Portrait: Ruth Odermatt - Die ambitionierte IT-Lady

Als CEO der Arnel Informatik ist Ruth Odermatt eine der wenigen Frauen, die ein IT-Unternehmen in der Schweiz leitet. Sich selber als «Fossil» in der Branche bezeichnend, hat sie gelernt, sich in der Männerdomäne durchzusetzen.

Artikel erschienen in IT Reseller 2005/11

   

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. So etwa könnte man den beruflichen Werdegang von Ruth Odermatt zusammenfassen. Denn mit IT hatte die heute 44Jährige nach ihrer KV-Lehre in einem Carosseriebetrieb nichts am Hut. Auch war das KV nicht gerade das, was sich Odermatt unter einem Traumjob vorstellte. Dekorateurin hätte es sein sollen, oder auch der Besuch der Kunstgewerbeschule wäre nach ihrem Geschmack gewesen. Doch der Mangel an Lehrstellen liessen damals diese Träume wie eine Seifenblase platzen. «Obwohl ich mich nicht als den typischen KV-Typ bezeichnete, hat mir die Arbeit im Büro doch recht gut gefallen. Ich versuche eben aus jeder Situation immer das Beste zu machen.» Ein Motto, an das sich die engagierte IT-Lady auch heute noch hält.

Auf zu neuen Ufern

Nach dem KV folgten je zwei Jahre bei Alusuisse und Nestlé in der Westschweiz.
Das erste Mal IT-Luft – pardon – Schreib- und Textmaschinenluft, schnupperte Odermatt 1985, als sie nach einer siebenmonatigen Weltreise bei A. Baggenstos in Wallisellen als Sachbearbeiterin eine Stelle antrat. Nicht unzufrieden mit dem neuen Job, machte sich aber ein ihr bis damals noch unbekanntes Talent bemerkbar: das Flair für den Verkauf. Odermatt: «Ich verkaufte am Telefon bald mehr als die Verkäufer und konnte dann in die PC-Abteilung wechseln, die damals noch in den frühesten Kinderschuhen steckte. Einen ganz neuen Geschäftszweig von A bis Z mitaufzubauen, hat unheimlichen Spass gemacht.» Odermatt lacht verschmitzt und meint: «Ich erinnere mich noch gut, als der erste PC 1 mit einer Harddisk bei uns im Geschäft angeliefert wurde. Das war eine Revolution im Vergleich zu den damals verkauften Systemen mit zwei Floppys.

Auf dem Weg nach oben

Nach drei Jahren bei Baggenstos erhielt Odermatt die Möglichkeit, die Geschäftsstelle der Messerli Informatik in Zürich aufzubauen. Eine Chance, die sich die damals 28Jährige nicht nehmen lassen wollte. Messerli Informatik war damals mit zirka zehn Geschäftsstellen, mehr oder minder erfolgreich, in der ganzen Schweiz vertreten. Was das Informatikunternehmen aber nicht unter einen Hut brachte, war eine einheitlich geführte Unternehmensstrategie. Autonom wirtschaftete jede der Niederlassungen vor sich hin und wurde mit einem unterschiedlichen Produktportfolio geführt. Odermatt: «Dieses Geschäftskonzept hat langfristig nicht funktioniert und die Geschäftsstellen wurden nach und nach aufgelöst oder durch einen Management Buy-out übernommen.» So entstand die Arnel Informatik. Neben Odermatt haben die damaligen Messerli-Mitarbeitenden Claudio Sicuro, Jules Stämpfli, José Acevedo und Remo Rossi im April 1992 die Firma gegründet. Ausser Rossi, der 1999 das Unternehmen verliess und heute die Network Appliance Schweiz leitet, sind noch alle dabei.

