beim Brügger UE-Disti Sacom nimmt man die Situation ernst und kann gleichzeitig auch schon erste Überlegungen präsentieren. «Man wird sich bewusst, welche Dienstleistung ein Value Added Distributor einfach so nebenbei erbringt und überlegt sich, wie man die zusätzlichen Dienstleistungen besser verkaufen kann», so die Marketing- und Sales Managerin Rosmarie Saner. «Als Generalvertretung mehrerer CE-Marken sind wir bestens für die Zukunft gerüstet», heisst es bei Balcar Electronics in Uster.
Weiter geht CEO Andreas Tischhauser davon aus, dass kein «Kampf» gegen IT-Distributoren stattfinden wird. «Unserer Ansicht nach unterscheiden sich die Aufgaben grundsätzlich», so Tischhauser. Beim Aargauer UE-Disti Wycom gibt man sogar Vollgas. Der Chef Martin Stappung: «Wir intensivieren unsere Anstrengungen mit dem IT-Handel eine Partnerschaft aufzubauen. Denn wir sind überzeugt, dass die Endverbraucher keine Berührungsängste haben.» Der Kunde kaufe demnach nicht nur IT- und damit verwandte Produkte, sondern auch klassische UE-Produkte in diesem Kanal. Stappung setzt aber noch einen drauf: «Für uns gibt es nicht entweder UE oder IT, sondern eine Sowohl-als-auch-Strategie, die auf eine Verschmelzung hinausläuft.»

UE-Händler bleiben Basiszielgruppe

Obwohl UE-Händler für Schweizer UE-Distis, Generalvertretungen oder Niederlassungen namhafter Hersteller weiter die Basiszielgruppe bilden, gibt es doch Indikatoren dafür, dass die Ausdehnung in Richtung IT-Channel immer mehr eine Überlegung wert ist. An die grosse Glocke hängt das jedoch niemand. Aber schlussendlich geht es bei allem nur ums Geschäft, und darauf kann kein Unternehmen verzichten. «Sag niemals nie», heisst die Devise bei diesem Spiel. Der Wettinger UE-Disti Wycom spielt schon lange mit offenen Karten – das Unternehmen macht keinen Unterschied mehr zwischen den Channels. Sowohl beim Brügger UE-Disti Sacom als auch bei der in Uster ansässigen Balcar Electronics setzt man eben nach wie vor auf den Fachhandel. «Kompetente, serviceorientierte Unternehmen aus der IT sind für uns genauso von Interesse», sagt CEO Andreas Tischhauser. «Unsere Produkte zielen vor allem auf den Privathaushalt. Wichtig ist daher, dass der IT-Händler die besonderen Bedürfnisse des Endkonsumenten kennt und das entsprechende Dienstleistungsniveau zur Verfügung stellen kann». Diese Meinung teilen die anderen Anbieter mehr oder weniger. Doch eins haben alle gemeinsam, die UE-Branche klammert sich an das Klischee mit dem überaus anspruchsvollen Kundenbedürfnis, so auch Tischhauser: «Die Erwartungshaltung der Endkunden ist ab einem gewissen Preissegment nach wie vor hoch.» Und UE-Fachhändler würden diese Erwartungen bestens abdecken. Dazu gehörten laut dem Chef von Balcar Electronics nicht nur Beratung und Lieferung, sondern auch Installation der teilweise komplexen Elektronik fürs Wohnzimmer.

Internethandel wenig attraktiv

Die reinen Internethändler dürften sich erstens mit genau diesem Service schwer tun. Und zweitens können Händler, die sich ausschliesslich im Onlinebusiness bewegen, in den meisten Fällen auch keinen Showroom oder Laden bieten, um den Kunden die Produkte vorzuführen. Sie gehören darum, vorläufig jedenfalls, zu den grossen Verlierern. Wenn sie dem Run auf die begehrten UE-Artikel genüge tun wollen, müssen sie sich etwas einfallen lassen. Denn wenn es um hochwertige HiFi-Produkte geht, ist bei vielen offiziellen Schweizer UE-Disits meistens immer noch nichts zu machen. Dort heisst es aus den Chefetagen: Lieferung an Internethandel, nein – Händler mit Laden oder Showroom inklusive Internethandel, ja.
Für Andreas Tischhauser, CEO Balcar Electronics sind solche Entscheide auch marktbedingt: «Teure Highend-Geräte kauft niemand im Internet. Denn um eine gesunde Entscheidungsbasis zu finden, braucht der Kunde nach wie vor ein sattes Klangerlebnis und die Gewähr, das Gerät auch physisch ausprobieren zu können.» Und dem HiFi-Freak diese Erlebniswelt zu bieten, bleibt vorerst die Domäne des Fachhändlers mit Laden oder Showroom. Unfair ist diese Art der künstlichen Aufrechterhaltung der Channels gegenüber dem reinen Internethandel aber trotzdem. Hat doch der Fachhändler mit Laden und Onlineshop genauso die Möglichkeit, seine Lockvogelangebote im World Wide Web zu publizieren. Wobei auch hier zu sagen ist, dass ein Umdenken mehr und mehr stattfindet.
Nicht alle UE-Distis verschliessen sich dem Händler, der ausschliesslich übers Internet arbeitet. Natürlich ist die Angst gross, dass sobald der Onlinehandel im Spiel ist, die Preise erst recht verrissen werden. Dass so etwas nicht geschieht, ist reine Verhandlungssache – schliesslich gibt es auch vernünftige Onlinehändler, die auch gerne noch etwas verdienen möchten und nicht nur Ware umsetzen bis an die Schmerzgrenze. Beim ganzen Preiskrieg sollte man eins nicht vergessen, nicht nur billig zählt. Es gibt auch eine Klientel, welche von den Händlern schon fast in Vergessenheit geriet – das Mittelfeld zwischen Highend und Billigschrott. Dort steht für einen Kaufentscheid nicht nur der Preis, sondern auch die Qualität im Vordergrund. Ausserdem bietet diese Zielgruppe ein gutes Verhältnis zwischen Volumen und Ertrag.

Laufende Weiterbildung

Um den Handel erfolgreich zu betreiben, ist eine klare Distributionsstrategie erforderlich, die durchaus auch Internethändler vermehrt einschliessen könnte. Aber auch Produktesschulungen, die sowohl für UE- als auch für IT-Fachhändler heute mehrheitlich zur Tagesordnung gehören, können eine Verbesserung der Qualität bringen. Allerdings tut das heute jede Branche fast ausschliesslich in deren Fachgebiet. An übergreifende Ausbildungen oder generell über Änderungen denken nur die wenigsten nach. Die meisten setzen auf ihr eigenes Supportteam. «Wir sind in der glücklichen Lage, über technisch gut ausgebildete Mitarbeiter zu verfügen, die auch den Support gewährleisten können, sodass wir gute Chancen sehen, uns in diese Richtung weiter zu entwickeln», so Wycom-Chef Martin Stappung.
So gesehen spielt es gar keine Rolle, ob der Händler alles weiss. Sollten Fragen auftauchen, kann dieser immer wieder auf den Support zurückgreifen. Weiterbildungen werden in den meisten Fällen sowieso nicht vom Hersteller vorgeschrieben. Natürlich gibt es auch hier einige Ausnahmen, zum Beispiel Bang und Olufsen. Hier müssen Händler eine gewisse Anzahl Schulungen im Jahr besuchen, wollen sie den Status eines B&O-Händlers behalten. Bei all dem Hin und Her über Service und Weiterbildung dürfen wir jedoch den Kunden nicht vergessen. Schlussendlich wird er die Entscheidung treffen, von wem er sein neues Heimkino kaufen will und ob er die Unterstützung des Händlers braucht oder nicht.

UE/IT-Verknüpfungen

Multimedia lässt die beiden Welten so oder so immer mehr zusammenwachsen. Und vor allem in diesem Sektor der modernen Unterhaltung gerät die Verknüpfung zwischen UE und IT immer mehr in den Vordergrund. Vor allem was den Hardwarebereich betrifft werden die Grenzen immer mehr verschwinden. Eine Erweiterung des Sortiments ist für jene Distis, die den Anschluss nicht verpassen wollen fast unabdingbar. Entsprechend bedienen sich die UE-Giganten auch immer mehr im IT-Bereich, vor allem was Ergänzungsprodukte betrifft. Beim UE-Disti Sacom machte man sich über die zunehmende Verschmelzung schon vor langer Zeit Gedanken. Seit nunmehr drei Jahren führt das Unternehmen bereits Netzwerkprodukte von Trendnet und eine Erweiterung wird wohl laufend stattfinden. Auch bei Balcar Electronics in Uster will man Produkte, die sonst eher in der IT-Ecke zu finden sind, laufend ergänzen. «Ganz bestimmt sogar. In einer ersten Phase handelt es sich dabei vor allem um Ergänzungssortimente zu den bestehenden Produkten», erklärt CEO Andreas Tischhauser. Wycom, der Wettiger UE-Disti, beschränkt sich bei der Erweiterung des Sortiments auf UE-Produkte mit eingebauter Harddisk, Multimedia-Center, PDAs usw. Netzwerkprodukte sind weniger ein Thema, vorerst jedenfalls. (sm)


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