Die Kleinen im Visier

Seit 13 Jahren leitet Odermatt nun die Geschicke des Unternehmens, das sich mit 11 Mitarbeitenden mit Erfolg dem Mittelstand verschrieben hat. Rund 4000 Kunden umfasst die Kundendatenbank, mit rund einem Drittel wird regelmässig Kontakt gepflegt. 80 Prozent der Kunden sind Kleinbetriebe. Ein paar grössere Firmen sind auch dabei, diese zählt Odermatt aber nicht zur Hauptzielgruppe: «Wir sind selbst ein KMU-Unternehmen und wissen, wo in diesem Segment der Schuh drückt. Als Allrounder muss man bei seiner Grösse bleiben und wir bieten unsern Kunden die Lösungen an, die wir auch für uns selber machen könnten.» Dass die IT-Infrastruktur in kleineren KMU-Betrieben zu wünschen übrig lässt und noch viel selber gebastelt wird, fällt Odermatt extrem auf. Themen wie Sicherheit oder Zuverlässigkeit der Infrastruktur werden viel zu oft vernachlässigt.

Mehr Dienstleistungen

Professionelle Hilfe wird verlangt, wenn ein Kunde plötzlich merkt, dass der Laptop von einem Discounter für den Heimgebrauch doch nicht den Anforderungen im Kleinbetrieb genügt. «Aus Kostengründen versuchen viele, die Hilfe eines Informatikdienstleisters zu umgehen – unter dem Strich zahlt sich das aber oft nicht aus. Mit der entsprechenden Infrastruktur können langfristig viele Probleme von Anfang an aus der Welt geschafft sowie Zeit und Kosten gespart werden. Dieser Aspekt ist bei den Kleinen noch viel zu wenig verankert.» Dem Dienstleistungsangebot schenkt Odermatt deshalb besondere Aufmerksamkeit und bietet als HP-System- und Servicepartner neben kompletten Hardware-Infrastrukturen auch Service-, Wartungs- und Betreuungsverträge an und vermittelt zwischen Kunden und Lösungsanbietern im Software-Bereich. Während früher rund 60 bis 70 Prozent des Deckungsbeitrages über das Hardware-Geschäft erzielt wurden, sind es heute nur noch 20 bis 30 Prozent. Odermatt: «Das Hauptgeschäft wird auch bei uns über die Dienstleistung erzielt. Der Hardware-Verkauf ist für uns heute lediglich ein Initiant, um langfristige Geschäfte abschliessen zu können.»
Als Frau in der Welt der IT fühlt sich Odermatt gut aufgehoben. Ganz am Anfang ihrer Karriere habe es aber schon einige «Müsterli» gegeben, und sie hätte sich positionieren müssen, um sich einen gewissen Respekt zu verschaffen. So wurde sie von einigen auch belächelt nach dem Motto: «Was weiss denn eine Frau schon von IT?» Heute lacht Odermatt über solche Anekdoten, denn sie weiss, dass es mit seriöser Arbeit und guter Leistung keine Rolle spielt, ob ein Mann oder eine Frau die Führung eines Unternehmens in der Hand hat. Sie fühlt sich respektiert und ist eben als Frau in der IT fest verankert. (pbr)

Ruth Odermatt

Ruth Odermatt, seit dem 4. Mai 2005 verheiratet, wurde 1961 in Zürich geboren und wuchs als Tochter eines Garagisten zusammen mit zwei jüngeren Brüdern in Wallisellen auf. Ihr erstes «Sackgeld» hat sie durch die Mithilfe an der Tankstelle ihres Vaters verdient. Nach der KV-Lehre absolvierte sie berufsbegleitende Ausbildungen zur Verkaufskoordinatorin und Verkaufsleiterin.
Odermatt hat immer gerne selbständig gearbeitet und gibt zu, dass sie es schwer hätte, sich innerhalb einer grossen Organisation einzuordnen. Als Teilhaberin und CEO einer Firma schätzt sie die Entscheidungsfreiheit und die Möglichkeit, Ideen uneingeschränkt einbringen zu können. Im Gegenzug verzichtet sie auf viel Freizeit, die auf Kosten von Arbeiten am Schreibtisch und Repräsentationspflichten draufgehen. Ihre knapp bemessene Freizeit verbringt sie in der Natur, beim Skifahren, Tauchen, Fotografieren oder bei einem Treffen mit Freunden. Gerne würde sie mehr reisen. Beeindruckt hat sie Island und Norwegen, der Natur wegen und weil kilometerweit kein Haus und kein Mensch anzutreffen sind. Im September wird Odermatt ihre Hochzeitsreise nachholen, mit Ziel Westkanada.


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